Wer war eigentlich General Robert E. Lee?

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Der General, der 200 Jahre lang die US-Politik bestimmte.

Die Bilder der Gewaltexzesse von Anhängern des Ku-Klux-Klans, der Alt-Right-Bewegung und anderen „White Supremacists“ am vergangenen Samstag schockierten die Welt – wenn auch nicht US-Präsidenten Trump, der ausdrücklich beiden Seiten Schuld zusprach.

Mit einer solchen Unterstützung im Rücken herrschte zeitweise Hochstimmung unter US-Neonazis. Die Freude währte aber nur kurz, denn das ursprüngliche Ziel wurde meilenweit verfehlt: Als direkte Reaktion auf die rassistische Gewalt wurde am Mittwoch in Baltimore das Denkmal von Robert E. Lee entfernt, andere Städte wollen bald folgen.

Galionsfigur einer rassistischen Haltung

So haben sich das die randalierenden Fans des Generals sicher nicht vorgestellt. Fraglich ist auch, ob Robert E. Lee über deren Unterstützung besonders erfreut wäre. Im Tod wurde er für sie zur Galionsfigur einer Haltung, die er im Leben nie selbst vertrat.

1807 in Virginia als Mitglied der Oberschicht geboren, schlug Lee als junger Mann eine militärische Laufbahn ein. Der Beginn einer glänzenden Karriere bei den US-Streitkräften: Er absolvierte die Militärakademie als Zweitbester, überzeugte im mexikanisch-amerikanischen Krieg seine Vorgesetzten, galt als tapfer und verwegen. Auch privat hatte er Glück: Seine Ehe mit einer Stief-Urenkelin George Washingtons verlief harmonisch und brachte sieben Kinder hervor.

Wendepunkt zu Beginn des Bürgerkriegs

Der Wendepunkt kam mit dem Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs im Jahr 1861. Nach der Lossagung Texas’ von den USA wurde Lee nach Washington beordert und sollte das Unionsheer gegen die Konföderation des Südens führen. Dieser Auftrag kam von Präsident Abraham Lincoln persönlich, doch Lee lehnte schweren Herzens ab. Virginia war zwischenzeitlich ebenfalls aus der Union ausgetreten. Gegen die Heimat wollte er sich aber nicht stellen. Er kehrte nach Virginia zurück und wurde dort zum Oberbefehlshaber ernannt. Den Rang eines Generals erhielt er kurz darauf, nachdem sich die Armee von Virginia dem konföderierten Heer anschloss.

Beachtliche militärische Erfolge gegen zahlenmäßig meist deutlich überlegene Gegner folgten und brachten ihm Respekt auf beiden Seiten ein. Dabei war Lees eigene Haltung zur Abspaltung des Südens höchst ambivalent. Ursprünglich wollte er sich sogar aus den Kämpfen heraushalten. Nichts anderes als eine Revolution sei das, schrieb er in einem Brief an seinen Sohn – auch wenn er Verständnis für den Kurs des Südens äußerte. Dieser Kurs, der Auslöser für den Konflikt auf amerikanischem Boden ist es schließlich, der Robert E. Lee als Vorbild für White Supremacists heute so attraktiv macht. In Wahrheit waren die Gründe vielfältig, sie waren politischer, ökonomischer, sozialer Natur – im Rückblick werden sie aber selbst im geschichtsversessenen Amerika meist auf die Frage der Sklaverei reduziert.

„Sklaverei ist für Weiße ein größeres Übel“

Auch dazu sind einige Ansichten Lees überliefert. In einem Brief an seine Frau legte er dar: „Es ist nutzlos, sich über die Nachteile der Sklaverei auszulassen. Ich denke aber, dass sie ein größeres Übel für die Weißen als die Schwarzen darstellt, denn obwohl ich Mitleid mit Letzteren empfinde, gehören meine Sympathien doch Ersteren. Die Schwarzen sind in Amerika unendlich besser dran als in Afrika. Die schmerzvolle Disziplin, welcher sie sich hier unterwerfen müssen, ist nützlich für ihre Weiterentwicklung als Rasse.“

Es sind Aussagen, in denen sich Rassisten mit Leichtigkeit wiederfinden können – und die allen anderen die Nackenhaare sträuben. Vergessen wird dabei, dass Lee die Sklaverei dennoch als „moralisches und politisches Übel“ ablehnte.

