Großregion Umstrittene Gigafabrik: Chinesischer Hersteller von Batterien will sich im Saarland ansiedeln 

Großregion  / Umstrittene Gigafabrik: Chinesischer Hersteller von Batterien will sich im Saarland ansiedeln 
Hier soll die Produktionsstätte für die Batterien von Svolt Energy Technology Europe hin. Der Mutterkonzern hat seinen Sitz in China. Sie sollen in Elektrofahrzeugen eingesetzt werden. Foto: Wiebke Trapp

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Die Nachricht schlug im November 2020 wie eine Bombe im Corona-geplagten Saarland ein. Seitdem reißen die Diskussionen um die Ansiedelung des chinesischen Batterieherstellers Svolt mit zwei Standorten nicht ab. Es geht um Batterien für Elektrofahrzeuge. An einem der Standorte regt sich Widerstand. Eine Bürgerinitiative meldet Kritik an.

In diesem Teil des Saarlandes, am Rand des Warndtwaldes, ist das Leben gemütlich. Friedrichweiler hat nur rund 1.000 Einwohner. Es herrscht kaum Durchgangsverkehr, obwohl die Grenze zu Frankreich nur zehn Fahrminuten entfernt ist. Der Ort glänzt bisher mit bevorzugter Wohnlage. Noch.

Sollten die Pläne der Landesregierung verwirklicht werden, und danach sieht es aus, dann bekommt der kleine Ort eine Chemiefabrik direkt vor die Tür. Zwei Milliarden Euro Investitionen, 2.000 Arbeitsplätze, das sind die Stichdaten. Hört sich gut an für die strukturschwache Region, und doch regt sich Widerstand.

„Die Fabrik wird 150 Meter von dem ersten Haus entfernt stehen“, sagt Günter Pochmann (61). Der Universitätsprofessor für Betriebswirtschaft lebt seit 20 Jahren in Friedrichweiler. Er ist zusammen mit Peter Lorson (44) Sprecher der Bürgerinitiative, der mittlerweile 40 Mitglieder angehören.

Lorson ist in Friedrichweiler aufgewachsen und arbeitet als Messtechniker in der Automobilindustrie. Das Feld, wo die Fabrik stehen soll, ist laut Bürgerinitiative momentan Ackerfläche. Ein Ortsbesuch ergibt: Das viele unbebaute Grün eröffnet den benachbarten Hausbesitzern einen begehrten Weitblick. Bislang ist das Gelände nach Angaben der Bürgerinitiative ein Landschafts- und Wasserschutzgebiet.

Bis zu 500.000 Batterien, 840.000 Quadratmeter 

Wenn die Fabrik, für deren Bau 840.000 Quadratmeter vorgesehen sind, kommt, ist es das nicht mehr. „Das ist chemische Industrie, klare Sache“, sagt Pochmann. Es handelt sich um den Bau von Lithium-Ionen-Batterien, die in Friedrichweiler im Drei-Schicht-Betrieb, also rund um die Uhr, hergestellt werden sollen. Am zweiten Standort, Heusweiler, soll eine Modul- und Pack-Fabrik entstehen.

Die Svolt Energy Technology Europe ist eine Ausgründung des chinesischen Automobilbauers Great Wall. Dessen Angebot reicht von Kleinwagen über SUVs und Limousinen bis zu Pick-ups und Geländewagen. Auf der Internationalen Automobilausstellung 2019 in Frankfurt hatte Svolt angekündigt, auf dem europäischen Markt Fuß fassen zu wollen. Das berichtet das Branchenmagazin Automobil Produktion am 15.7.2019.

Der erste Abnehmer der Batterien soll Great Wall mit Sitz in Baoding (China) sein, wie Automobil Produktion weiter berichtet. Aber es seien nach Firmenangaben auch Kooperationen mit europäischen Autoherstellern geplant, heißt es dort weiter. Die Svolt Energy Technology (Europe) GmbH hat ihren Sitz in Dietzenbach bei Frankfurt und wurde am 31. März 2020 mit einem Eigenkapital von 25.000 Euro gegründet. So steht es im Handelsregister.

Bis zu 500.000 Batterieeinheiten sind als Produktionskapazität auf dem 840.000 Quadratmeter großen Gelände bei Friedrichweiler geplant. „Es wird Emissionen und Umweltrisiken geben“, sagt Günter Pochmann. In der Lage gibt es meistens Westwinde, die eventuelle Emissionen Richtung Dorf blasen. Deshalb fordert die Bürgerinitiative Transparenz darüber, was die Umweltstandards der geplanten Produktion angeht.

An Transparenz zur Ansiedlung mangelt es insgesamt in den Augen der Bürgerinitiative. Bauherr ist die landeseigene Strukturholding Saar GmbH (SHS). Zu deren Geschäftsmodell gehört es, Gelände für eine wirtschaftliche Nutzung zu erschließen und zu bebauen, um sie anschließend zu vermieten oder zu verkaufen.

