JustizWem die Stunde schlägt: Flavio Becca und seine Luxusuhren

Justiz / Wem die Stunde schlägt: Flavio Becca und seine Luxusuhren
Ein unaufgeregter Flavio Becca im Kreise seiner Anwälte und juristischen Berater Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Ist die Anschaffung von rund 900 Luxusuhren zum damaligen Kaufwert von um die 18 Millionen Euro eine Kapitalanlage oder ein Strafdelikt? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Strafgericht Luxemburg. Im Mittelpunkt steht der Luxemburger Unternehmer Flavio Becca. Seine Anwälte, darunter ein Star-Strafverteidiger aus Frankreich, versuchen, der Anklage allen Wind aus den Segeln zu nehmen und verlangen den Freispruch für ihren Mandanten.

8.17 Uhr. Dienstagmorgen. Am Eingang zur „Cité judiciaire“ in der Hauptstadt hält ein dunkler Wagen mit Chauffeur. Flavio Becca und zwei Begleiter, ein Mann und eine Frau, steigen aus. Die Frau zieht einen Rollkoffer hinter sich her. Alle drei tragen bereits ihre Maske.

8.21 Uhr. Flavio Becca betritt das Gerichtsgebäude und passiert die Sicherheitsschleuse. Er grüßt mit ruhiger Stimme, sein wacher Blick zeigt nichts Angriffslustiges. Becca und seine Begleiter begeben sich ins erste Stockwerk, wo einer der größeren Audienzsäle liegt. Gerichtsmitarbeiter öffnen die Fenster, um zu lüften.

Zur Erklärung: Der Luxemburger Geschäftsmann Flavio Becca muss sich wegen eines undurchsichtig scheinenden Uhrengeschäfts vor Gericht verantworten. Im Zeitraum von 2004 bis 2011 hat er rund 900 Uhren im Wert von um die 18 Millionen Euro über seine Firmen gekauft. Als Anlage mit großem Wertsteigerungskapital, wie er sagt. Oder als Mittel zum Betrug, so die Auffassung der Staatsanwaltschaft.

Scharfes Geschütz

8.35 Uhr. Vor dem Saal warten um die 30 Menschen. Ermittler, Journalisten, Prozessbeobachter, Freunde und natürlich Flavio Becca. Er ist umgeben von seinen Rechtsberatern und Anwälten.

8.55 Uhr. Während zwei junge Männer in Handschellen vorbeigeführt werden, dürfen die Wartenden zurück in den Audienzsaal. Flavio Becca setzt sich in die zweite Reihe rechts außen. Im Fußball ist das ein Mittelfeldspieler, der auch zum Angriff übergehen kann. Diese Aufgabe aber übernimmt beim Prozess der Mann links neben Becca. Es handelt sich um Hervé Temime. „L’avocat le plus puissant de France“ oder „l’avocat des puissants“, wie der in Algerien geborene 64-Jährige genannt wird. Er hat unter anderem Bernard Tapie, Gérard Depardieu und Roman Polanski verteidigt.

8.57 Uhr. Flavio Becca hält ein Mobiltelefon in der Hand. Ob er schreibt oder liest, erkennt man nicht, sprechen tut er nicht.

9.01 Uhr. Die Sitzung beginnt. Falvio Becca hat den Kopf nach vorne gebeugt, dabei spannt sein Jackett etwas über seinen breiten Schultern. Nervosität ist ihm nicht anzumerken. Nur der Kopf bewegt sich von Zeit zu Zeit leicht, aber nicht offensichtlich zum Takt der Worte seines Luxemburger Anwalts, Arsène Kronshagen, der als Erster spricht. Der Prozess sei eigentlich nicht nötig, die Uhren ja immer noch da, der Vorwurf der Verschleierung haltlos, außerdem überzogene Fristen, sein Mandant also nicht schuldig. So kann man seine Worte verstehen. Während Maître Kronshagen spricht, blättert Becca unaufgeregt in einem Stoß Akten, der vor ihm liegt.

9.41 Uhr. Maître Temime übernimmt mit fester Stimme. Trotz Maske vor dem Gesicht macht er von Anfang an deutlich, dass er kein Blatt vor den Mund nehmen wird. Auch er betont, dass der Prozess eigentlich unnötig sei und Flavio Becca als ehrbarer Geschäftsmann sich nichts zuschulden habe kommen lassen. Dessen Kopf neigt sich indessen etwas mehr nach links in Richtung des Redners.

