EditorialWer die Wohnpolitik nicht ernst nimmt, gehört bei den Wahlen abgestraft

Editorial / Wer die Wohnpolitik nicht ernst nimmt, gehört bei den Wahlen abgestraft
Die Politik muss den Missstand auf dem Wohnmarkt in den Griff kriegen, das ist ihre Aufgabe – wer dieser Aufgabe nicht gerecht wird, gehört bei den Wahlen abgestraft Foto: Editpress/Alain Rischard

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Die Geschichte ist älter, bleibt aber vielsagend. Im Jahr 2018 wurde Premier Xavier Bettel (DP) dabei gefilmt, wie er einer verzweifelten älteren Frau den Rat hinterherschickt, sie solle nicht über zu hohe Mietpreise jammern, schließlich hätte sie in jüngeren Jahren eine Wohnung kaufen und sich damit alle späteren Probleme ersparen können. Vielsagend ist diese Episode geblieben, weil sie die Luxemburger Wohnpolitik und eine hierzulande weit verbreitete Mentalität auf den Punkt bringt: Wer sich kein Eigentum anschafft und irgendwann mehr oder weniger mit einem Bein auf der Straße steht, ist selber schuld daran.

Die Politik, die Bauherren und die vielen Besitzer sind damit fein raus – sie haben nach den Regeln des Marktes gespielt, alles richtig gemacht, und für den Rest gilt: Wer nicht hören will oder kann (in diesem Fall einen Kredit aufnehmen), muss fühlen (in diesem Fall den immer größer werdenden Betrag, den die Mietkosten vom Monatseinkommen aufzehren).

Die jüngste Posse um das Mietschutzgesetz ist das vorerst letzte Kapitel in einer jahrzehntelangen Aneinanderreihung von politischem Versagen und Peinlichkeiten in der Wohnpolitik. Eine Politik, die zuletzt Bilder einer Frau im Hungerstreik und von ellenlangen Warteschlangen vor den Büros für ermäßigten Wohnraum erzeugte. Bilder, bei denen man sich am liebsten fremdschämen würde, es aber nicht kann, weil sie Produkte jener Politik sind, die in Luxemburg nun einmal gemacht und demnach offenbar von den Wählern, also uns, gewollt wird. Das muss sich ändern.

Beim Hin und Her um das Mietschutzgesetz haben sich alle politischen Akteure blamiert. Angefangen beim grünen Wohnungsbauminister Henri Kox, dessen vorgeschlagene Änderungen am eigenen Gesetzentwurf Mieten verteuert statt vergünstigt oder zumindest gedeckelt hätten. Über Premier Xavier Bettel, der im Neujahrsinterview den grünen Minister rügte für eine Politik, die eigentlich die Handschrift der liberalen DP trägt. Bis hin zur LSAP, die die Änderungsvorschläge erst mittrug, um sich dann entrüstet davon zu distanzieren, als habe man nicht gelesen, was man im Regierungsrat guthieß. Dabei hatte unter anderem die Arbeiterkammer das Mietschutzgesetz und die vorgeschlagenen Änderungen in einem Gutachten als „vollkommen unlogisch“, „absurd“, „grotesk“, „unverantwortlich“ und „unannehmbar“ verrissen. Aber vielleicht wurde auch dieses Gutachten nicht gelesen. Was die CSV angeht, hatte diese unter Jean-Claude Juncker die Sache bereits in grauer Vorzeit zur „Chefsache“ erklärt und sie dann ebenso schleifen lassen. Hinzu kommt ein „Pacte logement“, der erst in Jahren greifen soll.

Wie gesagt, Peinlichkeiten allerorten, und das in jenem Politikfeld, auf das nicht erst seit den steigenden Zinsen sehr viele Menschen in Luxemburg mit Argusaugen schauen, da es um die eigene finanzielle Existenz beziehungsweise jene der eigenen Kinder geht. Ex-Premier Juncker hat die Schuld für die ganze Misere immer gerne auf die Immobilien- und Grundstücksbesitzer abgewälzt, die jeden Cent aus jedem Quadratmeter herauspressten. Auch andere haben sich diese für die Politik sehr bequeme Sichtweise angeeignet oder Investoren und Bauherren zum Sündenbock gemacht, die sich selten geniert haben, das eigene Stück Kuchen besonders großzügig zu bemessen.

