PetitionDenkanstöße und feine Grenzen: Parlament diskutiert den „Menstruationsurlaub“ 

Petition / Denkanstöße und feine Grenzen: Parlament diskutiert den „Menstruationsurlaub“ 
Starker Auftritt: Miriana Angelillo, Kelly Gomes Carvalho, Petentin Ornella Romito und Danielle Choucroun (v.l.n.r.) nutzten facettenreich die Gelegenheit, ihr Anliegen vor der Chamber zu vertreten Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Demokratie im besten Sinne: Nach anderthalb Jahren hat die Chamber wieder am gewohnten Platz debattiert – und dann auch noch anlässlich einer Petition, deren Urheberinnen zugegen waren. Diese wollten, dass Frauen monatlich zwei Tage „Dispens“ von der Arbeit gewährt werden, um Menstruationsbeschwerden begegnen zu können. Das wird jetzt nicht so kommen – aber das Sprichwort vom steten Tropfen stand auch im Raum. 

Der Text der Petition

„Ziel dieser Petition ist es, den Frauen für mindestens zwei Tage im Monat einen Dispens zu gewähren, um zu Hause bleiben zu können und sich nicht mit Schmerzen zu zwingen oder zu quälen. Es geht nicht darum, sich jeden Monat krankmelden zu müssen und sich deshalb schuldig zu fühlen, ein ärztliches Attest zu bekommen, sondern darum, Frauen entgegenzukommen.“

(übersetzt aus dem Luxemburgischen, fgg)

So viel Harmonie erlebt man eher selten in der Chamber: Dort fand am Mittwochvormittag die vorgesehene Debatte statt zur erfolgreichen Petition, die ein grundsätzliches Recht auf eine Befreiung („Dispens“) am Arbeitsplatz für Frauen einfordert.

So ziemlich alle beteiligten Redner beglückwünschten zunächst die eingeladenen Petitionärinnen zu ihrem Begehren und erklärten, dass dieses einen hohen Gesprächsbedarf aufgezeigt habe. Tatsächlich hatte die Petition mit 4.805 Unterzeichnern die erforderliche Marke von 4.500 weit übertroffen – und in den Medien Widerhall gefunden, auch bei uns.

In Vertretung des verhinderten Kammerpräsidenten empfand Mars Di Bartolomeo es als „starkes Symbol“, dass der Termin die erste eigentliche öffentliche Zusammenkunft am Ort darstellte, seit die Kammer aufgrund der Pandemie ins Stadt-Palais Cercle Cité ausweichen musste.

Auch Nancy Kemp-Arendt (CSV) stellte als Präsidentin der Petitionen-Kommission fest, dass es noch keine Petition gegeben habe, über die im Vorfeld so viel diskutiert und geschrieben und gesendet worden sei wie diese – und übergab das Wort an die Petentin Ornella Romito.

LINK Das Video der Debatte und weitere Materialien finden Sie auf der Seite der Chamber.

Romito stellte fest, dass die Zahl der Unterschriften in der Tat wohl offenbare, dass sie sich nicht als Einzige betroffen fühle: Die Regelblutungen könnten schon „vom Schmerz her sehr schlimm“ sein und umso mehr das Funktionieren auf der Arbeit sehr schwierig machen. Von ihr vorgeschlagene Ideen seien in ähnlicher Form auch umgesetzt oder zumindest ernsthaft diskutiert worden, so etwa in Großbritannien, Italien oder in Asien.

