Alain spannt den Bogen„Tristan und Isolde“: Ersatz-Inszenierung in Bayreuth ist ein großer Erfolg

Alain spannt den Bogen / „Tristan und Isolde“: Ersatz-Inszenierung in Bayreuth ist ein großer Erfolg
Regisseur Roland Schwab gelingt auf Anhieb eine konsequente und in allen Punkten überzeugende Inszenierung Foto: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath

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Manchmal entstehen die besten Inszenierungen unter Druck. Wie das im Falle der Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ bei den Bayreuther Festspielen der Fall ist. Erst im Dezember 2021 hatte man sich auf dem Grünen Hügel entschlossen, trotz des neuen Ring des Nibelungen von Valentin Schwarz, der immerhin bereits seit zwei Jahren Corona-bedingt auf seinen Start wartete, eine zusätzliche Neuinszenierung in Auftrag zu geben.

Diese sollte eigentlich als Ersatz für die großen Choropern wie Lohengrin und Tannhäuser dienen, müssten diese wegen Corona aus dem Programm genommen werden. Zwei Vorstellungen waren dieses Jahr angesagt, zwei weitere soll es im kommenden Jahr geben. Regisseur Roland Schwab gelingt auf Anhieb eine konsequente und in allen Punkten überzeugende Inszenierung. Schwab arbeitet geradlinig und kommt ohne viel Schnickschnack aus.

Das Bühnenbild, ein undefinierter Raum jenseits der Zeit, ist in den drei Akten das gleiche, jedoch weiß Schwab, dieses Bild bestens in Szene zu setzen. Oben gibt es einen wunderschönen, ovalen Himmel mit tausenden von Sternen, unten einen ebensolchen Ausschnitt, in dem sich Wasser zu einem wilden Strudel formen kann, um die Liebenden in den Abgrund zu reißen. Tristan und Isolde bewegen sich, nachdem sie den Liebestrank getrunken haben, ausschließlich in diesem mit Videoprojektionen animierten Oval, unerreichbar für die anderen Protagonisten, die nur am Rande agieren und keinen wirklichen Kontakt zu den beiden finden. Schwab erzählt die Geschichte klassisch, da gibt es keine Deutungsprobleme. Nur während des Vorspiels, im Liebesduett und am Schluss beim Liebestod lässt Schwab ein Liebespaar auftreten, dies zuerst als Kinder, dann als Jugendliche und zum Schluss als Greise: Vollkommene Liebe kann auch im Diesseits, in der Realität und im Heute erlebt werden.

Musikalisch bewegt sich dieser Tristan auf allerhöchstem Niveau. Catherine Foster ist eine stimmlich überragende Isolde, Stephen Gould ein immer noch souveräner Tristan. Ihnen zur Seite stehen mit Georg Zeppenfeld (Marke), Markus Eiche (Kurwenal), Ekatarina Gubanova und Olafur Sigurdarson (Melot) erstklassige Kollegen zur Verfügung. Zusammen lassen sie diesen Tristan zu einem Erlebnis werden. Großes Lob auch für Markus Poschner, der diese Produktion zehn Tage vor Premiere von Cornelius Meister geerbt hat, der wiederum den erkrankten Pietari Inkinen im Ring ersetzten musste. Was Poschner an Klangballungen, Sinnlichkeit und Farben aus dem Bayreuther Festspielorchester herausholt, ist schon beachtenswert und von größter Qualität. Trotzdem hat die szenische Arbeit noch etwas Luft nach oben. Vielleicht etwas weniger Projektionen, dafür mehr Arbeit mit den Schatten, die in meinen Augen noch zu einer zusätzlichen Vertiefung der Beziehungen führen könnten. Auf jeden Fall darf diese Inszenierung unerwartet als großer Gewinner der diesjährigen Festspiele angesehen werden. (Vorstellung vom 12. August)

Thielemanns Klangzauber

Von tiefen Beziehungen und einer rigorosen Regiearbeit ist in Yuval Sharons Lohengrin-Inszenierung auch nach vier Jahren nichts zu spüren. Die überdimensionalen Bühnenbilder, eher ein Ego-Trip des Künstlerpaars Neo Rauch und Rosa Loy, sind dekorativ und ungewöhnlich, bringen der Inszenierung allerdings kein Plus. Auch der Regisseur vermag keine überzeugende Handlung in dieses Setting zu bringen, im Gegenteil, es gibt viele, zu viele peinliche oder schlechte Momente. So verschenkt der Regisseur die beiden ersten Szenen des 2. Akts, die so schlecht ausgeleuchtet sind und bei denen die Sänger so oft hinter einer Kulisse verschwinden, dass das Zuschauen zu einer Qual wird.

Das exzellente Sängerensemble wird angeführt durch die atemberaubende Leistung von Camilla Nylund als Elsa, die es fertigbringt, selbst Publikumsliebling Klaus Florian Vogt die Schau zu stehlen. Dieser ist so damit beschäftigt, seinen wunderschönen Gesang noch weiter zu verschönen, dass er fast den Weg des guten Geschmacks verlässt und sogar manchmal klingt wie ein Sopran. Das ist dann doch des Guten zu viel, zumal die Lohengrin-Figur in dieser Inszenierung nicht unbedingt „schön“ und positiv ist. Petra Lang ist wie immer überragend als Ortrud; man muss allerdings ihre manchmal etwas seltsam geführte Stimme mögen. Martin Gantner singt einen noblen Telramund, seine Gestaltung verpufft allerdings, weil die Inszenierung seine Figur sehr ungünstig in Szene setzt. Derek Welton ist ein guter Heerrufer und Georg Zeppenfeld ein in allen Punkten großartiger König Heinrich.

Dass das Festspielhaus nach den Schlusstakten fast erbebte, war dem Jubel und Getrampel des Publikums zu verdanken, das die Sänger frenetisch feierte. Und besonders natürlich Christian Thielemann, der als der letzte Stardirigent auf dem Hügel diese Partitur zum Klingen und Leuchten brachte wie kein anderer. Das war magisch! Besseren Lohengrin kann man sich trotz Klaus Florian Vogts gelegentlichen vokalen Übertreibungen derzeit kaum vorstellen. Musikalisch wird man Sharons Lohengrin vermissen, szenisch nicht. (Vorstellung vom 14. August)

 Foto: Bayreuther Festspiele