LuxemburgVon wegen schnelle Lösungen: Windkraft-Anlagen werden nur schleppend realisiert

Luxemburg / Von wegen schnelle Lösungen: Windkraft-Anlagen werden nur schleppend realisiert
Das Land braucht schnell weitere Windkraftanlagen, sagt Umweltminister Claude Turmes – der Bau aber zögert sich hinaus Foto: Soler

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Das Wort „Energie“ ist heute mehr denn je in aller Munde. Spätestens seit Putins Krieg in der Ukraine ruft nicht nur der grüne Energieminister Claude Turmes nach schnellen Lösungen, sondern Politiker aller Couleur. Aber wie steht es derzeit eigentlich konkret in Sachen Windkraftanlagen? Eine kleine Bestandsaufnahme.

Es soll, nein, es muss jetzt alles schnell gehen. Ölheizungen sind bei Neubauten demnächst tabu, die noch vor wenigen Jahren von vielen Seiten gepriesene Erdgasheizung wird nun auch verschmäht. Stattdessen rührt Energieminister Claude Turmes („déi gréng“) jetzt die Werbetrommel für Luftwärmepumpen. Der Strom dafür und für den Rest des Hauses soll von Solaranlagen und Windrädern kommen.

Apropos Windkraftanlagen: 56 Windräder drehen heute in Luxemburg, davon alleine 37 im Kanton Clerf. Zum insgesamt verbrauchten Strom trug die Windkraft vergangenes Jahr trotzdem nur 4,3 Prozent bei. Das Land braucht demnach schnell weitere Windkraftanlagen, so die Meinung des Energieministers. Doch das ist schneller gesagt als getan. Beispiele gefällig?

Der Fall Bürden

„Es wird das bisher größte Windrad Luxemburgs“, hieß es auf der Informationsversammlung vom 9. Juli 2020 von einem Verantwortlichen der Firma Soler, einem Joint Venture der Gesellschaften Enovos und SEO, zum geplanten Bau einer Windkraftanlage (WKA) in Bürden. Es werde zudem eine Anlage, die verhältnismäßig nah an Wohnhäusern stehen werde, und zwar in einer Entfernung von 750 Metern. Da dies ein Projekt der Gesellschaft Nordenergie (Gemeinden Diekirch und Ettelbrück, in Zusammenarbeit mit Soler) ist, soll diese Anlage auf einem Terrain der Ettelbrücker Gemeinde errichtet werden, das aber nur 330 Meter von der Grenze zu Bürden und damit zur Gemeinde Erpeldingen/Sauer liegt.

An diesem Projekt wird bereits seit 2015 geplant, die Gemeindeväter aus Erpeldingen/Sauer seien aber erst 2018 in Kenntnis gesetzt worden, ohne Einzelheiten zu erfahren, so einst Bürgermeister Claude Gleis. Zudem wurden die Einwohner Bürdens erst am 9. Juli 2020 auf der oben erwähnten Infoversammlung ins Bild gesetzt beziehungsweise vor vollendete Tatsachen gestellt – denn drei Tage zuvor hatte bereits die Kommodo-Prozedur für dieses Projekt begonnen.

Die Reklamanten, vor allem, aber nicht nur Einwohner aus Bürden und dem benachbarten Warken, das zur Gemeinde Ettelbrück zählt, sparten nicht mit Kritik, was die Vorgehensweise von Ettelbrück und Diekirch anbelangte. Das Projekt werde über ihre Köpfe hinweg geplant. Auf keinen Fall wolle man diese 230 Meter hohe Windkraftanlage, die so nahe an Wohnhäusern errichtet werden soll, einfach so hinnehmen, lautete der Tenor vor zwei Jahren. Die unter dem Motto „Energie mat Verstand“ gegründete Vereinigung beschäftigt sich seitdem sehr konkret mit den Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Gesundheit der Menschen und legte zudem Berufung gegen die Kommodo-Genehmigung ein.

Der Gemeinderat aus Erpeldingen/Sauer stellte sich auf die Seite der betroffenen Bürger und bot einen alternativen Standort auf gemeindeeigenem Gebiet, genauer gesagt auf Fridhaff an. Nach anfänglichem Zögern entschlossen sich die Auftraggeber dieser Windkraftanlage vergangenes Jahr dann dazu, den alternativen Standort einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. „Diese Studien dauern einfach viel zu lang“, so Paul Zeimet, CEO der Firma Soler. „Heute liegen in diesem Fall noch immer keine Abschlussresultate vor. Erste Teilresultate stimmen uns aber positiv, doch die Endergebnisse werden wohl noch einige Wochen auf sich warten lassen“, so Zeimet am Mittwoch gegenüber dem Tageblatt.

Sollte sich der alternative Standort durchsetzen, könnte das Projekt in Bürden eventuell gestorben sein. Da Fridhaff auf dem Gebiet der Gemeinde Erpeldingen/Sauer liegt, aber diese nicht Mitglied der Gesellschaft Nordenergie ist, läge der Ball dann wieder bei der lokalen Politik. Was wäre denn passiert, wenn die Bauträger von Anfang an die Bürger mit in den Planungen einbezogen hätten?