So viel Harmonie ist nicht die Regel: Mars Di Bartolomeo, Nancy Kemp-Arendt, Georges Engel und Dan Kersch (v.r.n.l.) gegenüber den Vertreterinnen der Petition
So viel Harmonie ist nicht die Regel: Mars Di Bartolomeo, Nancy Kemp-Arendt, Georges Engel und Dan Kersch (v.r.n.l.) gegenüber den Vertreterinnen der Petition Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Begleitet wurde die Petentin unter anderem von der Ärztin Danielle Choucroun. Sie erklärte, nicht nur für die anwesenden Männer im Saal, nochmals den Mechanismus des Zyklus einer „Person, die einen Uterus hat“ – und welche Beschwerden auftreten können beim durchschnittlich 500-maligen Auftreten zwischen Pubertät und Menopause. Die Effekte, daran erinnerte Choucroun, setzen schon als „Prämenstruelles Syndrom“ ein und umfassen das ganze Spektrum von eher physiologischen (Krämpfe, Spannungsgefühle) bis zu psychischen Beschwerden (Stimmungsstörungen). Ihnen medikamentös zu begegnen, sei nicht trivial: Gängige Schmerzmittel, die gegen Regelschmerzen eingesetzt würden, schadeten oft dem Magen-Darm-Trakt oder verringerten das Aufmerksamkeitsvermögen.

Eine besonders Betroffene war ebenfalls anwesend – und schilderte kurz die großen Probleme, die sie mit dem Krankheitsbild der „Endometriose“ plagen: Dabei siedelt sich Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter an – und unterliegt auch da dem zyklischen Verhalten dieser Zellen. Krämpfe und Schmerzen können dadurch extrem ausgeprägt sein und prinzipiell überall im Bauchraum auftreten.

„Dispens“ statt Krankschreibung?

Die Abgeordnete Myriam Cecchetti („déi Lénk“) regte an, für das Thema zu sensibilisieren, etwa in Schulen oder bei Arbeitgebern. Hier sah sie das Problem, dass eine Umsetzung der Idee der Petentin ansonsten zu einer Benachteiligung von Frauen bei Arbeitseinstellungen führen könnte.

Demokratie im besten Sinne: Mit der Debatte über ein Bürgerbegehren sind die Abgeordneten an den Krautmarkt zurückgekehrt
Demokratie im besten Sinne: Mit der Debatte über ein Bürgerbegehren sind die Abgeordneten an den Krautmarkt zurückgekehrt Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Carole Hartmann (DP) warf die Frage auf, warum das spezielle Instrument der „Dispens“ geschaffen werden sollte, da doch jeder Arbeitnehmer sich krank (beziehungsweise arbeitsunfähig) melden könne, wenn es ihm nicht gut gehe. Das beantwortete die Petentin damit, dass sie „Dispens“ nur als „globalen Terminus“ benutzt habe, der nicht gleich bedeuten müsse, dass man gar keine Arbeit leiste, sondern etwa auch ersatzweise Heimarbeit. Im Übrigen sehe sie aber die Menstruation nicht als Krankheit, sondern als normale Körperfunktion an, weshalb der Arzt hier nicht zwingend eine Rolle spielen müsse. Hierzu gab es zustimmendes Nicken – ausgerechnet von der Ärztin, der die Petentin gerade eben erst mehrere Minuten das Wort erteilt hatte, um zum Thema zu referieren.

Die CSV-Politikerin Martine Hansen stellte jedenfalls fest, dass vielleicht nicht die Periode selbst, aber doch die dadurch ausgelösten Probleme eine Krankheit darstellten, die eben durch einen Arzt bescheinigt werde. Sie sah außerdem das Problem, dass ein genereller Dispens leicht missbraucht werden könnte. Außerdem sehe auch sie die Gefahr der Benachteiligung von Frauen bei der Einstellung durch potenzielle Arbeitgeber – da diese schließlich mit einer deutlich reduzierten Produktivität der weiblichen Angestellten rechnen müssten. 

„Ein paar schwarze Schafe“

Die Vertreterinnen der Petition erklärten es als nicht praktikabel, alle paar Wochen, eventuell sogar mit akuten Beschwerden, einen Arzt aufsuchen zu müssen. Die Gefahr, dass sinnvoll Regelungen missbraucht würden, sei natürlich immer vorhanden – es gebe aber keinen Grund, wegen „einiger schwarzer Schafe“ gleich alle Betroffenen zu bestrafen.

Erstaunen löste bei so manchem Abgeordneten sicherlich die Erkenntnis aus, dass eine Endometriose tatsächlich in Luxemburg nicht als eigenständige Krankheit anerkannt ist. Nancy Kemp-Arendt konnte aber ergänzend erklären, dass dazu eine „einfache Petition“ eingegangen ist, die genau das fordert.

