EZBWährungshüter warnen vor zu steilem Zinserhöhungspfad

EZB / Währungshüter warnen vor zu steilem Zinserhöhungspfad
Die EZB strebt zwei Prozent Inflation für die Wirtschaft im Euro-Raum an. Davon ist sie aber weit entfernt. Foto: AFP

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Zwei Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) haben vor zu kräftigen Zinserhöhungen gewarnt. Aus Sicht von EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta sollte die Notenbank auf ihrem Zinserhöhungskurs angesichts der sich eintrübenden Konjunktur nicht zu aggressiv voranschreiten, wie er am Montag auf einer Finanzkonferenz in Florenz sagte.

Solange die Inflationserwartungen in der Spur bleiben, solle die Geldpolitik adjustieren, aber nicht überreagieren, sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsgremiums der Euro-Notenbank. Sein EZB-Ratskollege, Zyperns Notenbankchef Constantinos Herodotou, argumentierte in einem Zeitungsinterview dafür, dass möglicherweise bald die Zeit reif sei, bei den Zinserhöhungen das Tempo zu verlangsamen.

Angesichts der bestehenden Unsicherheit müsse eine Kalibrierung der Geldpolitik auf wirtschaftlichen Evidenzen fußen und sich auf den mittelfristigen Inflationsausblick konzentrieren, sagte Panetta. „Und nach den Fortschritten, die wir bereits bei der Anpassung unseres geldpolitischen Kurses erzielt haben, ist eine aggressive Straffung nicht ratsam“, führte er aus. Die EZB strebt zwei Prozent Inflation für die Wirtschaft im Euro-Raum an. Davon ist sie aber weit entfernt: Im Oktober lag die Inflation bei 10,7 Prozent – der höchste Wert seit Beginn der Währungsunion. Dagegen stehen die langfristigen Inflationserwartungen am Finanzmarkt, wenn ein zentrales Euro-Inflationsbarometer zugrunde gelegt wird, bei 2,36 Prozent und damit nur leicht über dem EZB-Ziel.

Panetta äußerte sich besorgt, dass ein übermäßig scharfer Zinserhöhungskurs die Konjunktur zu stark bremsen könnte. Diese hat sich infolge der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Energiekrise bereits deutlich abgeschwächt. „Wenn wir die Nachfrage übermäßig und anhaltend drosseln würden, dann würden wir Gefahr laufen, auch die Wirtschaftsleistung dauerhaft unter den Trend zu drücken“, warnte Panetta. Und dies könne durch eine anschließende geldpolitische Lockerung nicht leicht rückgängig gemacht werden. Die Geldpolitik dürfe das Risiko einer zu starken Straffung nicht ignorieren.

Aus Sicht von Zyperns Notenbankchef Herodotou stößt die EZB mit ihren Zinsanhebungen bald in das neutrale Zinsniveau vor, bei dem eine Wirtschaft weder gebremst noch angeheizt wird. Wenn die EZB in die Nähe davon komme, müssten womöglich die Zinserhöhungen angepasst werden, sagte Herodotou. „Um sicherzustellen, dass wir ausreichend Belege aus der Realwirtschaft für die Wirkung der Geldpolitik haben“, sagte er der griechischen Zeitung Naftemporiki.

Volkswirte gehen davon aus, dass das neutrale Zinsniveau beim Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, aktuell zwischen 1,5 und 2,0 Prozent anzusiedeln ist. Die EZB hatte zuletzt im September und im Oktober die Schlüsselzinsen jeweils ungewöhnlich stark um 0,75 Prozentpunkte angehoben. Der Einlagenzins liegt nun bei 1,5 Prozent – am unteren Ende der von den Ökonomen geschätzten neutralen Spanne. Der Leitzins liegt bei 2 Prozent. Die nächste Zinssitzung ist am 15. Dezember. An den Börsen schwankt die Erwartung derzeit zwischen einer Zinsanhebung um 0,50 Prozent und einem dritten Mammut-Zinsschritt von 0,75 Prozent in Folge.

Inflation: Kein rasches Abklingen

Der starke Preisschub im Euro-Raum wird nach Einschätzung von EZB-Vize Luis de Guindos nicht so schnell verschwinden. „Die derzeit hohe Inflation wird voraussichtlich noch längere Zeit über unserem Ziel bleiben“, sagte de Guindos auf der „Euro Finance Week“ in Frankfurt. Die Geldpolitik müsse daher weiterhin darauf abzielen, die Unterstützung der Wirtschaft zu verringern. Wie bisher würden die geldpolitischen Entscheidungen von Sitzung zu Sitzung gefällt und von den Wirtschaftsdaten abhängen. „Wir werden umsichtig vorgehen und unsere Geldpolitik im Einklang mit unserem mittelfristigen Preisstabilitätsziel weiter normalisieren“, sagte der Stellvertreter von EZB-Chefin Christine Lagarde.
Im Oktober war die Inflation auf ein Rekordniveau von 10,7 Prozent gesprungen – die höchste Teuerungsrate seit dem Start der Währungsunion. Damit ist sie inzwischen mehr als fünfmal so hoch wie das von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebte Ziel von zwei Prozent. Trotz des Teuerungsschubs sind die langfristigen Inflationserwartungen de Guindos zufolge immer noch in der Spur. Hereinkommende Daten zur Lohnentwicklung und die jüngsten Lohnabschlüsse legten allerdings nahe, dass die Lohndynamik womöglich anziehe. Dies müsse anhaltend beobachtet werden. (Reuters)

Grober J-P.
15. November 2022 - 10.10

Es kommt mir vor als wüssten sie nicht was sie tun. Vor 3 Jahren war der Negativzins noch Allheilmittel! Noch einmal, kann mir irgendein Währungshüter das erklären?