SteinfortSuperfood zum Nulltarif: Auf der Suche nach Kräutern im Naturschutzgebiet Mirador

Steinfort / Superfood zum Nulltarif: Auf der Suche nach Kräutern im Naturschutzgebiet Mirador
Nelkenwurz findet man häufig im Naturschutzgebiet Foto: André Feller

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In den Supermärkten abgepackte Salate mögen vielleicht praktisch sein, wenn es mal schnell gehen muss. Möchte man jedoch eine gesunde und bekömmliche Abwechslung, dann bietet sich ein Spaziergang in die Natur zur Sammlung von essbaren Wildkräutern an. Das Tageblatt begleitete kürzlich den Wildkräuterexperten Marius Sinn bei einer Kräuterwanderung in Steinfort. Diese Wanderung ist eines der zahlreichen Erlebnisse im Naturschutzzentrum Mirador, über das wir am Donnerstag (2.3.) berichteten. 

So manch einen mag es erstaunen, aber bereits im Februar, noch größtenteils unter Laub, Ästen und abgestorbenen Pflanzenresten vom Vorjahr verdeckt, keimt das Leben so richtig auf.

Gleich zu Beginn der Wanderung, nur knapp drei Schritte vom Eingang des Centre Mirador in Steinfort entfernt, bleibt Marius Sinn das erste Mal stehen. Zwischen Kies und Laub ist ein junger Trieb der sogenannten Wegwarte sichtbar. Was für Laien aufgrund der grünen Blätter wie „Unkraut“ aussieht, ist die Urform des uns bekannten Wintersalats, dem Chicorée. Während die zarten Blätter einen Salat auffrischen können, kann die Wurzel gar als Kaffeeersatz genutzt werden. Aufgrund der Bitterstoffe und des Inulin, einem sogenannten Mehrfachzucker, im Fachjargon als Polysaccharid bezeichnet, wirke diese Pflanze besser als Aufputschmittel als Kaffee, wie der Experte den Teilnehmern erklärt.

Weiter geht die Wanderung, nicht mal zehn Meter. In einem feuchten, mit Laub bedeckten Kiesbett entlang einer Balustrade erkennt der Experte mit geschultem Auge innerhalb von einigen Sekunden eine Mehrzahl an essbaren Wildkräutern: Taubnessel, behaartes Schaumkraut, Beifuß, Spitzwegerich, Färberkamille, Labkraut und viele mehr.

Wildkräuterexperte Marius Sinn erklärt den Teilnehmern genau, was sie so auf der Wanderroute finden können
Wildkräuterexperte Marius Sinn erklärt den Teilnehmern genau, was sie so auf der Wanderroute finden können Foto: André Feller

Ernten und Naturschutz betreiben

Der Kräutermensch gibt den Kursteilnehmer nicht nur Auskunft über Merkmale, Wirkstoffe und Rezepte. Als Wildkräutersammler habe jeder Mensch auch eine gewisse Pflicht in Sachen Naturschutz, so der Experte. Beim Sammeln solle man nicht zu gierig sein, sondern nur so viel sammeln, wie man selbst benötige. Pro Pflanze solle man auch nur ein paar Blätter pflücken, bei größerem Bestand auch nur ein paar Exemplare ernten.

Aktiver Naturschutz geht aber darüber hinaus. An jenen Stellen mit üppigem Bewuchs helfe das sogenannte „Ausdünnen“ anderen Pflanzen, sich weiter auszubreiten. Findet man nur sehr wenige Kräuter etwa am Wegesrand, wo die „Gefahr“ des Abmähens droht oder auf einer bewirteten Ackerfläche, so könne man die gefährdete Pflanze mittels Spaten zu einem sicheren Ort umsiedeln. Dies solle man nur tun, wenn man bereits sehr viele Kenntnisse über die Flora und ihre Lebensräume hat.

Ebenfalls unterstützend, für ein allein wachsendes Artindividuum, ist das Kleinschneiden von wachsenden, stark zehrenden Gräsern in unmittelbarer Nähe. Diese „rauben“ einem einzelnen Individuum Licht und Ressourcen. Das Schneiden dieser Gräser ermöglicht dem „Schützling“ eine verbesserte Samenbildung und somit eine bessere Verbreitung der seltenen Art am jeweiligen Standort.

Eine sehr einfache Methode, um die Artenvielfalt zu erhalten, bestehe darin, den Samen durch „Ausschütteln“ an deren Verbreitung zu helfen, so der Experte weiter.

