GastbeitragEine überfällige Anerkennung – Gedanken zum Weltfrauentag

Gastbeitrag / Eine überfällige Anerkennung – Gedanken zum Weltfrauentag
Weltweit häufen sich die Aufgaben, die immer noch von Frauen erledigt werden: Homeschooling, Kinderbetreuung, Haushalt und die Pflege von Familienmitgliedern. In Indien arbeiten Frauen oft bis spät abends und tragen maßgeblich zum Einkommen ihres Haushalts bei. Foto: Channi Anand/AP/dpa

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Jedes Jahr zum Weltfrauentag hört man das Gleiche: „Ist das denn wirklich nötig?“ Dieses Jahr ist da keine Ausnahme. Und das, obwohl während der aktuellen Pandemie weltweit vor allem Frauen an vorderster Front kämpfen: Krankenschwestern, Pflegerinnen, Lehrerinnen, Ärztinnen, Hebammen, Kassiererinnen.

Weltweit ist 70 Prozent des Personals im Gesundheitswesen und in sozialen Berufen weiblich, bei den Krankenschwestern sogar 91 Prozent. In diesen Jobs ist man dem Virus direkt ausgesetzt. Nebenbei üben Frauen oft weniger gesicherte Jobs aus als Männer. Bei einer rückgängigen Wirtschaftslage sind Frauen also besonders von Stellenstreichungen betroffen. Außerdem sind es meist Frauen, die im informellen Sektor arbeiten. Schätzungen zufolge haben diese ArbeiterInnen allein während des ersten Monats der Pandemie 60 Prozent ihres Einkommens verloren.

Hinzu kommt, dass, laut einer Studie der Vereinten Nationen, Frauen im Schnitt dreimal mehr unbezahlte Arbeit leisten als Männer. Nicht nur in Luxemburg, sondern weltweit häufen sich momentan die Aufgaben, die immer noch hauptsächlich von Frauen erledigt werden: Homeschooling, Kinderbetreuung, Haushalt und die Pflege von Familienmitgliedern. All dies muss oft neben einem Vollzeitjob bewältigt werden. Diese zusätzlichen unbezahlten Aufgaben sind nicht nur körperlich anstrengend, sondern oft auch nervenzerreißend und werden meist nicht wertgeschätzt.

In Zeiten, wo das Homeoffice die neue Norm ist, können wohl viele nachvollziehen, dass man sich zu Hause nur schwer voll und ganz auf seine Arbeit konzentrieren kann. Vor allem mit Kindern im Homeschooling kann die Arbeit von zu Hause aus eine richtige Herausforderung werden. Einem ganz bestimmten Arbeitssektor, der insbesondere in Indien und Bangladesch zu finden ist, geht es da ähnlich: Die „home-based garment workers“, sogenannte Heimarbeiterinnen. Es handelt sich hierbei um Frauen und junge Mädchen aus marginalisierten Gemeinschaften, die für nicht mehr als 15 Cent pro Stunde in ihrem Zuhause vorgefertigter Kleidung den letzten Schliff verpassen.

Ihre Arbeit besteht vor allem aus Stickereien und dem Annähen von Knöpfen, Perlen, Pailletten oder Quasten. In Indien ist jede fünfte Heimarbeiterin unter 17 Jahre alt. 99 Prozent der Heimarbeiterinnen arbeiten ohne schriftlichen Vertrag für weniger als den staatlich festgelegten Mindestlohn und dürfen sich nicht gewerkschaftlich organisieren. Die indische Gesetzgebung definiert diese Arbeitsumstände klar als Zwangsarbeit.

Niedrige Löhne und keine Sozialversicherung

Indien hat eine der größten Textilindustrien der Welt. 12,9 Millionen Menschen sind in Fabriken angestellt. Einige weitere Millionen arbeiten ohne offizielle Anstellung als Heimarbeiterinnen. Dass diese Arbeit fast ausschließlich von Frauen verrichtet wird, hat mit der patriarchalischen Annahme zu tun, dass es für sie sicherer sei, zu Hause zu arbeiten, als allein in die große weite Welt hinauszugehen. Zur gesellschaftlichen Rolle der Frau und ihrer beschränkten Bewegungsfreiheit kommt der noch immer andauernde Trend des Outsourcings, welcher es Arbeitgebern ermöglicht, sehr niedrige Löhne und keine Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen und trotzdem am Ende des Tages das fertige Produkt vor sich liegen zu haben.

Es handelt sich bei den Aufträgen der Heimarbeiterinnen nämlich nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen wird, um kleine Handarbeiten nebenher. Diese Frauen arbeiten oft bis spät abends und tragen, trotz ihres niedrigen Stundenlohns, maßgeblich zum Einkommen ihres Haushalts, ihrer Gemeinschaft und der Wirtschaft ihres Landes bei. Ihre harte Arbeit bleibt allerdings für ihre Gemeinschaft, sowie für Gesetzesgeber und politische Entscheidungsträger, unsichtbar, da diese Frauen offiziell nicht als Arbeitnehmerinnen gelten. Außerdem stehen sie selbst im Bereich der Schwarzarbeit ganz unten in der Kette, da sie, isoliert in ihrem Zuhause, ohne Möglichkeit, sich mit anderen Heimarbeiterinnen abzusprechen, völlig ohne Verhandlungsmacht sind.

Wenn das nächste Mal also die Frage aufkommt, ob im Jahr 2021 ein Weltfrauentag immer noch notwendig ist, dann liegt die Antwort wohl auf der Hand. Der Weltfrauentag ist kein Almosen, sondern die unbedingt notwendige und längst überfällige Anerkennung, dass die Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft noch immer – sogar 2021 – nicht garantiert ist.

An diesem 8. März sollte jeder sich die Frage stellen, ob die Frauen in seinem Leben dieselben Menschenrechte genießen wie man selbst. Die Gleichstellung von Mann und Frau ist ein andauernder Prozess, und solange weltweite Ungerechtigkeiten weiter bestehen, brauchen wir den Weltfrauentag, um uns immer wieder daran zu erinnern.

* Michelle Schmit ist „Chargée de travail politique“ bei Caritas Luxembourg

boufermamm
13. März 2021 - 19.12

Bin der Meinung, die Frauen waren immer noch das stärkere Geschlecht.