Verbitterung im Wartesaal: EU sperrt sich gegen Nordmazedonien und Albanien

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Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Belgrad/Skopje

Enttäuscht und ernüchtert reagieren die EU-Anwärter auf dem Westbalkan auf das rote Licht aus Brüssel zur Aufnahme neuer Beitrittsverhandlungen. Neuwahlen, das Erstarken nationalistischer Kräfte und ein größerer Einfluss von Russland, China und der Türkei zeichnen sich ab.

Seiner Verbitterung über das rote Licht aus Brüssel lässt Nordmazedoniens Premier Zoran Zaev freien Lauf. Er sei „wütend und enttäuscht“, bekannte der Sozialdemokrat am Wochenende in einer Fernsehansprache nach dem erneuten Aufschub der Entscheidung über die EU-Beitrittsverhandlungen. „Wir hatten unsere Verpflichtungen erfüllt, aber sind zum Opfer eines historischen Fehlers geworden. Dies ist ein schlechter und ungerechter Ansatz der EU.“ Gleichzeitig kündigte er vorgezogene Neuwahlen an: „Die Bürger müssen nun entscheiden, welchen Weg wir in der Zukunft gehen – den europäischen Weg der Reformen oder den Weg, der uns zurück in die Isolation, den Nationalismus und die Konflikte führt.“ Auf Drängen der EU im Namensstreit mit Griechenland selbst das eigene Land umbenannt, aber den zugesagten Lohn aller Versöhnungsmühen nicht erhalten.

Ernüchtert reagiert im EU-Wartesaal nicht nur Nordmazedonien auf den Aufschub der Beitrittsverhandlungen trotz der Erfüllung aller Bedingungen. Der Glaubwürdigkeitsverlust der EU auf dem Westbalkan dürfte mit einem weiteren Erstarken nationalistischer Kräfte, neuen Spannungen und einen größeren Einfluss der EU-Konkurrenz Russland, China und der Türkei einhergehen.

Nicht die politischen Eliten, sondern die Bürger würden von der EU „bestraft“, so der mazedonische Analyst Ljupco Cvetkovski: „Dadurch geht die letzte Hoffnung verloren, dass sich im Land langfristig etwas zum Positiven ändern wird.“

Den Lohn nicht erhalten

Und nicht nur in Nordmazedonien wittert die Opposition nach dem Brüsseler Wortbruch wieder Oberwasser. Albaniens Premier Edi Rama hatte in einer ersten Reaktion zwar beteuert, dass sich der Adria-Staat seinen „europäischen Traum“ nicht nehmen lasse. Doch Arben Kashahu, der außenpolitische Sprecher der oppositionellen DP, macht nicht zuletzt den Regierungschef für den Fehlschlag in Brüssel verantwortlich: „Wenn Albanien der EU beitreten will, muss das ohne Rama geschehen. Er muss abtreten – zum Wohl des Landes.“ In Albanien und in Kosovo werden mit schwindenden EU-Perspektiven die großalbanischen Kräfte erstarken.

In dem vom EU-Zug ohnehin stets weiter abgehängten Bosnien und Herzegowina dürften sich die sezessionistischen Zentrifugalkräfte verstärken: Vor allem die Führung des Teilstaats der Republika Srpska pflegt schon seit Jahren mit dem Anschluss an das serbische Mutterland zu liebäugeln – und zu drohen.

EU-Anwärter Serbien wiederum kann sich durch Brüssels kräftigen Tritt auf die Erweiterungsbremse in seinem Schlingerkurs zwischen Ost und West bestärkt fühlen. Russlands Premier Dimitri Medwedew kündigte am Wochenende in Belgrad die Unterzeichnung des von den EU-Partnern misstrauisch beäugten Freihandelsabkommens zwischen Serbien und der Euroasiatischen Wirtschaftsunion für den 25. Oktober in Moskau an.