LuxemburgTrotz Tücken: Mit dem Fahrrad durch den Alltag

Luxemburg / Trotz Tücken: Mit dem Fahrrad durch den Alltag
Auch wenn der neue Radweg an manchen Stellen seine Tücken hat, freut sich Daniel Erpelding darüber, dass bei der Planung der Tram an eine Strecke für Fahrradfahrer gedacht wurde Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Ob Drahtesel, die in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mitgenommen werden können, oder Fahrradwege, die die Geduld der Nutzer auf die Probe stellen – es gibt einige Probleme, mit denen Radfahrer im Alltag zu kämpfen haben. Der leidenschaftliche Radfahrer und Administrator von „Critical Mass“ Daniel Erpelding kennt diese nur allzu gut und setzt trotzdem aus gutem Grund bei der Fortbewegung weiter auf das Rad.

Ein Mann muss mit seinem Drahtesel einen am Bahnhof stehenden Zug verlassen, andere Fahrgäste – ohne Rad – dürfen nach ihm noch einsteigen. Diese auf Video festgehaltene Episode vom Merscher Hauptbahnhof löste vergangene Woche in den sozialen Netzwerken viel Empörung aus. Und bot einen Blick auf Probleme von Menschen, die das Rad für alltägliche Wege nutzen. So wie der gebürtige Küntziger Daniel Erpelding, der als Teil der internationalen Bewegung „Critical Mass“ auf das Fahrrad als Fortbewegungsmittel aufmerksam macht.

Ein eigenes Auto besitzt der Luxemburger seit mehr als 16 Jahren nicht mehr; er teilt sich einen Wagen mit seiner Frau. Als der heute 54-Jährige vor vielen Jahren über Rückenschmerzen klagte, gab sein Arzt ihm den Tipp, für mehr Bewegung in seinem Alltag zu sorgen. Seither setzt Daniel Erpelding tagtäglich auf eine Kombination aus öffentlichem Transport und Fahrrad, um zu seiner Arbeit in Strassen zu kommen. Und das, obwohl er seit 2007 in Deutschland lebt. Von Igel aus geht es für ihn jeden Tag zuerst mit dem Bus nach Luxemburg-Stadt zur „Luxexpo“ auf Kirchberg. Oft hat der großgewachsene Mann ein rotes Klapprad dabei, das bisher noch niemanden gestört hat. „Das Faltrad ist für den Transport in einer tragbaren Schutzhülle verstaut, es ist dann so, als hätte ich einen Koffer dabei“, erklärt Daniel Erpelding, für den die kostenlose Nutzung des öffentlichen Transports im Großherzogtum äußerst praktisch ist.

Kopfschütteln über Planung

Auch sein schwarzes Trekking-Bike nimmt Daniel Erpelding oft im Zug oder Bus mit. „Ich habe bisher noch nie erlebt, dass das im Zug ein Problem ist.“ In Luxemburg-Stadt wurde Erpelding allerdings schon einmal von einem Busfahrer gebeten, den Bus mit seinem Rad zu verlassen oder dieses im Gepäckraum zu verstauen – zur Sicherheit der anderen Fahrgäste. Das allerdings wollte der 54-Jährige nicht, da er damit bereits schlechte Erfahrungen gemacht hat. Schrammen vom Transport und eine verbogene Leuchte an dem etwa 1.300 Euro teuren Trekking-Bike zeugen heute noch davon.

Deshalb ist das Klapprad eine praktische Lösung, die Erpelding oft für den Weg zur Arbeit in Strassen nutzt. Über den neuen Radweg geht es von Kirchberg dann in Richtung place de l’Etoile, wo er sich – wie viele andere Radfahrer auch – oft ärgert. Denn kurz vor Erreichen der „Stäreplaz“ müssen Radfahrer innerhalb kurzer Zeit auf einer Strecke von rund 250 Metern auf der Radspur in der rue Jean-Pierre Probst zweimal über die Tramschienen. Vom Glacis her kommend, hört der Radweg auf der linken Seite nämlich einfach auf, geht auf der rechten weiter, nur um nach wenigen Metern wieder auf die linke Seite zu wechseln. „Das ist zwar nicht gefährlich, aber nervig. Dabei ist der Radweg ganz neu. Er wurde einfach schlecht geplant“, stellt Daniel Erpelding kopfschüttelnd vor Ort fest.

In der hauptstädtischen rue Jean-Pierre Probst müssen Radfahrer über die Tramschienen, um dann nach wenigen Sekunden erneut die Seite zu wechseln
In der hauptstädtischen rue Jean-Pierre Probst müssen Radfahrer über die Tramschienen, um dann nach wenigen Sekunden erneut die Seite zu wechseln Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Der passionierte Radfahrer freut sich allerdings darüber, dass bei der Planung der Tram an einen fast durchgehenden, parallel zu den Schienen verlaufenden Radweg gedacht wurde. Denn: „Lange wurden immer nur Probleme aus dem Weg geräumt, die Autofahrer störten. Die Infrastruktur für Radfahrer war bis in die 90er Jahre sehr schlecht.“

Inzwischen sehe die Situation schon viel besser aus als noch vor zehn Jahren, sagt der 54-Jährige, und hofft, dass es so weitergeht. Das Verkehrsministerium hat jedenfalls angekündigt, in den kommenden Jahren landesweit rund 600 Kilometer neue Radwege schaffen zu wollen. Es soll keine Straßeninfrastruktur mehr geplant werden, ohne dabei an das Fahrrad zu denken, heißt es vom Ministerium auf Nachfrage hin. 