Bereits im Februar findet man wilde Möhren in der Natur
Bereits im Februar findet man wilde Möhren in der Natur Foto: André Feller

Wilde Möhren, nicht nur Nahrung für Hasen

Bei der nächsten essbaren Wildpflanze, einige Gehminuten entfernt, spürt Marius Sinn in einem Hang Nelkenwurz auf, eine Pflanze, die früher gerne von Benediktinermönchen dem Bier zugefügt wurde. Das Benediktenkraut, wie der Nelkenwurz noch bezeichnet wird, ist zudem eine interessante Heilpflanze, wirksam bei Hautkrankheiten, Fieber, Entzündungen und Magen-Darm-Beschwerden. Das Gewächs aus der Familie der Rosengewächse eignet sich ebenfalls für die Zubereitung von Salaten.

Wenige Meter nebenan zeigt der Kräuterfachmann den Teilnehmern einen vertrockneten Strauch, abgestorbene Überreste aus dem Sommer. Das Aussehen deutet auf die sogenannte wilde Möhre hin. Gekonnt scharrt Marius Sinn altes Laub und Pflanzenreste aus der letzten Blütensaison beiseite, ein grüner Püschel, ähnlich wie wir ihn von der Möhre aus dem Garten kennen, kommt zum Vorschein. Doch hier gilt Vorsicht, so der Kräutersammler. Denn es besteht Verwechslungsgefahr mit dem Gefleckten Schierling, dem Giftigen Wasserschierling und der Hundspetersilie.

Mit einem Messer schneidet der Kräutermensch die Möhre aus dem Boden heraus, ohne die Wurzel zu beschädigen. Mit etwas Wasser wird die Wurzel gereinigt, und schon kann man die Pflanze essen.
Auch hier weist Marius Sinn auf den Umweltschutz hin, die Wurzel wird nur zu drei Viertel abgeschnitten. Der Rest der Pflanze mit dem kleinen Wurzelstück wird wieder eingepflanzt, die Wurzel kann weiter wachsen.

Pflanzen richtig zu bestimmen, ist wichtig. Selbst die kleinsten Unterschiede können dabei helfen.
Pflanzen richtig zu bestimmen, ist wichtig. Selbst die kleinsten Unterschiede können dabei helfen. Foto: André Feller

Wissen aufbauen schützt vor Verwechslung

Wildkräuter sammeln ist also nichts Kompliziertes. Das große Aber: Nicht jede Pflanze ist essbar, manche sind sogar giftig, andere wiederum einfach nur ungenießbar. Doch wie soll man die essbaren Wildkräuter von Giftpflanzen unterscheiden?

Eine Möglichkeit besteht darin, sich das Wissen mittels Literatur anzueignen – oder an geführten Kräuterwanderungen teilzunehmen. Im Centre Mirador in Steinfort legen die Naturführer Wert darauf, die Teilnehmer nicht mit einer Masse an Informationen zu überfluten. Anfänger lernen zu Beginn nur rund ein halbes Dutzend essbare Wildkräuter kennen, um diese von anderen Pflanzen zu unterscheiden. Dabei geht es nicht nur um äußere Merkmale, auch etwa der Fundort liefert wichtige Hinweise.

Später folgt dann die Wissenserweiterung, indem man sich schrittweise an weitere Kräuter heranarbeitet. Eine andere Methode besteht darin, immer in Begleitung des Fachmanns, sich zu Hause eine Ecke von Wildkräutern im Garten anzulegen. Dann entgeht man der Verwechslungsgefahr. Ein weiterer Tipp vom Fachmann: Man solle die Kräuter nur abseits vom Wegesrand sammeln, denn Hunde und andere Tiere markieren am Rande der Spazierwege besonders gerne.

Viele der gesammelten Wildkräuter haben Eigenschaften als Heilpflanzen. Es drängt sich also die Frage auf, ob man diese Kräuter nur zur Behandlung von Krankheiten sammeln sollte? Nein, meint Marius Sinn. Im Gegenteil: Wildkräuter seien ein wichtiges Mittel in der Vorbeugung von Krankheiten, demnach solle man möglichst oft Salate mit Wildkräutern mischen. In kleinen Dosen hilft das Superfood den Körper stets zu entgiften, biochemische Prozesse zu regulieren und das Immunsystem zu stärken. Also Superfood zum Nulltarif, direkt vor der Haustür.

Fred Feuerstein
5. März 2023 - 10.12

Dee nächsten Tour ënnert dem Motto: Höhlenwanderung, wie finde ich die ideale Wohnhöhle? "Back to Future".

JJ
3. März 2023 - 18.51

"..dann bietet sich ein Spaziergang in die Natur in ein Naturschutzgebiet an." Nicht jede Pflanze ist essbar, manche sind sogar giftig, andere wiederum einfach nur ungenießbar. Noch Fragen?