„Wir stehen Gewehr bei Fuß“, so Yves Wallers, Sprecher der Vereinigung „Energie mat Verstand“, und selbst ein betroffener Einwohner aus Bürden. „Zurzeit warten wir auf eine Unterredung mit den Gemeindeverantwortlichen aus Ettelbrück und Diekirch, die, so wurde uns versprochen, in den kommenden Wochen stattfinden soll.“

Der Fall Karelshaff

Vor vier Jahren ging auch bereits die Rede von einer geplanten Windkraftanlage am Rande eines Waldstücks nahe Karelshaff, das noch auf dem Gebiet der Gemeinde Ettelbrück liegt. Der Bauträger ist dort ebenfalls die Gesellschaft Nordenergie. Mit dem Projekt in Bürden sollte die WKA auf Karelshaff das zweite Standbein für die Firma werden.

Im März 2019 hieß es noch aus dem Umweltministerium, dass das Errichten der Anlage auf Karelshaff immer unwahrscheinlicher werde. Der Grund: die hohe Anzahl von Problemen, die sich im Laufe der Umweltverträglichkeitsprüfung zu diesem Standort ergeben hätten.

Vergangene Woche war aber nun von der Firma Soler zu hören, dass man noch immer optimistisch sei, was das Projekt auf Karelshaff anbelangt. „Doch auch hier ist die Umweltverträglichkeitsstudie leider noch immer nicht abgeschlossen“, so Soler-CEO Paul Zeimet. „In der Gegend des geplanten Standortes soll – ich betone, soll – der Rotmilan gesichtet worden sein, aber Genaueres werden wir auch hier erst in einigen Wochen erfahren.“

Das Kommodo-Verfahren ist in diesem Fall ohne größere Probleme verlaufen, doch damit sind längst nicht alle Hürden geschafft, denn es braucht neben dieser „Betriebsgenehmigung für klassifizierte Einrichtungen“ eine Naturschutzgenehmigung, in vielen Fällen eine verkehrs- und wegerechtliche Genehmigung, eine Genehmigung für eine eventuelle Rodung oder auch Baulandgewinnung, eine Umweltverträglichkeitsprüfung, eine Baugenehmigung der betroffenen kommunalen Behörden, sprich der zuständigen Bürgermeister oder Bürgermeisterinnen usw. Und gegen jede dieser Genehmigungen können Bürger Rekurs einlegen, sofern dazu ein Interesse im juristischen Sinne, z.B. Lärmbelästigung, vorliegt.

Der Fall Schieren

Bleiben wir noch kurz in der „Nordstad“: Auch in der kleineren Nachbargemeinde Ettelbrücks, nämlich in Schieren, plant die Firma Soler in Zusammenarbeit mit der Gemeindeführung eine 230 Meter hohe WKA neuester Generation. Diese Anlage soll am Ort „Pieteschland“, einer Anhöhe zwischen Schieren und Schrondweiler, errichtet werden. „Bei diesem Projekt haben wir bisher keinen Gegenwind aus der Bevölkerung bekommen. Es gab eine Infoversammlung, die sehr positiv verlief. Demnächst können wir die Genehmigungsprozedur anlaufen lassen“, so Paul Zeimet auf Nachfrage hin.

Zu erwähnen bleibt, dass in diesem Fall die Bürger sofort informiert und gehört wurden, und nicht, wie im Fall Bürden, erst nach dem Einreichen des Eintrags für eine Kommodo-Genehmigung.

Bei allem Optimismus sind sich die Bauherren und Partner aber bewusst, dass in den hier erwähnten Fällen, nicht zuletzt wegen der langwierigen Genehmigungsprozeduren, wenn überhaupt wohl nicht vor 2024/25 mit dem Bau der Windkraftanlagen begonnen werden kann.

So weit zum Thema schnelle Lösungen.

Grober J-P.
28. September 2022 - 9.27

"Energieminister Claude Turmes („déi gréng“) jetzt die Werbetrommel für Luftwärmepumpen." Und was geschieht, nix! Warte seit Tagen, Wochen, Monaten auf ein einziges Angebot (nach 12 Anfragen) für eine Solche. Werden wahrscheinlich in der Ostukraine gefertigt.

tanner
25. September 2022 - 23.20

Wenn Häuser stören, wegbaggern. Für die Kohle tut man das seit Dekaden.

Claude Ingenius
24. September 2022 - 19.06

Nebenbei bemerkt, die Grünen besetzen seit jetzt 9 Jahren die entsprechenden Ministerien. Es kamen nur weitere Hindernisse und Gesetze dazu, anstatt die erneuerbaren Energien zu fördern. Wo soll der Strom herkommen, für die vielen neuen Wärmepumpen und Elektroautos. Dazu braucht es Speicher für Windkraft und Solar welche kurzfristig nicht verfügbar sind.

jo
24. September 2022 - 18.41

Eben lese ich , daß der Schweitzer Bundesrat empfiehlt, Heizungen mit gemischtem Betrieb von Gas auf Oel umzustellen. Das macht echt Mut für Klimamaßnahmen.