Ungewöhnlicher Prozess Untersuchungsrichter fühlt sich von Anwalt unter Druck gesetzt

Ungewöhnlicher Prozess  / Untersuchungsrichter fühlt sich von Anwalt unter Druck gesetzt
Hat ein Anwalt versucht, einen Untersuchungsrichter einzuschüchtern und unter Druck zu setzen? Mit dieser Frage muss sich das Bezirksgericht diese Woche beschäftigen. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Ein gewöhnlicher Prozess ist es nicht. Einem Anwalt wird vorgeworfen, Druck auf einen Untersuchungsrichter ausgeübt zu haben. Dieser fühlt sich eingeschüchtert. Hintergrund ist ein tödlicher Arbeitsunfall bei ArcelorMittal. Der Anwalt will den Betrieb vor Schaden bewahren, der Untersuchungsrichter leitet die Ermittlung. Vordergründig scheinen beide damals im Mai 2019 nur ihre Arbeit gemacht zu haben. 

Ein Hauch von Déjà-vu liegt in der Luft. Es ist Dienstagmorgen im großen Saal des Bezirksgerichts Luxemburg. Anwalt André Lutgen wird beschuldigt, Untersuchungsrichter Felipe Rodriguez eingeschüchtert und beleidigend behandelt zu haben. Es geht um einen Arbeitsunfall mit Todesfolge im Mai 2019 bei ArcelorMittal. Me Lutgen vertritt die Interessen des Stahlbetriebs, Herr Rodriguez ist als Untersuchungsrichter mit der Ermittlung beauftragt. Vordergründig kommen beide damals nur ihrer Arbeit nach.

Ja, es ist ein Déjà-vu, denn mit dem Fall hat sich das Gericht in der Tat bereits im Juni dieses Jahres befasst. Der Prozess konnte aber nicht abgeschlossen werden, da Felipe Rodriguez damals kein Vertrauen mehr in den leitenden Richter hatte und ein Ablehnungsgesuch wegen Voreingenommenheit einreichte.

Das führt letztendlich dazu, dass der Prozess nun im November wieder komplett von vorne beginnen muss – mit anderen Richtern versteht sich. Geändert aber hat sich nichts – außer dem Ton. Es ist die Art und Weise des neuen Richters, die den Diskussionen eine andere Wendung gibt. Einen Antrag auf Befangenheit wird Herr Rodriguez diesmal kaum noch einmal stellen.

Mail an Minister

Zu klären bleibt vor Gericht nun die Frage, ob die Mittel, welche Me Lutgen einsetzte, um seinen Mandanten vor einem sehr teuren Produktionsausfall bestmöglich zu bewahren, nicht doch den Untersuchungsrichter unverhältnismäßig unter Druck setzte.

Anwalt Lutgen hatte im Mai 2019 darauf gedrängt, dass eine vom Untersuchungsrichter gesperrte Stromleitung möglichst schnell wieder ans Netz sollte. Weil es ihm offensichtlich nicht schnell genug ging, hat er irgendwann auch eine Mail an die damaligen Minister Braz (Justiz) und Schneider (Wirtschaft) geschickt, mit Kopie an Generalstaatsanwältin Martine Solovieff. Letztere hat daraufhin versucht, sich beim Untersuchungsrichter über das Dossier zu informieren.

Felipe Rodriguez fühlt sich besonders durch die Mail an die Minister in die Ecke gedrängt. Vor allem, weil Me Lutgen in dem Schreiben mehrere „incidents“ erwähnt, die er mit ihm als Untersuchungsrichter gehabt habe. Lobeshymnen waren das nicht, wie man den Ausführungen von Me Lutgen am Dienstag entnehmen konnte. In dem Kontext sollte man als Außenstehender wissen, dass es das Justizministerium ist, das Untersuchungsrichter ernennt und ihr Mandat verlängert. So gesehen könnte man Me Lutgens Mail an den Justizminister durchaus als Einschüchterung verstehen, wie auch die Verteidigung von Felipe Rodriguez hervorhob.

Warum er so in Eile gewesen sei – die Aufhebung der Versiegelung der Stromleitung sei doch eigentlich in Rekordgeschwindigkeit genehmigt worden –, möchte der Vorsitzende Richter von Me Lutgen wissen. Es sei um viel Geld gegangen und jede Stunde habe gezählt, gibt der Anwalt sinngemäß zu verstehen. Er habe aber auch alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, weil er den Eindruck gehabt habe, dass der Untersuchungsrichter ihn willentlich nicht über die Entwicklung im Dossier informieren würde. So sei es dann ja auch gekommen.

Überraschte Verteidigung

Er, André Lutgen, habe Druck machen wollen, damit die Sache schnell zu einem Ergebnis komme. Außerdem habe er damals ob der ausbleibenden Benachrichtigung des Untersuchungsrichters ja auch nicht wissen können, wie lange die Sperrung der Stromleitung noch andauere.

Die Verteidigung von Me Lutgen zeigte sich am Dienstag überrascht – im Besonderen, weil Felipe Rodriguez nicht als Zeuge gehört werden konnte, da er sich zu Prozessbeginn durch seinen Anwalt zum Nebenkläger erklären ließ –, zum anderen über den allgemeinen Verlauf der Sitzung.

Der Prozess wird heute Nachmittag mit den Plädoyers der Verteidigung fortgesetzt

 

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