Baukosten stehen noch nicht fest

Das sagt Ludwin Vogel (63), Pressesprecher der SHS, und bestätigt das Wirtschaftsministerium in der Aussage, Svolt binde sich langfristig an den Standort. Deren Produktion baut die SHS schlüsselfertig und „steht kurz vor dem Abschluss“ beim Kauf der Gelände, heißt es auf Anfrage des Tageblatt aus dem Wirtschaftsministerium in Saarbrücken. Nach Angaben der Bürgerinitiative gibt es nur einen Besitzer des Geländes.

Das ist die Familie von Boch, Mitinhaber des börsennotierten Keramikherstellers Villeroy und Boch und Betreiber des benachbarten Vier-Sterne-Romantik-Hotels Linslerhof. Dort steigen viele Geschäftsreisende ab, wie aus der Webseite hervorgeht.

Zu den Baukosten heißt es von Bauherr SHS, dass darüber noch keine genauen Aussagen gemacht werden können. Der Grund: Die Genehmigungsverfahren zur Umwidmung der landwirtschaftlichen Fläche zum Industriegebiet laufen gerade. Der Ball liegt bei der Gemeinde Überherrn, zu der das Gelände gehört und die sich, wenn die Produktion anläuft, über Einnahmen aus der Gewerbesteuer freuen kann.

Um genug Platz für die Svolt-Produktion zu haben, müssen neben den normalen Erschließungskosten auch zwei Straßen verlegt werden, die L279 und die L168. Laut Pressesprecher Vogel fangen detaillierte Planungen erst an, wenn Genehmigungen, Umweltstudien usw. durch sind. Angesichts des für die Produktion verkündeten Starts, Ende 2023, wundert das.

Es gibt Förderungen für die angekündigten zwei Milliarden Euro, die die europäische Tochter von Svolt im Saarland investieren will. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums haben sich Bundes- und Landesregierung bereit erklärt, „die Ansiedlung von Svolt als strukturpolitisches Projekt von landesweiter Bedeutung durch GRW-Fördermittel zu unterstützen“.

Nur 150 Meter vom ersten Haus entfernt

Das betrifft zehn Prozent der „förderfähigen Investitionskosten“. Zur genauen Höhe will sich das Wirtschaftsministerium in Saarbrücken genau wie die SHS nicht äußern. Auch dort verweist der Pressesprecher auf den frühen Planungsstand. Dennoch bleibt die Nähe zum Wohngebiet neben anderen offenen Fragen der größte Streitpunkt.

„Beim Gewerbegebiet Lisdorfer Berg, vier Kilometer von uns entfernt, wurde ein Abstand von 1,5 Kilometern zum nächsten Wohngebiet eingehalten“, sagt Lorson. „Warum sollen die Friedrichweiler Einwohner sich mit 150 Metern zufriedengeben?“ Zur Lebensqualität des Dorfes gehört die Werbung, „Tor“ zum Naherholungsgebiet Warndt mit seinen 5.000 Hektar Waldgebiet zu sein.

Nach Angaben der Bürgerinitiative ist der Warndtwald ein Natura-2000- und ein Vogelschutzgebiet. „Jetzt werden wir Vorhof zu einer Chemiefabrik“, sagt Pochmann. Klingt bitter und wirft die Frage auf, ob es nicht eine andere Alternative gegeben hätte – in Zeiten des Klimawandels.

Sven Schirra
25. Februar 2021 - 1.11

Guten Tag sehr geehrte Damen und Herren vom Tageblatt, leider haben Sie in Ihrem Artikel nicht ganz richtig dargestellt, dass sich nicht nur die Einwohner des 1000 Personenörtchen Friedrichweiler über unsere überhast über die Köpfe der Bürger hinweghandelnde Landesregierung aufregen, sondern auch die Orte, welche auch direkt davon betroffen sind. Wie zum Beispiel Differten, Wadgassen und Überherrn. Es wir immer in den Medien so dargestellt, als handele es sich um eine Brachfläche. Dem ist auf keine Fall so. Anderorts im Saarland werden einheimische Unternehmen als unter anderem auch von der Landesregierung Umweltsau dargestellt, wenn sie auf ihrem eigenen Gelände ein kleines Stück Land mit Gestrüpp roden und dafür ein anderes Grundstück erwerben und dort einen neuen Wald anpflanzen. Während in diesem Fall der rote Teppich für eine dubiose chinesische Firma ausgerollt wird. Da wird auf alle geltende Gesetze gepfiffen. Da fragt sich doch ein Mancher, aus welchem Beweggrund die verantwortlichen Politiker so handeln? Denn ungenutzte Industrieflächen haben wir im Saarland, ja und auch im Kreis Saarlouis, mehr als genug. Auch halte ich es für äußerst bedenklich, das die ganze Vorfinanzierung von der Landesregierung sprich der Saarland Holding getragen wird. Das heißt dann von uns Steuerzahlern. Man hört nur immer "bis zu zwei Milliarden Euro" an Investitionen...und das von einer Firma die laut ihrer eigenen Internetseite letztes Jahr einen Jahresumsatz von 200 Millionen hatte. Naja. Am Ende wird nur Raubbau an der Natur betrieben, die Wohnqualität sinkt in dieser Region und zurück bleibt ein Berg Schulden.