Die Frage, ob die angedachte Regelung nicht sogar für mehr Diskriminierung sorgen könnte, wurde gleich mehrfach aufgeworfen. Der „Pirat“ Marc Goergen wunderte sich kurz, ob nur die Menstruationsprobleme von Frauen oder nicht auch die von „Transgendern“ und „nicht-binären Personen“ adressiert werden sollten (im Wortlaut der Petition ist lediglich von „Frauen“ die Rede). Die Petentin Romito entgegnete darauf, dass die Eingabe „natürlich für alle Leute, die einen Uterus haben, gedacht“ gewesen sei – auch, wenn Frauen am ehesten hier betroffen seien.

Die feine Grenze zur Diskriminierung

Vor allem aber wurde von mehreren Abgeordneten die Tatsache bemerkt, dass die einseitige Möglichkeit für einen „Menstruationsurlaub“ wohl ein neues Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern schaffen würde, das wiederum höchst problematisch sei. Eine Sichtweise, die die Petentin nicht nachvollziehen wollte: Eine „Person, die keinen Uterus hat“, könne nun mal nicht für einen Menstruationsurlaub infrage kommen – genauso wenig, wie ein Nicht-Mandatsträger congé politique beantragen könne. 

Als sich die Debatte im Parlament ihrem Ende zuneigte, zeigte sich Mars Di Bartolomeo nochmals jovial-optimistisch, dass egal, was aktuell herauskommen würde, ein wichtiges Thema zumindest einmal in das Bewusstsein der Menschen und in die Debatte gebracht worden sei. Der stete Tropfen höhle den Stein, erinnerte er: „Und hier sind Tropfen auf den Stein gekommen!“

Per Präsentation wurden die Abgeordneten an die vielen Facetten der Menstruationsbeschwerden erinnert
Per Präsentation wurden die Abgeordneten an die vielen Facetten der Menstruationsbeschwerden erinnert Foto: Screenshot chd.lu

Arbeitsminister Dan Kersch (LSAP) stimmte seinem Vorredner zudem darin zu, dass vom Thema viele Disziplinen betroffen seien – sodass er sich ein wenig fragte, warum eigentlich er als Arbeitsminister als dafür zuständig erkannt worden sei. Schließlich berühre das Thema doch auch die Kompetenzen vieler anderer Ministerien, etwa des Sozialen, der Familien, der Bildung. „Ich kann aber gut damit leben“, stellte er sofort klar, sprach den engagierten Bürgerinnen abermals Glückwünsche für ihren erfolgreichen Denkanstoß aus – und wog nochmals einige der genannten Punkte ab.

„Man kann über vieles reden“

Generell sei für ihn die Verbesserung der Arbeitsumstände ein wichtiges Thema. Er erinnerte aber auch daran, dass seit 2016 ein wichtiges Gesetz gelte, das Unterschiede beim Gehalt aufgrund des Geschlechts unter Strafe stellt. „Das heißt aber nicht, dass es in der konkreten Praxis keine Unterschiede geben kann.“ Die Wahrung der Chancengleichheit müsse jedoch in alle Richtungen gewahrt bleiben.

Er beklagte aber auch eine gewisse Unschärfe in der Formulierung der Petition und der Diskussion im Parlament: „Für mich ist extrem wichtig, dass wir wissen, worüber wir reden“, stellte Kersch klar. Auch eingangs erwähnte Beispiele für international etablierte Menstruationsurlaube seien mit Vorsicht zu genießen: So gebe es in Großbritannien eine einzelne Firma, die so etwas anbiete, aber keinen gesetzlichen Anspruch. Aus asiatischen Ländern wisse man, dass viele Frauen in der Praxis auf einen Anspruch lieber verzichteten, um ihre Anstellung nicht zu gefährden.

