Einzigartiges Abenteuer„Vun der Dier an d’Mier“: Philippe Braquet paddelt nach Rotterdam

Einzigartiges Abenteuer / „Vun der Dier an d’Mier“: Philippe Braquet paddelt nach Rotterdam
Ein Sightseeing der anderen Art: Vom Rhein hat Philippe Braquet eine gute Sicht auf den Kölner Dom Foto: Philippe Braquet

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Er ist ein Hüne von einem Mann, gut zwei Meter groß, 120 Kilo schwer und seit über zehn Jahren ist der Kajaksport seine große Leidenschaft. Philippe Braquet paddelte bereits Regatta- und Abfahrtsrennen, fährt in ganz Europa schweres Wildwasser, aber in diesem Juni ist alles anders: Von der „Hëttermillen“ paddelt Braquet ganz alleine bis nach Rotterdam.

„Wegen der Pandemie war das Reisen nicht so einfach und ich konnte nicht viel Wildwasser paddeln. Ich durfte aber letztes Jahr helfen, als Paule Kremer durch den Stausee schwamm und bewunderte diese Leistung. Da dachte ich, mit dem Kajak könne man doch auch mal eine größere Distanz zurücklegen“, erklärt der 27-Jährige, wie es allmählich zu seinem Plan kam. Zudem arbeitet sein Bruder in Mertert im Hafen und erzählte ihm beiläufig, dass die Schiffe von dort gar nicht so lange bis nach Rotterdam benötigten. Damit hatte er vor über einem halben Jahr seine Idee: von der „Hëttermillen“, vor seiner Haustür, bis in die Nordsee paddeln.

Bescheiden wie er ist, will er sein Paddel-Abenteuer überhaupt nicht mit ihrer Leistung oder anderen sportlichen Herausforderungen vergleichen. Obwohl er bereits im Winter intensive Trainingswochen einlegte und nach dem Kauf seines Seekajaks „Sîpiy“ am 12. April über 600 Kilometer auf dem Stausee und der Mosel abspulte, meint der Polizist: „Ich hatte mir drei Wochen freigenommen und wollte keinen Rekord fahren, sondern Urlaub machen.“ Für die meisten sieht Urlaub zwar anders aus, als täglich fünf, sechs oder sieben Stunden lang in einem schmalen, wackligen Boot am Paddel zu ziehen. Aber er wollte auch keinen Leistungsdruck, dieses Abenteuer nur für sich angehen. Statt eines öffentlichen Instagram-Accounts gab es nur eine geschlossene WhatsApp-Gruppe für gute Freunde und die Familie, wo er abends eine Zusammenfassung und einige Bilder teilte.

Braquet war begeistert von den schönen Landschaften entlang der Mosel, wie in Cochem (D)
Braquet war begeistert von den schönen Landschaften entlang der Mosel, wie in Cochem (D) Foto: Philippe Braquet

„Ich bin etwas nervös“

Zwar hatte sich Philippe Braquet körperlich gut vorbereitet, die Logistik gewissenhaft geplant und sich bei Paddelkollegen, die beispielsweise den Rekord für die Befahrung des gesamten Rheins halten, informiert. Doch am Vorabend teilte er seinen Unterstützern auch seine Unsicherheit mit: „Ich hoffe, dass alles gut geht und der Körper mitspielt. Ich bin etwas nervös, weil ich eine Reise wie diese noch nie unternommen habe und es viele Unwägbarkeiten gibt, aber ich denke, das macht das Ganze auch interessant.“

Vor drei Wochen spazierte er am Samstagmorgen schließlich mit seinem Boot auf einem Wägelchen die 500 Meter bis zur Mosel und paddelte in Begleitung einiger Kollegen seines Vereins aus Hesperingen los. Um bereits nach wenigen Kilometern in Trier abrupt gestoppt zu werden. Bei der Anfrage zum Schleusen meinte der Schleusenmeister: „Das geht nicht, verschieben Sie Ihre Reise!“

Rhein-Romantik nach einem langen Paddel-Tag
Rhein-Romantik nach einem langen Paddel-Tag Foto: Philippe Braquet

Der Grund: Anfang Juni wurden die Schleusen der Mosel zehn Tage lang gewartet, der gesamte Schiffsverkehr lag brach, doch Philippe Braquet schrieb abends unbeirrt: „Dann werde ich wohl jede Schleuse umtragen müssen. Aber ich habe ja mein Wägelchen und an sich genug Zeit.“ Nach dem zweiten Tag zeigte er sich zwar etwas genervt vom regelmäßigen Umtragen, aber sah auch die Vorteile: „Es ist allerdings ganz angenehm, in der Hauptströmung auf der Mitte der Mosel zu fahren und sich nicht um die dicken Transportschiffe sorgen zu müssen.“

