Toto – auch nach 40 Jahren keine Ermüdungserscheinungen

Toto – auch nach 40 Jahren keine Ermüdungserscheinungen

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1976 wurde Toto offiziell gegründet. Wegen einer kurzfristigen Auflösung zwischen 2008 und 2010 konnten die Musiker erst in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen feiern. Toto hat in der Tat Musikgeschichte geschrieben. So erstreckt sich die beeindruckende musikalische Bandbreite über Pop, Rock, Jazzfusion, Jazzrock, R ’n‘ B, Hardrock, Funkrock, Softrock, Arenarock, Bluesrock sowie Funk Metal.

Daneben gehören alle Mitglieder zu den gefragtesten Studiomusikern weit und breit und gelten allesamt als begabte Songwriter. Es steht somit außer Zweifel, dass in der Rockhal mit Toto am Freitag sehr wohl eine Combo der Superlative gastierte.

Die Band startete die Show mit dem aktuellen Song „Alone“. Als Neukomposition erschien der Titel erst im Februar dieses Jahres auf dem „40 Trips around the Sun“-Geburtstagsalbum.

Zeit- und Genrereise

Sehr schnell wird klar, dass die Show von Toto einer Zeit- und Genre-Reise gleichkommt. Geschöpft wurde aus einem Repertoire von insgesamt 17 Alben, die von 25 Tourneen begleitet wurden. Ein diskret dezentes Bühnenbild, gute Sound-Einstellungen und Zuschauer aller Alterskategorien in einem fast ausverkauften Haus rundeten die Show ab.

Der Rhythmus blieb durchgehend Metronom-artig perfekt – gerade weil Lenny Castro wie ein Besessener über die Congas rollte. In seinem gläsernen Kubus verstrahlte er genauso wie alle restlichen Musiker eine ehrliche Spielfreude. Mit einschneidenden Soli setzte Lukather dem melancholischen Drive eines „I will Remember“ Sternminute auf. „English Eyes“ rockt mächtig davon. Mit guter Laune punktierte die Gitarre den Auslauf mit hypnotisch repetitiven Noten, es fauchte ein letztes Mal rockig, ehe die Nummer sanft und lautlos verklang.

Die neunminütige Jazz-Rock-Fusion-Nummer „Jake to the Bone“ wurde von Toto wie mit angeborener Leichtigkeit vorgetragen. Es wurde geschlagen, gerifft, gezurrt, eine Menge Piano-Noten flogen virtuos umher. In bester progressiver Manier wurde variiert, bevor erzählende Stimmungen erklangen. Nach einem Adagio wurde wieder angezogen und nach einem rasanten Endspurt erklang wieder das gemächliche Anfangsthema. Einfach ganz große Klasse!

Sangt plätschernd bis kräftig rockig

Mit Saxofon und elektroakustischem Gitarren-Sound wurde „Lea“ angespielt. Sanft plätscherte der spanisch angehauchte Song in einem 90er-Jahre-Gewand vielleicht etwas zu glatt dahin. Eine kräftige rockige Gitarren-Einstimmung gab es danach bei „Rosanna“ zu genießen. Perfekt progressiv vorgetragen wurde der Song.

Der frei improvisierende Paich ließ die Noten frei nach seinem Rezept tanzen. Er verließ die Melodie und erzeugt eine eigene Stimmung, ehe Lukather anhand von rockig lyrischen Noten-Ausschüttungen dasselbe gelang. Dieser strukturierte zudem sein Solo mit Variationen, sodass man die Melodie des Songs total vergaß.

Ein weiteres Plus waren die Ansprachen. Paich, Lukather, Porcaro sowie der Leadsänger Joseph Williams gaben immer wieder Hintergrund-Fakten zu den jeweiligen Songs preis. Nach neun Titeln mit hohen Klangdichten und Noten-Konzentrationen wurden sieben Songs in einer Art „Acoustic Storytelling“-Version verkürzt dargeboten.

Persönliche Anekdoten lockern die Stimmung auf

Der Zuschauer wurde an persönlichen Anekdoten beteiligt und mutierte so zum Vertrauten. Steve Porcaro erklärte, wie seine Tochter Heather ihm die Idee lieferte, „Human Nature“ zu komponieren. Michael Jackson machte den Song weltberühmt. Allerdings zeigte Williams hier erste Schwächen, da es ihm nicht gelang, dem „King of Pop“ das Wasser zu reichen.

Neben einem ohnehin äußerst professionellen Auftritt gelang es den Musikern bei „Mushanga“, noch menschlicher zu wirken.

Es gab zudem bewundernswerte Stimmungswechsel, Saxofon-Einstiege und musikalische Genre-Sprünge, ehe die Musiker vorgestellt wurden. Etwas langatmig: das „Desert Theme“ vom Soundtrack des Spielfilms „Dune“, das etwas repetitiv dahinplätschert. Ohne Höhepunkt drehte sich diese Nummer als erstes überflüssiges Stück im Kreis.

Einfühlsame Momente 

Voll und ganz in einer tiefen Notentrance ließ Lukather daraufhin bei „While my Guitar gently weeps“ ordentlich die Saiten weinen. Zurrend, heulend und peitschend brachte er sein Instrument in diesem bewegenden Solo zum Kochen.

Den Zuschauern in der Rockhal wurde zwei Stunden und 15 Minuten lang hochtrabende und rockopernhafte Musik geboten. Die Band beherrschte sowohl ihr Handwerk als auch einfühlsame Momente. Sogar der Gesang glänzte teilweise als gestaltendes Rhythmuselement! Ein klatschendes und frei mitsingendes Publikum belegte die Vielseitigkeit des dargebotenen Talents.

Man mag diese Art Musik als zu kommerziell einstufen, man mag diesen Auftritt als zu gefällig betrachten, man mag einige Ohrwürmer als zu oberflächig ansehen. Tatsache ist aber, dass das Publikum an einer großen Kommunion teilnahm, an einem Stück berührender Energie oder einfach an einem Konzert der Extraklasse. 40 Jahre hin oder her: Ein absolut versatiles musikalisches Können verwandelte sich in einen mitreißenden Gefühlsausdruck. Happy Birthday, Toto!

Von Christian Schaack