In Luxemburg sei man mit der Möglichkeit, sich bis zu drei Tage ohne Attest arbeitsunfähig zu erklären, doch in einer sehr komfortablen Position. Dass Arbeitgeber, um mutmaßlichem Missbrauch begegnen zu können, allerdings auch von Tag eins an ein Attest verlangen können, sei für ihn, realistischerweise, nicht anzutasten. Er sei aber ohnehin sicher, dass es in Luxemburg viele Ärzte gebe, denen die mögliche Schwere von Menstruationsbeschwerden völlig klar sei und die bei Bedarf auch entsprechende Atteste schreiben würden. Jedenfalls: „Alle Zusatzurlaube, die im Koalitionsvertrag stehen, sind realisiert.“ Man könne aber natürlich weiter über vieles sprechen: „Wenn wir neue Regeln brauchen für die Spezialfälle, die hier diskutiert wurden, und die auch keine Einzelfälle sind, dann müssen wir uns da zusammensetzen.“ Doch der pauschalen Forderung aus der Petition, wonach jeder Frau mit einer Periode monatlich zwei Tage Dispens zugestanden werden sollten, könne die Regierung nicht folgen.

Petentin Romito zeigte sich im Schlusswort trotzdem dankbar für die Gelegenheit zur Debatte – und äußerte die Hoffnung, dass diese außerhalb der Chamber noch weitergeht.

Sepp
8. Oktober 2021 - 17.17

Wenn Frauen die Libido eines Mannes hätten, würden sie nackt durch die Fussgängerzone spazieren gehn. Wenn Frauen keinen Mann finden, wird das Kind im Reagenzglas produziert. Wenn Frauen das Sagen hätten, würde es keine Männer mehr geben.

CESHA
7. Oktober 2021 - 15.46

Wenn Männer menstruieren würde, gäbe es schon seit Jahrzehnten eine Woche Urlaub pro Monat

Migraineux e. a. Malades chroniques
7. Oktober 2021 - 14.21

J' ai des migraines terribles, je veux aussi 2j × 12 de congé d'office, les cardiaques aussi, les rhumatismaux aussi, les déprimés aussi, les drogués aussi... ?

Ménopausée
7. Oktober 2021 - 14.09

Fir hir menopause wellen se dann 5 joer congé ! ?

Sepp
7. Oktober 2021 - 13.01

"Frage an die Männer. Lasst euch mal was einfallen." Hab ich schon geschrieben, wird aber nicht veröffentlicht. Frauen kriegen statut handicapé, genau wie Leute mit schweren Erkrankungen. Oder Frauen kriegen 2 Tage Urlaub im Monat und Männer 2 Tage mehr Gehalt. Oder Männer kriegen 5 Jahre Ausgleich in der Rente weil sie im Durchschnitt 5 Jahre früher sterben. Männer müssten aufgrund ihres angeborenen Revierverhaltens (Y-Chromosom) auch immer ein Grundstück kaufen können das sie für sich beanspruchen können. Kann das Tageblatt mir jetzt sagen was daran so schlimm ist?

HTK
7. Oktober 2021 - 9.34

Endlich berühmt. Wie gesagt diese Petitionsfarce gehört in den Eimer.Dafür haben wir ja Abgeordnete und die Presse,sonst können die ja zuhause bleiben. Aber als Idee der partizipativen Demokratie war die Petition ja gut,allerdings müssen die Belange auch stichhaltig sein.Nach dem Kampf für Gleichberechtigung(der anscheinend noch immer nicht zu Ende ist),ist den Damen jetzt die Menstruation eingefallen obwohl es die gibt seit es Damen gibt.Da muss doch was zu holen sein!? Was kommt als Nächstes fragt man sich!? Frage an die Männer.Lasst euch mal was einfallen.

Grober J-P.
6. Oktober 2021 - 22.18

Wie ist es eigentlich wenn man Migraine hat und dazu auch noch keine klaren Gedanken fassen kann? Bei Migraine ist mir immer kotzübel, dann ab in die abgedunkelte Kammer. Wie sagte mein Chef immer, lass dich krank schreiben.

Gräta
6. Oktober 2021 - 22.03

Und wann kommt der "Dicker Kopf-Montag" für die Männer ???