Langes Warten

Für Daniel Erpelding geht es auf seinem alltäglichen Weg zur Arbeit nach der „Stäreplaz“ durch das Val Sainte-Croix in Richtung Merl und dann nach Strassen. Auf diesem Weg erlebt er täglich zahlreiche Problemsituationen, wie er berichtet. U.a. Verkehrsampeln, die nicht umschalten, da die Kontaktschleife einen Radfahrer nicht erkennt. Radler müssen dann warten, bis sich ein größeres Fahrzeug nähert. „Wenn ich zu lange an einer Ampel warte, wird mein Körper nach dem Gestrampel ganz kalt“, sagt Erpelding. Das sei etwas anderes, als wenn man in einer beheizten Fahrerkabine sitze, ergänzt er. 

Wenn Radfahrer lange warten müssen, kühlt der warmgestrampelte Körper schnell aus – anders als im Innenraum eines beheizten Fahrzeugs
Wenn Radfahrer lange warten müssen, kühlt der warmgestrampelte Körper schnell aus – anders als im Innenraum eines beheizten Fahrzeugs Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Ein weiteres Problem sind laut Daniel Erpelding Autofahrer, die in engen und stark befahrenen Straßen hektisch die Tür öffnen und dabei schnell mal einen Radfahrer übersehen. Aus Angst davor hält er mindestens einen Meter Abstand zu parkenden Fahrzeugen. „Wenn man sagt, die Menschen sollen einfach besser aufpassen, macht man es sich schon leicht. Wege müssen so geplant sein, dass Gefahren vermieden werden. Der Hauptfehler ist, dass diese Straßen überhaupt so konzipiert sind“, sagt der Arbeitsinspektor, der im Berufsalltag die Sicherheit an Arbeitsplätzen kontrolliert. Lebensgefährlich wird es für ihn immer dann, wenn andere Verkehrsteilnehmer ihn zu schnell und ohne genügend Abstand überholen. 

Sicher und trocken

Auf der Arbeit in Strassen angekommen, stellt Daniel Erpelding das Rad dann in der Garage des Betriebes ab. Nicht überall aber hat der Beamte die Möglichkeit, sein Velo sicher und trocken unterzustellen. „Auf Cloche d’Or wurde ein neues Shoppingzentrum mit genügend Parkplätzen für Autos gebaut. Für Räder gibt es allerdings nur Ständer draußen vor der Tür.“ Da in Luxemburg allerdings oft Drahtesel geklaut werden, wünscht sich der 54-Jährige mehr sichere und überwachte Abstellplätze.

So nutzt Daniel Erpelding gerne die verschließbaren „mBoxen“. Allerdings hat er bei diesen hin und wieder das Problem, dass sie sich wegen technischer Pannen nicht öffnen lassen. Fünf Mal war das bei ihm 2020 der Fall, in diesem Jahr bislang zweimal. Erpelding musste dann auf andere Boxen ausweichen, dafür aber wieder einen zeit- und energieaufwendigen Umweg in Kauf nehmen. Gerade abends sei das ärgerlich. 

Für den gesamten Weg von Igel bis nach Strassen braucht Daniel Erpelding normalerweise rund anderthalb Stunden. Mit dem Auto wäre er eine halbe Stunde schneller. „Deshalb brauche ich nach der Arbeit aber nicht mehr in ein Fitnessstudio zu gehen“, stellt er lachend fest. Der eigenen Gesundheit, aber auch der Umwelt zuliebe, wird er trotz Tücken des Alltags auch in Zukunft das Fahrrad zur Fortbewegung nutzen.

Drei Fragen an Monique Goldschmit von ProVelo

Tageblatt: Gibt es öfter solche Situation wie am Merscher Hauptbahnhof, wo ein Radfahrer mit seinem Drahtesel aus dem Zug aussteigen musste? 

Monique Goldschmit setzt sich als Präsidentin der Vereinigung „ProVelo“ für die Sicherheit von Radfahrern ein 
Monique Goldschmit setzt sich als Präsidentin der Vereinigung „ProVelo“ für die Sicherheit von Radfahrern ein  Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Monique Goldschmit: Solche Situationen kenne ich aus Zügen eigentlich nicht – da ist das prinzipiell gut geregelt. In Bussen allerdings musste auch ich schon mit meinem Rad aussteigen, weil dann ein Kinderwagen hinzukam. Diese, aber auch Rollstuhlfahrer, haben laut Gesetz Priorität. 

Was müsste sich ändern? 

Der Raum müsste größer sein, damit alle Nutzer Platz haben. Wenn ich mit meinem Rad in den Bus steige, kann ich eigentlich nie sicher sein, dass ich tatsächlich mitfahren kann. Auch wenn ich früher im Bus war. Das ist nicht ideal.

Was hindert Menschen daran, im Alltag auf das Fahrrad umzusteigen?

Jeder Weg ist nur so gut wie sein schlechtester Punkt. Wenn auf der Strecke eine gefährliche Stelle ist, dann fährt man den ganzen Weg nicht gerne. Außerdem will man keine großen Umwege fahren – auch Radfahrer wollen schnell von A nach B kommen.