Nun leben wir aber in einer Demokratie, in der die Politik die Gesetze macht und damit den Rahmen setzt, in dem sich alle bewegen können und müssen. Die Wohnsituation in Luxemburg ist ein Ergebnis davon – und damit ein Zeichen für das Versagen der Politik, die solches Handeln nicht mit strafenden Steuern bekämpft. Auf immer mehr Menschen wirkt sie sich immer katastrophaler aus. Niemand weiß, wie viele von ihnen bereits ins Ausland abgewandert sind. Vielleicht will es auch niemand wissen. Die Materie ist kompliziert, aber das darf keine Entschuldigung sein. Im Superwahljahr müssen die Parteien Farbe bekennen und Lösungen anbieten. Das gilt nicht nur für die nationale, sondern auch für die kommunale Ebene. Die Politik muss den Missstand auf dem Wohnmarkt beheben, das ist ihre Aufgabe. Alle Parteien müssen sich daran messen lassen – und gehören vom Wähler abgestraft, wenn sie dieser Aufgabe nicht gerecht werden.

Phil
20. Januar 2023 - 10.50

Wenn die Mieteinnahmen dermassen hoch versteuert werden, dass es sich nicht mehr lohnt in "Stein" zu investieren, stagniert das ganze System. Herrschaften wie jung.luc.lux können/müssen dann unter der Brücke schlafen.

jung.luc.lux
17. Januar 2023 - 21.17

Zun diesem Thema hat Gambia 1 und 2 total versagt. Mieteinkommen müssen so versteuert werden, dass sie sich nicht mehr lohnen. Mit diesen Mehreinnahmen kann man jungen Leute helfen sich eine Wohnung leisten zu können. Das Kapital der Bourgeoisie ist dieser Regierung wichtigerer als die Zukunft von jungen Leuten. (siehe Boettel) Von einer DP habe ich nichts anderes erwartet, doch von der LSAP habe ich mir mehr erhoft. Die freie Marktwirtschaft hat hier versagt, die Spekulanten und Profiteure haben gewonnen.

Hannibal
16. Januar 2023 - 16.53

Eng Foto mat lauter Comidien an Comiker.

Leila
15. Januar 2023 - 17.22

Ich habe das Video gesehen und war entsetzt! Wie kann ein Premier in einem solchen Ton so einen Text von sich geben (so quasi "hätt Dir eppes geléiert")? Oder kannte er den Lebenslauf der Dame? Hat sie in ihrer Jugend ihren Lohn verprasst? Oder weiß Herr Bettel nicht, dass man Eigenkapital für einen Immobilienkauf braucht? Nicht jeder erbt oder hat einen gut bezahlten Posten. Wie auch immer - dieses Bloßstellen einer Person war erniedrigend und unnötig.

Jeff
15. Januar 2023 - 15.42

Eng schéi Foto ... eng richteg Groussfamill ... een esou dichteg wéi deen âneren.

jean-pierre.goelff
15. Januar 2023 - 15.39

Na,dann straft mal schön,liebe Luxusbürger!Bin auf das Resultat gespannt!

Phil
15. Januar 2023 - 13.12

Wann vill Leit dat selwecht wëllen, da gett et deier.

JJ
15. Januar 2023 - 9.28

Dann lasset uns doch einmal ein Team zusammenstellen welches das Problem lösen könnte!? ADR? Piraten?Der CSV ist und war das Problem ja schon während ihrer Regierungszeit bekannt. Solange die Freie Marktwirtschaft die Regeln bestimmt gibt es wohl keine Möglichkeit.Angebot und Nachfrage? Aus alten Dörfern sind neue Städte geworden,aber das genügt noch immer nicht. Und die Immobilienhaie werden schon ihr Schäfchen ins Trockne bringen bevor sie auf ihren überteuerten Wohnungen sitzen bleiben. 3 bis 6 Prozent für den Verkauf einer Immobilie. Nicht übel für ein Paar Annoncen und Führungen.

Grober J-P.
14. Januar 2023 - 22.37

Unter einer gewissen Gehaltsschwelle sollte ein Kredit für Wohnung einfach zinslos sein, der Staat übernimmt die Zinsen, anstatt in überteuerte "Denkmäler" zu investieren. ( Stadien, Velodrome, Fahrradbrücken, Kunstwerke für Tornados)!!!

Grober J-P.
14. Januar 2023 - 22.29

Bei einem Gehalt wie der Xavier es bekommt ist es ein Knacks sich Wohnungen leisten zu können. Wie sagte der gute Herr von der BCEE zum Nachwuchs, haben sie keine reiche Oma die ihnen Beistand leisten kann.

Grünschaden
14. Januar 2023 - 18.33

Jiddefalls misste virun allem déi ofgestroft ginn, déi et mat hirem Gesetzesvirschlag färdegbruecht hunn, datt nemmen hallef esouvill méi gebaut gett... Gring wierkt wirklech, awer voll an di falsch Richtung. Wann dat Gesetz dann a Kraft trett, wärt guer näischt méi gebaut, verkaft oder verlount ginn. Ech wiele secher keng Partei, déi net schon am Virfeld eng Koalitioun mat dene Gringen ausschléisst, genau wéi mamm ADR.