Ukraine / Überfälliger Besuch: EU-Schwergewichte sichern Selenskyj Unterstützung zu
Es war eine Last-Minute-Reise der besonderen Art: Ein Besuch von Frankreichs Präsident Emmanuel und dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew war schon lange erwartet und von vielen als überfällig betrachtet worden. Nun sahen beide mit eigenen Augen zerbombte Wohnhäuser, zerschossene Autos und die Spuren der Zerstörung.
Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj konnten sie – am Vortag der Stellungnahme der EU-Kommission zum Beitrittswunsch der Ukraine – lange und dringend erwartete Zusagen machen: Ja, die Schwergewichte der EU unterstützen den „sofortigen Kandidatenstatus“ für die Ukraine, auch wenn dies „ein langer Weg“ werden wird. Und ja, es wird weitere Waffenlieferungen geben, und zwar so lange die Ukraine dies benötigt.
Der ukrainische Präsident, der wie üblich im kakifarbenen T-Shirt neben den Anzugträgern vor die Kameras trat, zeigte sich erleichtert, dass die Europäer ihm diese Unterstützung zusicherten.
Es war die erste nahe Begegnung mit den Folgen des Krieges für die Besucher. Beim Besuch von Irpin, der stark beschädigten Vorstadt von Kiew, legte Olaf Scholz lange seine Hand auf den Kotflügel eines Autowracks. Ein ukrainischer Regierungsvertreter erklärte, dass in dem Auto eine Mutter mit ihren Kindern getötet worden war. „Wir verstehen nicht, warum“, sagte der Ukrainer. Scholz wirkte wie versteinert, eine an ihn gerichtete Journalistenfrage schien er nicht mal zu hören.
Europa steht an eurer Seite und wird dort bleiben, so lange es nötig ist. Bis zum Sieg.Präsident Frankreichs
Mit einem Sonder-Nachtzug im Stil des Orient-Express waren sie aus Polen angereist, aus einem ungenannten Ort nahe der Grenze. Begleitet wurden sie vom italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi, in Kiew stieß der rumänische Präsident Klaus Iohannis zu ihnen. Es sollte ein starkes Symbol sein: Drei Vertreter der EU-Gründerstaaten plus ein Vertreter der jüngeren und östlichen EU-Mitglieder. Das schien auch deswegen nötig, weil vor ihnen schon scharenweise Politiker nach Kiew gereist waren.
Aus Russland kam Hohn und Spott für die Solidaritäts-Aktion. Ex-Präsident Dmitri Medwedew machte sich in einem auf Englisch verfassten Tweet über den Besuch der „europäischen Fans von Fröschen, Leberwurst und Spaghetti“ lustig, die der Ukraine „alte Haubitzen“ andrehen wollten.
„Macht Europa, keinen Krieg“
Aus ukrainischer Sicht war der Besuch von Scholz und Macron längst überfällig. Beide Politiker waren dort zuletzt im Ansehen gesunken, Scholz wegen verzögerter Waffenlieferungen und Macron wegen missverständlicher Äußerungen, dass „Demütigungen“ Russlands vermieden werden müssten. Macron hat mehr Zeit als jeder andere europäische Politiker mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Telefon verbracht, seit Dezember hatte er fast zwei Dutzend Mal Kontakt zu ihm – ohne jeden Erfolg.
Der Kanzler und der Präsident versuchten beide auf ihre Art, der Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen. Scholz betonte, Deutschland habe „mit einer langen Staatstradition gebrochen“, um Waffen liefern zu können. Macron bekräftigte seinerseits, der Krieg müsse mit dem Sieg der Ukraine enden. „Europa steht an eurer Seite und wird dort bleiben, so lange es nötig ist. Bis zum Sieg“, sagte er. Auch Scholz wurde bei diesem Thema deutlicher als bisher: Es sei nicht akzeptabel, wenn Russland einen „Diktatfrieden“ durchsetze oder Bedingungen stelle, welche die Ukraine nicht akzeptieren könne.
Für Macron war es die letzte Gelegenheit, in die Ukraine zu reisen, bevor sein Land den EU-Ratsvorsitz am 1. Juli abgibt. Auf einer Hauswand in Irpin bemerkte er ein Graffiti, das die mythische Figur der Europa auf dem Stier zeigte. Darüber stand ein abgewandelter Pazifisten-Slogan: „Macht Europa, keinen Krieg“ – dies sei die „richtige Botschaft“, sagte der Präsident. Scholz hatte zuvor mehrfach betont, er wolle keinesfalls „nur für einen Fototermin“ nach Kiew reisen. Fototermine gab es bei dem Besuch am Ende eine ganze Menge – aber auch einige neue Zusagen. (AFP)
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