Lee schenkte Sklaven die Freiheit

Wann dieses Übel ausgemerzt werde, liege allerdings seiner Ansicht nach allein in Gottes Hand. Damit war er ein Kind seiner Zeit, lernte als Mann der Oberschicht, der sich zudem lange Zeit seines Lebens im Norden aufhielt, die Sklaverei in ihrer schlimmsten Form niemals persönlich kennen. Sein Urteil fiel entsprechend aus. Die einzigen Sklaven, die er je selbst besaß, hinterließ ihm sein Schwiegervater nach seinem Tod. Um dessen Schulden zu tilgen, vermietete er sie zunächst, schenkte den insgesamt 63 Menschen nach Ablauf von fünf Jahren dann aber die Freiheit, wie es das Testament verlangte.

Als die Schlacht von Gettysburg zum Desaster wurde und sich das Blatt gegen die Konföderation wendete, schlug der General vor, die dezimierten Truppen des Südens mit Sklaven aufzustocken. Sie sollten kämpfen und danach freigelassen werden. Dieser Plan, der die endgültige Niederlage wohl auch nicht mehr verhindert hätte, wurde nie umgesetzt. Am 9. April 1865 kapitulierte Robert E. Lee schließlich in Virginia, durfte aber zusammen mit seinen Soldaten anschließend unbehelligt nach Hause gehen – er hatte sein Ehrenwort gegeben, sich nie wieder gegen die Vereinigten Staaten zu erheben. Ein Versprechen, das er bis zu seinem Tod hielt.

Vergangener Glanz des alten Südens

Die Männer, die Lee verehren, haben solche Skrupel nicht. Für sie ist er eine Lichtgestalt, die im Krieg zwar letztendlich unterlag, aber gerade dadurch zum Symbol wurde für den vergangenen Glanz des alten Südens und die Vorherrschaft der weißen Rasse – der Mythos der „verlorenen Sache“, für die sie trotzdem immer weiter kämpfen.

Notfalls eben mit Naziaufmärschen und rechtem Terror, um das Gedenken an ihren Helden zu schützen, der sich, auf zeitgenössischen Bildnissen ganz altehrwürdiger Südstaaten-Gentleman, schon rein optisch von dem rassistischen Mob in den Straßen Charlottesvilles eklatant unterscheidet.

Trump kritisiert Abbau von Statuen

Es ist Applaus aus der falschen Ecke, aus den falschen Gründen – mit nachvollziehbaren Folgen: Robert E. Lees Statuen fallen. Auch in dieser Angelegenheit sprang Präsident Trump dem rechtsradikalen Bodensatz seiner Wählerschaft wieder bei: Am Dienstag hatte er die Entfernung der Standbilder verurteilt und bissig gefragt, ob denn bald auch Statuen von George Washington oder Thomas Jefferson gestürzt würden – schließlich hätten auch diese Gründerväter Sklaven besessen.

Die Antwort der Gegendemonstranten, die Trump sicher nicht hören will, müsste konsequenterweise lauten: Ja, eigentlich schon. Natürlich undenkbar in einem stolzen Amerika, das seinen eigenen Gründungsmythos teils zu Recht, teils aber auch völlig unreflektiert feiert. Der Schrecken von Charlottesville hat die seit Jahren geführte Debatte um die amerikanische Erinnerungskultur jedenfalls noch lange nicht beendet.

Was Robert E. Lee dazu wohl gesagt hätte? Trumps Vorgänger Barack Obama formulierte es 2009 im Rahmen einer Gedenkfeier für den General mal so: „Wäre er heute hier bei uns, wäre der General 202 Jahre alt. Und sehr verwirrt.“

Aline Pabst

Harald Rössler
22. August 2018 - 21.06

solche menschen wie Lee fehlen heutzutage, leider.

Clemi
18. August 2017 - 18.06

Interessante infos, danke für den artikel!