„Wer einmal hat geklebt, der klebt, so lang er lebt“ – Der Luxemburger Philatelist Jos Wolff im Porträt

„Wer einmal hat geklebt, der klebt, so lang er lebt“ – Der Luxemburger Philatelist Jos Wolff im Porträt

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Joseph Wolff, unter Philatelisten liebevoll „Jos“ genannt, ist 84 Jahre alt. Seine Leidenschaft für Briefmarken brennt heute noch genauso wie vor 77 Jahren. Kürzlich unterhielt sich das Tageblatt mit ihm über sein Leben, seine Passion und die Welt der Briefmarken.

Von André Feller

Im Alter von sieben Jahren begab sich der kleine Joseph Wolff zum Vermieter seiner Eltern in Dommeldingen, um dort die Miete zu zahlen. Dort angekommen, erblickte er einen frankierten Brief aus der Schweiz. Seine Augen funkelten beim Anblick dieses gezahnten Bildchens. Der Vermieter schenkte ihm den Brief. Seine Leidenschaft war entflammt und weitete sich im Lauf der Zeit weit über die persönliche Sammelleidenschaft aus.

Seit dem 20. März 1993 steht Jos Wolff an der Spitze der „Fédération des sociétés philatéliques du Grand-Duché de Luxembourg“ (FSPL), dem nationalen Dachverband der Briefmarkensammlervereine. Seit 1973 ist er Vorstandsmitglied des nationalen Verbandes. In der weltweiten „Fédération internationale de philatélie“ (FIP) war Wolff seit dem FIP-Kongress 1988 in Prag bis 2004 Direktor, von 2004 bis 2006 Vizepräsident und von 2006 bis 2010 Präsident.

Trotz des beachtlichen Alters findet der leidenschaftliche Philatelist keine Ruhe. Angetrieben von den Briefmarken – als Juror, FSPL- und FIP-Präsident reiste er zigmal um die Welt – arbeitet Wolff täglich. Kein Wunder, vom 8. bis 10. November findet die sogenannte „Multilaterale Briefmarkenausstellung Luxemburg 2019“, eine ranghohe internationale philatelistische Ausstellung auf Kirchberg mit einzigartigen Exponaten aus sieben deutschsprachigen Ländern, statt.

Tageblatt: Als kleiner Junge zogen Sie mit Ihren Eltern von Wiltz nach Dommeldingen und besuchten dort die Grundschule. Wie ging es danach weiter?

Jos Wolff: Ich erlernte das Handwerk des Möbelschreiners in Hamm. Die theoretische Ausbildung absolvierte ich in der Limpertsberger Handwerkerschule, dem späteren „Lycée technique des arts et métiers“. Ich arbeitete einige Jahre als Geselle in der Branche und war somit später berechtigt, mein eigenes Gewerbe zu eröffnen. Ich blieb der Möbelschreinerei aber nicht treu.

Sie haben sozusagen den Beruf an den Nagel gehängt?

Ich wechselte die Branche, blieb aber im Handel tätig. Von 1957 bis 1980 arbeitete ich als Geschäftsmann in der Confiserie Braun & Wolff in der hauptstädtischen „Paschtoueschgaass“. 1980 übernahm ich die Geschäftsführung im Hause Sternberg. In diesem Geschäft für Haushaltswaren, Geschenkartikel und Spielzeug verbrachte ich meine berufliche Karriere bis zur definitiven Schließung. Anschließend war ich bis zu deren Schließung Geschäftsführer in der „Galerie de Bonnevoie“.

Haben Sie dort auch Briefmarken verkauft?

Nein, jedoch Briefmarkenzubehör wie Alben, Ordner, Pinzetten und Lupen.

Kommen wir zurück zur Philatelie. Was begeistert Sie an diesen kleinen Bildchen aus aller Welt?

Briefmarken sind für mich weit mehr als nur nüchterne Gebührenmarken. Sie sind ein Spiegel, der uns die vielfältigsten Aspekte der Gegenwart und der Vergangenheit künstlerisch vor Augen führt. Die Briefmarken geben wertvolle Aufschlüsse über Kultur, Geschichte, politische und wirtschaftliche Entwicklungen, Flora, Fauna und manch andere Aspekte der betreffenden Länder.

Was sammeln Sie eigentlich?

Ich habe eine Luxemburg-Sammlung von 1852 bis heute sowie etliche Ländersammlungen. Mein Spezialgebiet sind die sogenannten Maximumkarten (Ansichtskarte mit einer bildseitigen Briefmarke des gleichen Bildmotivs und einem möglichst passenden Poststempel; Anm.). Die älteste in meinem Besitz ist ein Unikat und stammt aus dem Jahr 1902. Sie wurde von Luxemburg nach Wien verschickt. In einer weiteren Sammlung beschäftigte ich mich mit dem Thema Telekommunikation. Anhand von Briefmarken, Briefen, Stempeln und sachbezogenen Karten dokumentierte ich die Geschichte des Fernmeldewesens, beginnend bei der Buschtrommel über das erste Telefon bis zur heutigen Epoche.

