ParlamentVerjährungsfrist bei Sexualtat gegen Kinder soll verlängert werden

Parlament / Verjährungsfrist bei Sexualtat gegen Kinder soll verlängert werden
Nancy Kemp-Arendt hatte die Debatte angeregt Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das Parlament hat sich gestern ausführlich mit der Problematik des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und Erwachsenen befasst. Die CSV-Abgeordnete Nancy Kemp-Arendt hatte die Debatte angeregt. Sexueller Missbrauch sei im Sport doppelt so hoch anzutreffen wie in der Kirche, sagte sie und beklagte das weitgehende Schweigen in der Gesellschaft dazu. Die Abgeordnete, die sich ausführlich mit der Problematik Prostitution befasste, sprach sich im Namen ihrer Partei für die Einführung des nordischen Modells aus, bei dem die Freier strafrechtlich belangt werden. 

Eine konkrete Aussage fiel am Ende der mehr als dreistündigen Debatte. Die Verjährungsfrist für Taten sexueller Gewalt gegen Kinder wird verlängert. Mit ihrer entsprechenden Forderung rannte Nancy Kemp-Arendt offene Türen ein. Derzeit kann eine Tat strafrechtlich verfolgt werden, wenn das Opfer bis zu seinem 28. Lebensjahr (zehn Jahre nach Erreichen der Volljährigkeit) Anzeige erstattet. Der CSV zufolge sollte die Verjährungsfrist auf 30 Jahre verlängert werden. Die DP-Vertreterin Carole Hartmann schlug sogar deren vollständige Aufhebung vor. Einer Reform wollte sich auch LSAP-Sprecher Dan Biancalana nicht verschließen, während Chantal Gary („déi gréng“) informierte, dass Justizministerin Sam Tanson bereits an einer Reform arbeite. Was diese denn auch bestätigte. Es solle zu einer wesentlichen Verlängerung der Frist, wenn nicht gar zur Aufhebung jeglicher Begrenzung kommen, so die Justizministerin. Allein ADR-Sprecher Fernand Kartheiser zeigte sich skeptisch. Es sei bekannt, dass mit zunehmender Zeit die Qualität der Beweise für eine Straftat abnehme, was das Nachweisen einer Schuld erschwere. Dem hielt Tanson jedoch entgegen, dass es für ein Opfer essenziell sei, zu wissen, dass man das Recht auf eine Klage habe.

Nancy Kemp-Arendt hatte ihre stellenweise emotional vorgetragene Rede mit einer nüchternen Feststellung eröffnet. Laut internationalen Angaben werde täglich jedes fünfte Kind Opfer von sexualisierter Gewalt. Aber niemand werde hellhörig, niemand protestiere mit großen Plakaten auf der Straße. Dabei sei sexueller Missbrauch ein Verbrechen, das das Opfer niemals vergessen könne. Sexualgewalt könne jeden treffen unabhängig vom sozioökonomischen Milieu. Und es geschehe meist dort, wo man es am wenigsten erwarte: in der Familie, in der Nachbarschaft, im Verein. 90 Prozent der Opfer seien von Tätern missbraucht worden, die sie gut kennen. Missbraucht werde jedes fünfte Mädchen. Dabei sei die Dunkelziffer in diesem Bereich sehr hoch. Laut Nancy Kemp-Arendt habe man es in acht von zehn Fällen mit einem männlichen Täter zu tun.

Unzureichende Datenlage

Alle Redner bedauerten die mangelhafte Datenlage. Als eine Erklärung nannte Kemp-Arendt, dass die wenigsten Opfer Anzeige erstatten würden. Der Großteil würde diesen Schritt nicht wagen, sei es aus Scham oder weil die Opfer die ihnen nahestehende Täterperson nicht denunzieren wollten. Daher müsse man von einer großen Dunkelziffer ausgehen. Eine CSV-Motion, eine nationale Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt einzurichten, die sämtliche Informationen sammeln und aufarbeiten würde, wurde an den Ressortausschuss des Parlaments verwiesen.

Kemp-Arendt zufolge sei in der Vergangenheit viel über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche geredet worden. Das sei eine Katastrophe, aber die Kirche habe sich der Öffentlichkeit gestellt und sich bei den Opfern entschuldigt. Doch wie stehe es mit anderen Bereichen? Im Sport seien doppelt so viele Missbrauchsfälle als in der Kirche verzeichnet worden, so die Abgeordnete, die sich dabei auf ausländische Erfahrungen berief. 

Man sollte die Augen offen halten und nicht wegschauen. Sie wolle den Sport nicht stigmatisieren, aber auch Luxemburg sei keine Insel. Dennoch sollten die Eltern sich nicht scheuen, ihre Kinder im Sportverein anzumelden.

