TransplantationenWarum es in Luxemburg um die Organspendenbereitschaft so schlecht bestellt ist 

Transplantationen / Warum es in Luxemburg um die Organspendenbereitschaft so schlecht bestellt ist 
Protransplant.lu ist einer der Akteure in Sachen Organspenden in Luxemburg. Die gemeinnützige Organisation wurde von Betroffenen gegründet und macht in erster Linie Aufklärungsarbeit Foto: Tageblatt-Archiv

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Luxemburg bekommt mehr Organe, als es spendet. Im internationalen Vergleich steht das Großherzogtum schlecht da. Warum ist das so?

Luxemburg ist Mitglied von Eurotransplant. Neben den Beneluxländern gehören Deutschland, Österreich, die Slowakei, Kroatien und Ungarn der 1969 gegründeten Stiftung an. Vereinfacht ausgedrückt, vermittelt Eurotransplant durch seine Datenbanken die Organspenden. Es führt auch die Wartelisten. Auf denen standen Ende Januar dieses Jahres 1.349 Menschen, die auf eine Spenderleber angewiesen sind, und 9.874, die auf eine Niere warteten. Durch die Vermittlung von Eurotransplant wurden 2021 6.398 Organe transplantiert. 

In Luxemburg standen 2021 insgesamt 114 Personen auf der Warteliste für Organspenden (von insgesamt 13.460 in den acht Mitgliedsländern). Es kam zu 21 Operationen. Drei Menschen verstarben, weil sie nicht rechtzeitig ein neues Organ bekommen konnten. Demgegenüber standen zwei Verstorbene, die ihre Organe spendeten. Auch in den Jahren zuvor war die Statistik nicht wesentlich besser. 2017 gab es neun Organspender, seitdem geht die Zahl zurück (7, 5, 3 und 2 im Jahr 2021). Somit ist Luxemburg das Schlusslicht unter den acht Eurotransplant-Ländern (3,2 Spender pro eine Million Einwohner. Durchschnitt der acht Länder: 13,6. An der Spitze liegen Kroatien und Belgien mit 23,9 resp. 21,2).    

Mentalitätsproblem

Dass die Luxemburger so wenig Organe spenden, ist ein Mentalitätsproblem. Hierzulande werden keine Organtransplantationen durchgeführt, die Patienten müssen ins Ausland. Das war nicht immer so. Dr. Stanislas Lamy führte im CHL zwischen 1980 und 2010 insgesamt 160 Nierentransplantationen durch. Seit seiner Pensionierung werden keine Organe mehr im Großherzogtum transplantiert. Das ist auch nicht weiter dramatisch, fehlt es doch an der „masse critique“ zur Einrichtung etwa eines Transplantationszentrums.

Warum aber sind die Luxemburger so wenig zur Organspende bereit? „Es gibt hierzulande keine Organspende-Mentalität, das ist sehr bedauerlich“, sagt Jean-Marie Backes, „ich denke, dass die Menschen nicht genug Kontakt zu Betroffenen haben. Aber das ist nur meine Meinung“. Er nennt ein Beispiel: „Wenn bei einem Autounfall vier Menschen ums Leben kommen, dann werden sofort Maßnahmen zur Sicherheit ergriffen. Sterben aber vier Menschen, weil sie nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten, nimmt kaum jemand Notiz davon.“

Die Luxemburger Gesetzgebung in Sachen Organspenden beruht auf dem Prinzip der vermeintlichen Zustimmung. D.h. der Bürger ist automatisch Organspender, es sei denn, er hat sich zu Lebzeiten schriftlich dagegen ausgesprochen. So weit, so gut. Der Haken ist, dass sich die Familienangehörigen nach dem Ableben des potenziellen Spenders einverstanden mit einer Organspende erklären müssen. Und hier kommen neben der schwierigen Situation der Trauer auch Urängste ins Spiel. Zum Beispiel die irrationale Angst, die Ärzte täten nicht alles für einen Patienten, wenn sie wüssten, dass dieser bereit ist, seine Organe zu spenden. Oder aber, ob der vermeintlich Tote wirklich tot ist.

Ausweis hat symbolischen Charakter

Ein Organspenderausweis ändert im Übrigen nichts daran, dass die Angehörigen einverstanden sein müssen.  Er hat demnach lediglich symbolischen Charakter und keine legale Basis. Die Symbolik ist aber nicht zu unterschätzen. Denn hat der Verstorbene zu Lebzeiten nicht mit seiner Familie über Organspenden gesprochen – und der Tod ist in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Tabuthema –, dann beweist der Ausweis den Angehörigen zumindest den Willen des Verstorbenen, als Organspender zu fungieren. 

Die Regierung weiß um die Problematik. Sie hat eine Konvention mit Luxembourg Transplant. Die Organisation ist dadurch der „service national de coordination des dons d’organes“ und arbeitet als solcher eng mit Eurotransplant zusammen. Lux-Transplant ist also die nationale Anlaufstelle für Organspenden. Zu ihren Aufgaben gehören auch die Sensibilisierung und Aufklärung der Öffentlichkeit. Lux-Transplant organisiert jeden Oktober den Spendenmarathon. 

Auf nationaler Ebene promoviert auch Protransplant.lu die Organspende. Die gemeinnützige Organisation, die von Betroffenen gegründet wurde, steht unter großherzoglicher Schirmherrschaft und informiert in Schulen, in Firmen, Gemeinden, Jugendhäusern sowie bei Konferenzen und Veranstaltungen über die Organspende. Anfang dieses Jahres wurden an alle Haushalte in Luxemburg Infos samt eines Organspendeausweises verteilt.

Infos

Luxembourg Transplant
www.luxtransplant.lu
E-Mail: luxtransplant@gmail.com
Tel.: 4411 8156 oder 4411 6548
Protransplant
www.protransplant.lu
Tel.: 691 535 353 


LINK Lesen Sie zu diesem Thema auch: Die Geschichte von Jean-Marie Backes

J.C. Kemp
27. März 2022 - 17.14

Ein katholisches Problem: Wer nicht "ganz" begraben wird, kommt nicht in den Himmel.