Wie begann Ihre Karriere in der FSPL?

1964 trat ich dem „Cercle philatélique de Dommeldange“ als Mitglied bei, war von 1986 bis 1993 Präsident und seit 1993 bin ich Ehrenpräsident des lokalen Vereins. Im Alter von 39 Jahren trat ich dem „Bureau permanent“, also dem Vorstand der FSPL, bei. Als ich 1993 an die Spitze der FSPL gewählt wurde, legte ich aus statutarischen Gründen mein Amt als Präsident des Dommeldinger Vereins nieder.

Weshalb interessierten Sie sich für die Belange der FSPL?

Einerseits ging es mir um eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit der Post sowie zwischen den FSPL-Vereinen im Interesse der Sammler. Durch Kontakte mit den FSPL-Vereinen, Vorträge in befreundeten Vereinen, Lichtbildvorträgen in den Schulklassen und Gründung von zwei Jugendgruppen in Dommeldingen und Berdorf wollte ich junge und ältere Sammler für das Hobby „Briefmarkensammeln“ gewinnen. Die Herausgabe der Broschüre „Briefmarkensammeln – ein lehrreiches Hobby“, deren vier Auflagen in verschiedenen Schulklassen verteilt wurden, dienten ebenfalls diesem Zweck.

Wie kamen Sie dazu, auf internationaler Ebene in der „Fédération internationale de philatélie“ tätig zu werden?

Dr. Léon Pütz, der FIP-Präsident von 1971 bis 1977, setzte mich 1974 als Kommissar für Luxemburg und Preisrichter für die Weltjugendbriefmarkenausstellung Mladost 74 im bulgarischen Pleven ein. Der Virus hatte mich erfasst. 1978 wurde ich als Vorstandsmitglied in die FIP-Jugendkommission gewählt sowie auch in der Maximaphiliekommission. 1988 stellte ich meine Kandidatur für den FIP-Vorstand, wo ich auch als Direktor gewählt wurde.

Auf welche Themenbereiche konzentrierten Sie sich auf internationaler Ebene?

Ich setzte mich vor allem für die Jugendphilatelie und die Maximaphilie ein, war lange Jahre als Koordinator in der FIP sowie als internationaler Juror in der FIP, FEPA, FIAP, internationalen und nationalen Ausstellungen tätig. 2018 bewertete ich beispielsweise zum 275. Mal Sammlungen im deutschen Sindelfingen.

Wie sieht es um die Zukunft der Philatelie aus? Wird noch gesammelt? Wird es noch lange Briefmarken geben?

Briefmarken wird es immer geben, auch wenn manche es nicht für möglich halten. Für die Jugend, den Nachwuchs der Philatelie, wird es jedoch immer schwieriger. Dabei spielt nicht nur das mangelnde Interesse der Jugend eine Rolle, sondern vor allem die Tatsache, dass sich keine Jugendleiterinnen und Jugendleiter finden lassen. Trotzdem gibt es für mich auch in der Zukunft einen Fortbestand unseres Hobbys. Es gibt im Leben immer Tiefe und Höhen, und dies betrifft auch die Philatelie. Man sollte Optimist sein und denken, was noch nicht ist, kann noch werden. Ein Sprichwort sagt ja bekanntlich: „Wer einmal hat geklebt, der klebt und klebt, so lang er lebt.“

Sowohl im In- als auch im Ausland verschwinden immer mehr Sammlervereine von der Bildfläche. Haben Sie einen möglichen Lösungsansatz gegen das Vereinssterben?

Das ist eine gute Frage, auf die ich leider bis heute keine Antwort gefunden habe. Der Hauptgrund liegt darin, dass manche Vereine keinen Präsidenten, Sekretär bzw. Vorstandsmitglieder mehr finden, um den Verein zu leiten.

Wie hat sich dieser Abwärtstrend auf das Ausstellungswesen ausgewirkt?

Hier kann man nicht von Abwärtstrend reden, sondern vom Gegenteil. Die Ausstellungen sind im Allgemeinen gut besucht und bei FIP-Ausstellungen muss jedes Mal ein gewisser Prozentsatz von Anmeldungen von Exponaten wegen Platzmangel ablehnt werden. Was die FSPL betrifft, muss ich sagen, dass wir immer weniger Aussteller im Wettbewerb haben, aber dafür immer mehr Sammler, die außer Wettbewerb ausstellen möchten.

Welchen Einfluss hat das Internet auf die Philatelie? Ist das WWW eine Chance oder eher in Fluch?

Das Internet ist nicht mehr wegzudenken. Man kann auf diese Weise die philatelistische Kenntnisse austauschen, Belege und Briefmarken finden, die man schon lange für sein Exponat sucht. Die Kommunikation zwischen Sammlern aus aller Welt ist einfacher geworden – es gibt eben immer neue Wege, die Philatelie zu fördern.