Kein Grund für einen Prozess

Hervé Temime sagt, dass Beccas Verhalten in Frankreich unter Umständen strafbar sei, aber kaum möglich wäre, da dort die Vermischung von Privat- und Firmenangelegenheiten in der nun vorliegenden Form strikt verboten sei. Nicht aber in Luxemburg. Hier sei Flavio Becca im Rahmen des Gesetzes geblieben. Wohl vielleicht nach Methoden, die dem einen oder anderen sonderbar erscheinen mögen, aber immer legal und ohne Risiken für seine Firmen, stets in deren Interesse. „Il n’y a pas d’affaire pénale“, so Maître Temime, es gebe folglich auch keinen Grund, einen Prozess zu führen.

Die jetzt zur Debatte stehende Causa habe ihren Ursprung im Rahmen eines vermeintlichen Korruptionsverdachtes. Der sei aber fallen gelassen worden. Darüber hinaus gehe es um Vorwürfe, die bis zu 17 Jahren zurückreichen. Temime spricht von „retard inexplicable et pas raisonable“.

Mit unterschwelligen Botschaften, die man durchaus als Kritik an der Ermittlungsarbeit auffassen kann, fährt der französische Anwalt fort und erwähnt, was als Expertisen nicht nachgefragt und nachgeforscht wurde.

Zum ersten Mal während der Sitzung lehnt sich Flavio Becca etwas in seinem Stuhl zurück.

Freispruch gefordert

10.15 Uhr. Kleine Pause. Jeder redet mit jedem. Becca bleibt im Kreise seiner juristischen Berater. Jemand erwähnt die moralische Komponente im Benehmen des Unternehmers. Darum geht es nicht, sagt ein anderer: „Es geht um Rechtssprechung, dem Gesetz entsprechend.“

10.42 Uhr. Die Pause dauerte etwas länger. Hervé Temime nimmt sofort wieder Fahrt auf und vermittelt: Eisberge gibt es keine im Gerichtssaal und Becca ist als Titanic unsinkbar.

Der Staranwalt aus Frankreich sagt, dass man Flavio Becca, einem ehrbaren Geschäftsmann, nichts vorwerfen könne. Weder, dass er gegen die Interessen seiner Firmen gehandelt, noch, dass er in seinem Benehmen schlechten Willen gezeigt habe. Deshalb sei sein Mandant freizusprechen.

11.43 Uhr. Schluss. Der Prozess wird heute mit dem Plädoyer des Anwalts des Nebenklägers Eric Lux fortgeführt. Wie Becca ist er einer der großen Luxemburger Unternehmer. Einst waren beide Geschäftspartner. Heute sind sie zerstritten. Lux klagt, weil er Beccas Gebaren als rufschädigend für die nach wie vor bestehenden gemeinsamen Firmen ansieht.

thorsten
11. Februar 2021 - 10.22

Die Frage ist mit welchem Geld hat er diese bezahlt und wo kam das Geld dafür her ? Hat er nicht noch weitere strafbare Handlungen begangen. Zb steuern zu umgehen in dem er fingierte Rechnungen in seinen Unternehmen verrechnet hat die ihn eigentlich privat betreffen würden? Betreibt er mit seinen 105 Unternehmen ggf ein Steuerkarusell und kürzt dadurch die UST? Frage über fragen......

en ale Sozialist
20. Januar 2021 - 15.08

Sind das etwa die berühmt berüchtigten Uhren, die Becca auch an Luxemburger Politiker verschenkt hat, die er ebenfalls zur Tour de France einlud?

en ale Sozialist
20. Januar 2021 - 12.04

Do muss ee schons vill Souen hunn oder vun Dommheet nët weess wat ee maache soll, wann ee fir 18 Mio. Euro Auere keeft.

HTK
20. Januar 2021 - 10.08

Das Gesetz ist für die Armen. Ein amerikanischer Staranwalt sagte einst:" Du kannst mittags mitten in der Wallstreet einen Menschen erschießen.Ich werde dich rauspauken.Nur: Es wird dich alles kosten was du hast." Das spricht Bände.