KriegUkraine evakuiert im Osten – Russland rückt vor

Krieg / Ukraine evakuiert im Osten – Russland rückt vor
Einwohner von Slowjansk warten auf den Bus, der sie in Sicherheit bringen soll Foto: AFP/Miguel Medina

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Die Stadt Slowjansk befindet sich ukrainischen Angaben zufolge in Reichweite russischer Mehrfachraketenwerfer. Da bleibe nur eine Wahl, sagt der Gouverneur der Region: „Mein wichtigster Ratschlag ist die Evakuierung.“

Angesichts massiver russischer Angriffe auf die Stadt Slowjansk in der Ostukraine haben die örtlichen Behörden die Zivilbevölkerung zur Flucht aufgerufen. „Seit Beginn der Kämpfe sind 17 Einwohner gestorben, 67 wurden verletzt“, sagte Bürgermeister Wadym Liach am Mittwoch. „Die Evakuierung ist im Gang.“ Seinen Angaben zufolge befinden sich noch rund 23.000 der ursprünglich 100.000 Einwohner in der Stadt.

„Mein wichtigster Ratschlag ist die Evakuierung“, sagte auch der Gouverneur der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko. „In dieser Woche gab es keinen Tag ohne Beschuss.“ Die Stadt befinde sich nun in Reichweite russischer Mehrfachraketenwerfer. „Der Feind beschießt die Stadt chaotisch, die Angriffe zielen darauf ab, die örtliche Bevölkerung zu vernichten.“

AFP-Journalisten in Slowjansk sahen, wie Raketen auf dem Marktplatz und in den umliegenden Straßen einschlugen und wie Feuerwehrleute versuchten, die dadurch ausgelösten Brände zu löschen. Der Teil des Marktes, der nicht beschädigt wurde, war weiter in Betrieb. Die Kunden kamen am Mittwoch erneut, um Obst und Gemüse zu kaufen.

Sie wolle noch ihre Restbestände verkaufen und dann zu Hause bleiben, sagte die 72-jährige Gemüseverkäuferin Galyna Wasyliiwna. Fliehen wolle sie aber nicht. „Wir haben einen Keller, dort werden wir uns verstecken. Was sollen wir sonst tun? Wir können nirgendwo hin.“ Seine Familie sei am Mittwoch evakuiert worden, nachdem am Dienstag das Stadtzentrum getroffen wurde, sagte Witaly, ein Klempner aus Slowjansk. „Ich habe keine andere Wahl: Morgen werde ich zur Armee gehen.“

Slowjansk steht bereits seit Tagen unter Raketenbeschuss. Nach der Einnahme der nahegelegenen Stadt Lyssytschansk in der Region Luhansk rücken die russischen Truppen bei ihrem Vormarsch im Donbass nun auf Slowjansk und Kramatorsk in der Region Donezk vor. Es sind die beiden größten Städte in der Region, die noch unter ukrainischer Kontrolle stehen.

Moskau auf dem Weg zur Kriegswirtschaft

In Russland wurden derweil die Gesetze verschärft. Dort droht künftig jedem eine lange Gefängnisstrafe, der öffentlich zu gegen die Sicherheit des Landes gerichteten Taten aufruft. Das russische Unterhaus, die Duma, stimmte am Mittwoch für ein Gesetz, das für diesen Fall bis zu sieben Jahre Haft vorsieht. Jeder öffentliche Aufruf zu Handlungen, die sich gegen die Sicherheit Russlands richten, soll demnach künftig geahndet werden.

Das russische Parlament ebnete ebenso den Weg für den Umbau einer auf den Krieg ausgerichteten Wirtschaft. Das Unterhaus billigte dazu am Dienstag in erster Lesung zwei Gesetzentwürfe. Einer der Gesetzesentwürfe sieht vor, dass der Staat während der Militäroperationen „besondere wirtschaftliche Maßnahmen“ ergreifen kann. Mit ihnen könnten die Unternehmen dazu verpflichtet werden, auf Geheiß der Regierung Waren und Dienstleistungen an das Militär zu liefern. In einer dem Gesetzentwurf beigefügten Erläuterung heißt es, das Militär benötige neue Materialien und Waffenreparaturen, um seinen Ukraine-Feldzug fortzusetzen.

Ein zweiter Entwurf sieht eine Änderung des Arbeitsgesetzes vor. Der Regierung würde damit das Recht eingeräumt, die Arbeitszeiten zu regeln und die Ruhetage in bestimmten Unternehmen festzulegen. Beschäftigte, die Güter für das Militär herstellen, könnten dann dazu gezwungen werden, nachts, an Wochenenden und Feiertagen sowie ohne Jahresurlaub zu arbeiten. Beide Gesetzentwürfe wurden von der russischen Regierung in die Staatsduma eingebracht. Sie müssen noch die zweite und dritte Lesung durchlaufen, vom Oberhaus geprüft und von Präsident Wladimir Putin unterzeichnet werden.