„Weniger Autos, bessere Luft“: Abgasbelastung in Madrid und Barcelona viel zu hoch

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Nirgendwo in Spanien ist die Luft so schlecht wie in der Hauptstadt Madrid. Seit Jahren überschreitet die Metropole die verbindlichen Schadstoff-Grenzwerte der Europäischen Union (EU). Darunter leiden nicht nur die 3,2 Millionen Einwohner, sondern auch die rund zehn Millionen Touristen, die jedes Jahr nach Madrid kommen.

Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze, Madrid

Nun platzte der Europäischen Kommission, welche über die Einhaltung der Luftverschmutzungslimits wacht, der Kragen: EU-Umweltkommissar Karmenu Vella kündigte dieser Tage eine Klage gegen Spanien vor dem Europäischen Gerichtshof an. Und zwar wegen der „systematischen Verletzung der europäischen Normen“, die bereits seit 2010 gelten. Konkret geht es um den Schadstoff Stickstoffdioxid (NO2), dessen Werte in Madrid seit Jahren weit über dem Erlaubten liegen.

EU-Kommissar Vella wollte den spanischen Staat, der für den Verstoß Madrids in die Verantwortung genommen wird, eigentlich schon früher verklagen. Doch nachdem die Abgas-Hauptstadt Madrid in 2018 ein City-Fahrverbot für alte Diesel- und Benzinfahrzeuge beschloss, verzichtete Vella zunächst auf ein Verfahren. Nur Anwohner, Taxis und Lieferanten waren von dem Bann ausgenommen, den die damalige linksalternative Bürgermeisterin Manuela Carmena durchgeboxt hatte. Die Luft wurde, so signalisierten die Messgeräte, vorübergehend spürbar besser.

Rückkehr der autofreundlichen Politik

Doch die Zeiten der ambitionierten Umweltpolitik sind vorbei. Seit der konservative Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida im Juni 2019 die Macht in Madrid übernahm, weht ein anderer Wind. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Ankündigung, dass Umweltsünder, die trotz Fahrverbots mit ihren Altwagen in die City fahren, keine Strafe mehr zu befürchten haben. Auch sonst ließ der neue konservative Stadtregent kein gutes Haar an der Verkehrsberuhigungspolitik seiner progressiven Vorgängerin, und er versprach seinen Wählern, dass sie bald wieder freie Fahrt bekommen.

Die Rückkehr der autofreundlichen Politik nach Madrid brachte vermutlich in Brüssel das Fass zum Überlaufen. „Wir wollen entschlossene Handlungen sehen“, erklärte EU-Kommissar Vella nun in Brüssel. „Die Luftverschmutzung ist immer noch das größte umweltbedingte Gesundheitsproblem in der EU“, sagte er. Die unzureichende Luftqualität sei EU-weit jedes Jahr für rund 400.000 vorzeitige Todesfälle verantwortlich. Die Folgen der Luftverschmutzung verursachten zudem in der Union wirtschaftliche Schäden von mehr als 20 Milliarden Euro jährlich.

Proteste gegen Bürgermeister

Übrigens geht die EU-Kommission mit ihrer Klage nicht nur gegen die Abgaswolken in Madrid vor. Auch die nordostspanische Mittelmeermetropole Barcelona steht am Pranger, weil dort ebenfalls seit Jahren die Luft ziemlich dick ist – ohne dass viel dagegen unternommen wurde. Zwar hat die linksalternative Bürgermeisterin Ada Colau inzwischen Barcelonas City zur „Zone mit geringer Luftverschmutzung“ erklärt. Doch das dazugehörige Fahrverbot für abgasreiche Altfahrzeuge soll erst in 2020 in Kraft treten. Auch eine City-Maut, wie sie in London existiert, kann sich Colau in der Zukunft vorstellen.

In Madrid gingen derweil Tausende Bürger gegen den umweltpolitischen Rückfall der konservativen Stadtregierung auf die Barrikaden. „Weniger Autos, bessere Luft“, stand auf Plakaten, mit denen nach Schätzung der Polizei rund 10.000 Menschen vor dem Rathaus demonstrierten. Etwa 240.000 Bürger unterschrieben zudem eine Protestresolution, mit der sie „ein fußgängerfreundliches, modernes und nachhaltiges Madrid“ forderten. Weniger Luftverschmutzung, so heißt es in der Resolution, das sei keine Frage der Ideologie, sondern der Gesundheit und der Lebensqualität.

Inzwischen klagte übrigens eine Plattform großer Umweltorganisatoren gegen die Entscheidung des Madrider Bürgermeisters, der freien Fahrt und nicht der frischen Luft Vorrang einzuräumen. Die Umweltschützer fanden ein offenes Ohr vor dem Madrider Verwaltungsgericht. Das Gericht setzte in einer Eilentscheidung die vom Bürgermeister suspendierten Strafen für jene Autofahrer, die gegen das City-Fahrverbot verstoßen, vorläufig wieder in Kraft.