Teillockdown in Belgien / Von einem blauen Auge bis zu katastrophalen Ausmaßen – Tourismus leidet in Westflandern
Seit geraumer Zeit ist Belgien im Teillockdown. Viele Geschäfte, Restaurants und sogenannte Kontaktberufe mussten ihre Tätigkeiten erneut einstellen. Besonders hart trifft es Eigenständige. Die Tourismusbranche an der belgischen Küste konnte sich kaum erholen, derweil in Brügge das Tourismuswesen nahezu zerstört ist. Das Tageblatt unterhielt sich mit mehreren Betroffenen.
In einem von Touristen viel besuchten Restaurant in Brügge nahe dem Gruuthuse-Museum ist die Situation katastrophal, wie uns der Betreiber, stellvertretend für die anderen Restaurants und Hotels, mitteilt.
Die Stadt Brügge lebt vorwiegend vom internationalen Tourismus aus Asien und Amerika sowie Europa. Viele Touristen reisen gewöhnlich über den Hafen von Zeebrugge mit Kreuzfahrtschiffen an. Dieses Jahr blieben diese Reisen aus. Die Besucheranzahl ist 2020 um über 80 Prozent rückgängig, fast 90% der Hotels in Brügge blieben geschlossen. Dies bestätigte uns auch ein Taxifahrer, der ebenfalls drastische Einbußen verzeichnete.
Das besagte Restaurant (der Betreiber möchte den Namen nicht nennen), bot nur noch einen Mittagslunch an, sowie am Nachmittag Tea-Room. Die Terrassen blieben im Sommer fast leer. Ein Hotel, das sich ebenfalls in der Hand des Familienunternehmens befindet, bleibt bis Weihnachten geschlossen. Und die Hoffnungen, an Weihnachten etwas Umsatz zu haben, sind sehr gering.
„Es bleibt uns nichts anderes übrig, als auf den Beginn der kommenden Saison, also Ostern 2021, zu warten“, so der Besitzer. „Der zweite Lockdown richtet in unserem Unternehmen nicht allzu viel Schaden an, es ist sowieso Low-Season, so der Betreiber.“ Das Restaurant versuche, niemanden zu entlassen. „Wir sind ein menschliches Unternehmen und können seit langen Jahren auf eine treue Belegschaft zählen. Die wollen wir nicht verlieren.“ Der Betreiber befürchtet aber, dass viele seiner Freunde und Mitstreiter den zweiten Lockdown finanziell nicht überleben.
Aus politischer Sicht wird durch diese Krise aber ein Fakt sehr deutlich: Brügges Wirtschaft lebt nur vom Tourismus. Es gibt kaum Arbeitsplätze in anderen Branchen in der Umgebung. Und auch der Hafen in Zeebrugge ist im Vergleich zu Antwerpen oder Rotterdam sehr klein mit wenigen Arbeitsplätzen. Die politischen Entscheidungsträger täten gut daran, dies zu ändern, so unser Gesprächspartner.
Vier Fragen an: Caroline Dierickx, Geschäftsführerin der Brasserie „Le Phare“ in Knokke
Die Brasserie „Le Phare“ in Knokke, eines der Lokale, die gerne von luxemburgischer Kundschaft aufgesucht werden, kann auf eine außergewöhnliche und unvergessliche Saison zurückblicken, so die Geschäftsführerin Caroline Dierickx.
Tageblatt: Wie verlief die Saison nach dem Ende des ersten Lockdowns?
Caroline Dierickx: Anfangs lief es sehr gut, glückliche Gäste, viel Andrang und im Juli eine hervorragende Wetterlage. Vorwiegend reisten zig Landeseinwohner an die belgische Küste. Es war mitunter der umsatzreichste Monat Juli seit unserem Bestehen. Im August kam dann ein erneuter Schock. Eine Hitzewelle und Ausschreitungen in Blankenberge, Ostende und Knokke. Bürgermeister Lippens schloss nach den Ausschreitungen die Tagestouristen für fast eine Woche aus. Niemand kam mehr nach Knokke, nicht mal am 15. August, und die Wirtschaft litt erneut unter den Maßnahmen.
Im September erlebten wir einen Aufschwung. Viele belgische Einwohner kehrten zurück an die Küste und verbrachten bei Sonnenschein ein paar Tage am Strand und in den Einkaufsmeilen. Wirtschaftlich kamen wir mit einem blauen Auge davon. Der neue Lockdown macht wieder alles zunichte.
Halten Sie die Maßnahme, das Horeca-Gewerbe zu schließen, für gerechtfertigt?
Ja und nein. Wir Restaurantbetreiber haben ein umfangreiches Sicherheitspaket aufgebaut. Ausreichende Abstände, Abschirmungen zwischen den Tischen, obligate Maskenpflicht, Hygienekonzepte, Erfassen der Besucherdaten. Vergleicht man ein Restaurant mit dem öffentlichen Nahverkehr, wird schnell ersichtlich, dass die Ansteckungsketten nicht in unserer Branche zu finden sind. Einem Restaurantbesuch steht aus pandemischen Gründen nichts entgegen. Für Gaststätten sehe ich das anders.
Aus welchem Grund?
In Cafés wird häufig Alkohol konsumiert, die Hemmschwelle sinkt und die Cafébesucher halten sich nicht mehr unbedingt alle an die Hygiene- und Abstandsregeln. Die Regierung hätte diesen „Lockdown Light“ viel differenzierter gestalten müssen. Mittlerweile, und das beobachtet man häufig im Ausland, entstehen viele Infektions-Hotspots bei privat organisierten Festen und Partys, nicht im Horeca-Sektor.
Haben Sie als Traditionsunternehmen hohe Einbußen?
Ich schätze, unser Umsatz ging um rund 30 Prozent zurück. Die Einnahmen von Ostern fehlen, das ist eine sehr wichtige Periode in unserer Branche. Im Juli erholten wir uns leicht, im August gab’s dann wieder erhebliche Einbußen. Wir werden sehr wohl von staatlicher Seite unterstützt, aber ungerecht. Jedes Lokal wird in gleicher Höhe entschädigt. Für eine Zwei-Mann-Pizzeria ist das eine hohe Summe. Für ein Unternehmen wie unseres mit einer Belegschaft von 40 Personen reicht das hinten und vorne nicht. Mit dem neuen Lockdown beabsichtigt die Regierung, 10 Prozent vom Vorjahresumsatz auszuzahlen. Aber wir können uns nicht beklagen. In Antwerpen oder Brügge gibt es Umsatzeinbrüche von über 80 Prozent. Viele Restaurants mussten bereits Insolvenz anmelden.
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