Kemp-Arendt forderte ein härteres Strafmaß für die Täter. Die aktuellen Urteile schreckten nicht ab. Auf sexualisierte Werbung und Fernsehaufnahmen, „bei denen man von unten gefilmt wird“, sollte man verzichten. Die Medien sollten von sexualisierter Werbung mit Frauen und Mädchen absehen. Die Sportverbände sollten auf knappe Bekleidung für Athletinnen verzichten.

Prävention und Sensibilisierung

Gegen eine Verschärfung des Strafmaßes sprach sich Carole Hartmann aus. Die Strafen erhöhen, um potenzielle Täter abzuschrecken, könne nicht die einzige Lösung sein. Auch Täterarbeit sei wichtig. Der Täter müsse therapeutisch behandelt werden, um die Rückfallquote zu reduzieren, betonte auch Dan Biancalana. Dem sozialistischen Abgeordneten zufolge sei der Rechtsrahmen zur Bekämpfung sexueller Gewalt gut. Luxemburg gehe gegen jede Form von sexuellen Übergriffen sowohl gegen Kinder als gegen Erwachsene vor. Dies sei ein Signal an die Opfer, dass sie nicht allein sind und Hilfe erwarten könnten. Aber der rechtliche Rahmen reiche nicht. Um Gewalt zu verhindern, seien Prävention und Sensibilisierung notwendig. 

Prävention und Sensibilisierung sind nach Ansicht aller Abgeordneten auch bei der Bekämpfung von Cybergrooming oder Sexting notwendig. Insbesondere die Mehrheitsdeputierten verwiesen dabei auf bereits bestehende Initiativen.

Kemp-Arendts zweiter Themenblock galt der Prostitution. Dies sei eine Form von sexuellem Missbrauch, betonte sie. Die meisten Prostituierten seien selbst Opfer sexueller Gewalt gewesen. Die Länder, die Prostitution ab 18 Jahre zuließen, würden auch jene von Minderjährigen fördern. Diese Länder, unter andrem Deutschland, seien zu Drehscheiben für Menschenhandel und für Missbrauch von Minderjährigen geworden. Die Prostitution verglich Kemp-Arendt mit einer „bezahlten Vergewaltigung“. Die dabei empfundene Erniedrigung und Entwürdigung sei oftmals nur durch Drogengebrauch zu ertragen. Der CSV-Sprecherin zufolge sollte Luxemburg auf das nordische Modell umschwenken. Das erstmals 1999 in Schweden beschlossene Modell sieht eine Bestrafung allein der Freier vor. 

Konkret sollten sich die anderen Fraktionsvertreter dazu nicht äußern. Laut Chantal Gary verdiene das Thema eine gesonderte Debatte. Hartmann erinnerte an die verschiedenen Anlaufstellen für Prostituierte.  Justizministerin Tanson zufolge werde das bestehende Gesetz von 2018 derzeit überprüft. In Luxemburg ist Prostitution nicht verboten. Strafbar macht sich der Kunde bei Minderjährigen und bei vulnerablen Personen, so etwa psychisch kranken Menschen oder solchen ohne gültigen Ausweispapiere. Verboten ist jede Form von Zuhälterei.

Als weitere Gesetzesänderungen kündigte Tanson eine Verschärfung des Strafgesetzbuches bei Inzest und bei sogenannten „hate crimes“ an, also Mord einer Person aufgrund ihres Geschlechtes oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe. Tanson hatte zuvor den Vorwurf von Nathalie Oberweis („déi Lénk“) zurückgewiesen, die Regierung widme dem Feminizid ungenügende Aufmerksamkeit. 

Der Zoll will es wissen

Seit 2010 müssen Personen, die mit 10.000 und mehr Euro in bar aus Luxemburg in ein anderes EU-Land reisen oder die EU verlassen, zuvor eine Ausfuhrerklärung beim Zoll einreichen. Dasselbe gilt, wenn sie mit besagtem Barbetrag in die EU bzw. nach Luxemburg kommen. Das am Mittwoch im Parlament verabschiedete Gesetz erweitert diese Erklärungspflicht auf jede andere Art von Barschaft, sei es in Form von Edelmetallen und Prepaid-Karten, die nicht an ein Bankkonto gebunden sind. Das einstimmig angenommene Gesetz soll der besseren Bekämpfung von Geldwäsche dienen. (lmo)

Mensch
1. Juli 2021 - 16.15

@ HTK : 100 % richtig !

Nomi
1. Juli 2021 - 15.07

Mir huet dem Kartheiser seng Argumentatio'un gutt gefall !

HTK
1. Juli 2021 - 14.03

Es dürfte überhaupt keine Verjährungsfristen geben. Straftat ist Straftat,auch wenn man sich einige Jahre verstecken kann.