JahrestagTrier gedenkt der Opfer der Amokfahrt durch die Fußgängerzone

Jahrestag / Trier gedenkt der Opfer der Amokfahrt durch die Fußgängerzone
In Trier erinnert ein Herz aus Kerzen an eine vor einem Jahr getötete Studentin – bei der Tat starben auch ein neun Wochen altes Baby, dessen Vater (45) und zwei weitere Frauen im Alter von 52 und 73 Jahren Foto: Harald Tittel/dpa

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Ein Jahr nach der Amokfahrt in Trier hat es einen ersten großen Gedenk-Gottesdienst für die Opfer gegeben. Trauer und Betroffenheit sind nach wie vor groß: Eine Stadt fühlt mit.

Im Zentrum von Trier steht das Leben still. Passanten halten schweigend inne, während die Domglocke läutet. Kerzen brennen – und im Dom stehen Hunderte Menschen andächtig beieinander. Auf die Minute genau vor einem Jahr, um 13.46 Uhr, raste ein Amokfahrer durch die Fußgängerzone. Vier Minuten später war die Stadt eine andere: Fünf Menschen starben, Dutzende wurden verletzt, Hunderte traumatisiert. Es sind die Opfer, derer am Mittwoch bei der ersten großen Gedenkveranstaltung zur Todesfahrt gedacht wird.

Viele von ihnen sitzen am Jahrestag in den Bänken des Doms. Daneben Angehörige, Hinterbliebene und Rettungskräfte, die im Einsatz waren. Mit dabei ist auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). „Die Stadt ist damals im Mark getroffen worden. Und auch das ganze Land“, sagte Dreyer, die in Trier zu Hause ist. Das spüre man am Jahrestag besonders noch einmal. „Wenn man sich an die Bilder erinnert, das ist einfach erschütternd bis zum heutigen Tag.“

Im Dom sprach der Trierer Bischof den Menschen aus der Seele. Die Amokfahrt bleibe bis heute eine „unbegreifliche Tat“ mit vielen unbeantworteten Fragen, sagte er vor knapp 400 Besuchern. Sie habe die Trierer „jäh herausgerissen“ aus dem Alltag, bei Betroffenen den „Blick auf das ganze Leben verändert“. Sicher sei: „Die Verarbeitung des Geschehenen steht erst am Anfang“, sagte der Bischof.

Das ist einfach erschütternd bis zum heutigen Tag

Malu Dreyer, rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin

Der Amokfahrer war am 1. Dezember 2020 mit seinem Geländewagen fast einen Kilometer durch die Fußgängerzone gerast und hatte gezielt Menschen angefahren. Bei der Tat starben ein neun Wochen altes Baby, dessen Vater (45) und drei Frauen im Alter von 25, 52 und 73 Jahren. Im Oktober war zudem ein 77-Jähriger gestorben, der bei der Tat schwer verletzt worden war. Ob die erlittenen Verletzungen todesursächlich waren, muss noch abschließend geklärt werden.

Als mutmaßlicher Täter steht seit Mitte August ein 52-Jähriger vor dem Landgericht Trier. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Deutschen fünffachen Mord und versuchten Mord in 18 weiteren Fällen vor. Bislang wollte er sich im Prozess nicht äußern. Der zuletzt arbeits- und wohnsitzlose Mann leidet nach vorläufiger Einschätzung eines psychiatrischen Sachverständigen an einer Psychose.

Der Jahrestag sei für die Betroffenen „ein schwerer Tag“, sagte der Opferbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, Detlef Placzek. „Egal, ob sie anwesend sind oder zu Hause sitzen.“ Wichtig sei es, deutlich zu machen: „Dass sie nicht alleine sind und dass sie sich vielleicht auch in der Gemeinschaft gegenseitig etwas trösten können.“ 

Für Hinterbliebene war seitdem jeder Tag „schwarz“

Für Petra Lieser, die bei der Amokfahrt ihre Tochter Katja Lieser (25) verloren hat, ist der Mittwoch „einer von vielen furchtbaren Tagen“. Eigentlich sei im letzten Jahr jeder Tag „schwarz“ gewesen. Nach dem Gottesdienst wollte sie sich zum ersten Mal seit einem Jahr an die Stelle wagen, an der ihre Tochter getötet wurde.

Die Tat treibt bis heute viele Trierer um. Bei einer Gedenktafel, die am Freitag nahe der Porta Nigra enthüllt worden war, haben Menschen Kerzen aufgestellt. „Ich war an dem Tag der Amokfahrt mit meiner Tochter in der Stadt. Es hätte auch mich treffen können“, sagte eine Frau. Und eine andere, die ein Geschäft in der Nähe vom Hauptmarkt hat: „Ich habe die Bilder noch im Kopf. Es kommt alles wieder hoch.“ Der Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) sagte, es werde künftig jedes Jahr „ein Ort des Gedenkens“ geschaffen. „Das habe ich den Familien versprochen.“

Auch bei der Polizei wirkt die Tat nach. „Manche Kolleginnen und Kollegen werden noch begleitet oder sind noch in therapeutischer Behandlung“, sagte Polizeipräsident Friedel Durben. „Wir sehen uns allerdings nicht als Opfer.“ Natürlich hätten alle, die im Einsatz oder in Ermittlungen waren, die schrecklichen Bilder im Kopf. (dpa)