„Grüner Pass“Tausende demonstrieren in Italien gegen Pflichteinführung eines Impfausweises

„Grüner Pass“ / Tausende demonstrieren in Italien gegen Pflichteinführung eines Impfausweises
Demonstranten gegen den Impfpass auf der römischen Piazza del Popolo am Samstag Foto: AFP/Filippo Monteforte

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Tausende Italiener haben am Wochenende gegen eine Pflichteinführung eines Impfausweises protestiert. Die Regierung Mario Draghis hatte angesichts steigender Coronainfektionen die Zutrittsbedingungen zu Veranstaltungen und öffentlichen Einrichtungen verschärft. Die protestierenden Bürger sehen darin einschneidende Freiheitsbeschränkungen.

Von Aosta bis Palermo gingen aufgebrachte Bürger auf die Straße. Tausende Menschen protestierten gegen ein am vergangenen Wochenende von der Regierung Draghi erlassenes Dekret, demzufolge es ab dem 6. August zur Pflicht wird, beim Besuch von Theatern, Kinos, Museen und auch in Restaurants einen Impfnachweis, in Italien auch „Grüner Pass“ genannt, vorzuweisen. Mario Draghi hatte sich zu diesem einschneidenden Schritt entschlossen, nachdem die Infektionszahlen vor allem mit der Delta-Variante des Coronavirus wieder deutlich angestiegen waren.

Doch der Langmut der Italiener, die ähnlich wie die Bürger in den anderen EU-Staaten monatelang im Lockdown ausharren mussten, scheint nunmehr am Ende zu sein. Die Protestierenden sehen in den neuen Maßnahmen einen unzumutbaren Eingriff in die Grundfreiheiten und fühlen sich vom Staat bevormundet.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass Kräfte unterschiedlichster politischer Couleur auf den Straßen zu finden waren. Vor allem militant Rechte von CasaPound bis zu den Neofaschisten nutzten die Demonstrationen, um die hiesige Demokratie grundsätzlich infrage zu stellen.

Hakenkreuze und Judensterne

Etliche der Protestierenden gingen aus berechtigter Sorge auf die Straße und hinterfragten, ob es Sinn ergebe, die Vorlage des Green Pass zur Pflicht zu machen, statt an die Freiwilligkeit der Bürger zu appellieren. Viele zeigten sich auch besorgt, dass multinationale Pharmakonzerne aus der Not der Covid-Pandemie horrende Profite erzielen könnten.

Doch muss vor allem konstatiert werden, dass viele die Gelegenheit nutzten, die aktuelle Regierung anzugreifen. Gerade die rechtsextremen Kräfte nutzten dabei Symbole und Slogans, die sich sowohl in der aktuellen Situation als auch in ihrem geschichtlichen Bezug verbieten.

In Turin versammelten sich 5.000 Demonstranten und skandierten sowohl „Freiheit, Freiheit“ als auch „Nürnberg, Nürnberg“ – mit diesen Aussprüchen wollten sie an die diskriminierenden Rassegesetze von 1935 erinnern, die Nazideutschland gegen die Juden erlassen hatte. In dasselbe Bild passte auch, wie in Mailand beobachtet, das Tragen des Judensterns mit einer an hebräische Schriftzeichen erinnernden Aufschrift „Non vaccinato“ (nicht geimpft) oder ein Transparent, auf dem die Symbole des EU-Passes zu einem Hakenkreuz montiert wurden. An gleicher Stelle zeigten Demonstranten ein Foto des in SS-Uniform gekleideten Gesundheitsministers Roberto Speranza. Transparente, die nicht nur jenseits jeglichen „guten Geschmacks“, sondern auch strafrechtlich relevant sind.

Rechte im Aufwind

In Rom mischten sich militante Vertreter der rechtsextremen Organisation CasaPound unter die etwa 2.000 Protestierenden auf der Piazza del Popolo. „Wir treten heute ohne unsere Symbole auf“, erklärte der römische Sprecher von CasaPound, Luca Marsella. „Wir sehen uns als Teil der Bevölkerung, die gegen diese Gesundheitsdiktatur protestiert.“ Beifall und Unterstützung erhalten die Proteste auch von den Führern der rechten Parteien Lega und Fratelli d’Italia. Lega-Chef und Ex-Innenminister Matteo Salvini erklärte, es „mache überhaupt keinen Sinn, wenn sich unter 40-Jährige impfen lassen“. Allein um gegen Draghi zu opponieren, flirtete Salvini mit der „No-Vax“-Bewegung, zögerte bis zum vergangenen Freitag hinaus, sich impfen zu lassen. Der Premier indes fand für Salvinis Äußerungen deutliche Worte: „Wer dazu aufruft, sich nicht impfen zu lassen, der ruft dazu auf, zu sterben – oder andere sterben zu lassen.“

Wer dazu aufruft, sich nicht impfen zu lassen, der ruft dazu auf, zu sterben – oder andere sterben zu lassen

Mario Draghi, Italiens Regierungschef über Matteo Salvini

Umfragen zufolge profitieren die rechten Populisten von der Stimmung im Lande: Erstmals ist demnach die postfaschistische Fratelli d’Italia mit 20,4 Prozent potenzieller Wählerstimmen die stärkste politische Kraft, gefolgt von der Lega mit 20,3 Prozent. Erst auf dem dritten Rang findet sich die sozialdemokratische Partito Democratico mit 19,3 Prozent. Die bislang im Parlament noch als stärkste Fraktion vertretene Fünf-Sterne-Bewegung demontiert sich zusehends selbst und hat gerade einmal 15,4 Prozent der Wähler hinter sich.

Doch auch innerhalb der Mitte-Rechts-Parteien herrscht keine Einigkeit. Senatorin Annamaria Bernini, Fraktionschefin der Forza Italia im Senat, erklärte, „sich impfen zu lassen gibt sich und anderen die notwendige Sicherheit, aus der Pandemie zu kommen. Der ‚Green Pass‘ ist daher das Gegenteil von Unfreiheit“.

Pd-Chef Enrico Letta meint: „Jede Demonstration gegen den ‚Green Pass‘ ist eine gegen Wiedereröffnung“. Und Fabrizio Pregliasco, Chefvirologe an der Staatlichen Universität Mailand, erklärte lakonisch: „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit der Anderen bedroht wird.“

Wieder Mann
27. Juli 2021 - 5.53

Mit der Impfpflicht wird in Europa der Weg zur Zweiklassengesellschaft freigegeben , die Möglichkeit andere Freiheiten auch einzuschränken. Bei Herr Orban wären unsere Politiker längst auf ihre Theaterbühne geklommen und lauthals Empörung geschrien. Als Geimpfter respektiere ich jedem Bürger seine Meinung zur Impfung, solch totalitäre Entscheidungen lehne ich ab.

Citius Inermus
26. Juli 2021 - 13.52

Mit 6 Finger schreibt man schneller, armlos überhaupt nicht !