Hinter Traben-Trarbach war am vierten Tag sogar der Wasserstand gut einen Meter tiefer als normal und Philippe Braquet freute sich: „Keine Schiffe, viel Strömung und mit dem steinigen Ufer sieht der Fluss viel natürlicher aus.“ Überhaupt schwärmte der Paddelsportler ständig von dem Moseltal, in dem sich Naturlandschaften, Weinberge und idyllische Dörfer abwechseln. Jedenfalls rät er nach dieser Erfahrung: „Das war wirklich cool, die Moselgegend ist so schön. Ich rate jedem, diese mal gemütlich in einer Gruppe runter zu paddeln (oder mit dem Rad zu fahren), abends auf einen Campingplatz zu gehen und den Tag in einem der unzähligen Bier- oder Weingärten Revue passieren zu lassen.“

Auf dem Speiseplan stand vor allem Fertigpasta aus der Tüte
Auf dem Speiseplan stand vor allem Fertigpasta aus der Tüte Foto: Philippe Braquet

Gemütlich pragmatisch

Zu seinem Plan hatte eigentlich gehört, abends Campingplätze anzusteuern, sich dann Städtchen wie Bernkastel oder Traben-Trarbach in Ruhe anzuschauen und den Tag mit einem deftigen Abendessen auf einer Terrasse ausklingen zu lassen. Doch die deutschen Campingplätze sind derzeit nur für Touristen mit eigenen Sanitäranlagen offen und so musste er sich täglich alternative Zeltplätze suchen.

Eine Winzerin ließ ihn etwa traumhaft an ihren Weinbergen übernachten, doch die Versorgung war damit abends meist praktische Fertigpasta aus der Tüte, da er sein Material nicht unbewacht zurücklassen wollte. „Dann ist es jetzt halt so“, meinte er lakonisch und besserte sich zumindest das morgendliche Müsli mit etwas frischem Obst auf. Am Ende hatte er dennoch nur drei, vier Kilo verloren. „Auf dem Rhein habe ich es mir wieder gut gehen lassen“, verrät er und fährt fort: „Und bei meiner Schwester gut zugelangt, ausgeruht und die Vorräte aufgefüllt.“ Die studiert nämlich in Bonn, wo er nach einer Woche auch seinen einzigen Ruhetag einlegte.

Ab und an musste sich Braquet das Wasser auch mit größeren Gesellen teilen
Ab und an musste sich Braquet das Wasser auch mit größeren Gesellen teilen Foto: Philippe Braquet

Auf dem Rhein konnte er unkompliziert bei Kajakvereinen Station machen, in deren Bootshaus oder davor auf der Wiese schlafen und sich statt in der Mosel zu waschen, endlich richtig duschen. Jedoch waren jetzt viele große und nicht ungefährliche Schiffe unterwegs und spannende Aussichten auf etwa Düsseldorf und Köln wechselten sich mit hässlichen Industrieanlagen oder lärmenden Straßen ab. „Ich hatte sehr viel Glück mit allem“, resümiert Philippe Braquet sein Paddelabenteuer, „vor allem das Wetter war fast die ganze Zeit toll. Nur die beiden letzten Tage wurden hart, da ich nicht damit gerechnet hatte, dass in den kilometerbreiten Mündungsarmen kaum noch Strömung ist. Aber dann ist es auch schon egal, und man beißt sich durch.“

Am Ende packte ihn schließlich doch der sportliche Ehrgeiz, um in genau zwei Wochen, also zwei Tage schneller als geplant, am großen Damm nahe dem niederländischen Stellendam anzukommen und seinen „Sîpiy“ mithilfe des elterlichen Empfangskomitees noch kurz ins Meer zu hieven.

Nach der Ankunft im niederländischen Stellendam wurde „Sîpiy“ noch rasch ins Meer gehievt
Nach der Ankunft im niederländischen Stellendam wurde „Sîpiy“ noch rasch ins Meer gehievt Foto: Philippe Braquet
Bewonnerer
27. Juni 2021 - 9.26

Génial! All Respekt dem couragéierten Mann! Gutt datt him naischt geschitt ass !!!