EditorialStille Nächte, ruhige Tage

Editorial / Stille Nächte, ruhige Tage
Die Intensivstationen sind am Anschlag; schärfere Maßnahmen gegen die Pandemie sind alternativlos Foto: Tageblatt-Archiv

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Das Virus in Kronenform ist beileibe kein angenehmer Gegner für Medizin und Gesellschaft: Kaum haben in mehreren Ländern die Impfkampagnen begonnen, schreckt eine in Großbritannien gefundene Mutation des Covid-Virus die europäischen und andere Regierungen so auf, dass viele Staaten, darunter auch Luxemburg, den Flugverkehr mit der Insel aussetzen, die sich so noch vor dem definitiven Brexit ziemlich isoliert wiederfindet.

Die Impfungen werden noch vor Jahresende auch in Luxemburg beginnen; allerdings reicht allein dieser Termin nicht aus, um der Pandemie Herr zu werden. Es wird noch mehrere Monate dauern, bis ausreichend Menschen per Nadelstich behandelt sein werden, um die angestrebte Herdenimmunität zu erreichen, wenn sich denn tatsächlich 70 Prozent der Bevölkerung bereit erklären, den Piekser und – wenig wahrscheinliche – eventuelle schädliche Nebenwirkungen ertragen zu wollen.

Bis es so weit ist, versucht die Regierung sich weiter als Seiltänzer zwischen Überlastung des Gesundheitssektors und wirtschaftlichem Schaden für Unternehmen und Staat. Und dieser Tanz ist weder anmutig noch leicht beherrschbar. Die aktuellen Maßnahmen, wie die Ausgangssperre ab 23 Uhr und die Schließung aller Restaurants und Cafés, die ob der vergleichsweise geringen Effizienz bereits bis Mitte Januar verlängert wurden, reichen offensichtlich nicht aus, um die Infektionszahlen nachhaltig zu drücken und auch nicht – und dies ist der schwerwiegendere Faktor –, um die Spitäler und ihr Personal zu entlasten. Die Intensivstationen sind nahe am Limit; mehrere Häuser führen keine Operationen mehr durch, die verschoben werden können. 

Auch die recht aufschlussreichen Analysen des Abwassers in den Kläranlagen geben wenig Anlass zu Optimismus, und die hohen Sterbezahlen sowieso nicht.

All dies hätte die Regierung auch bereits am vergangenen Freitag sehen können und die wahrscheinlich heute getroffenen Entscheidungen zu weiteren Einschränkungen des normalen Lebens im Lande drei Tage früher nehmen können; zumal die Infektionsstatistik am Wochenende weniger aufschlussreich ist als jene an Wochentagen mit weitaus mehr getesteten Menschen. 

Der Aufruf von Hunderten Wissenschaftlern am Samstag in der Publikation The Lancet und ein offener Brief an die Regierung der AMMD (Vereinigung der Ärzte und Zahnärzte), die beide dazu aufrufen, schärfer gegen die Pandemie vorzugehen, sind wohl nur noch weitere Argumente für ein Durchgreifen der Ministerrunde. 

Wie dieses definitiv aussehen wird, ist noch offen: Von einer Schließung aller Geschäfte ohne systemische Relevanz über allgemeine Maskenpflicht auch draußen in Ortschaften bis hin zu erneuter Schule zu Hause, verlängerten Ferien oder gar Alkoholverbot im Freien (eine Forderung der CSV) ist vieles vorstellbar. 

Die kommenden Nächte jedenfalls, einschließlich Weihnachten und Silvester, werden ruhige sein – auch wenn sicher einige Unbeirr- und -lehrbare sich gruppenweise ins neue Jahr böllern werden –, und die Tage der nächsten drei bis vier Wochen werden ruhiger als die einkaufsfreudigen aktuellen; hoffentlich auch für das Personal in den Krankenhäusern.      

de Prolet
22. Dezember 2020 - 19.33

Wenn wir so weiter machen, wird es bald, sehr still sein, beängstigend still.

titi
21. Dezember 2020 - 16.04

Wenn die Menschen nicht endlich umdenken, vernünftig und einsichtig werden und die elementarsten Schutzmassnahmen strikt befolgen, hift auch der Impfstoff nichts. Ein bekannter Arzt hat einmal, in einem anderen Zusammenhang behauptet, dass die meisten Medikamente überflüssig wären, wenn die Menschen ihre Gewohnheiten ändern würden, z.B. sich gesünder ernähren , den oft hausgemachten Stress meiden würden. Aber lieber Pillen als auf die gewohnte Bequemlichkeit verzichten.

Leila
21. Dezember 2020 - 13.10

"...ein paar irre Unbelehrbare sich gruppenweise" wäre der bessere Ausdruck

J.Scholer
21. Dezember 2020 - 11.11

Es erstaunt mich immer wieder wie optimistisch Politik und Medien sich auf das Licht am Ende des Tunnels fokussieren und glauben tun mit Beginn der Impfung wäre dieser Pandemie in einigen Monaten ein Ende gesetzt.Ich verweise auf die Einschätzungen vieler Virologen, der Aussagen der Wissenschaftsjournalistin Dr.Med.Krieft in der ARD zu diesem Thema. Sicher wird die Impfung Leben retten, doch spricht die Wissenschaft gerne von Luftschlössern man ein Ende der Pandemie vorauszusagen glaubt .Voraussichtlich wird diese Pandemie , ihre Einschränkungen uns noch bis Ende 2022/23 begleiten, es sei es geschehen Wunder . Rückschläge in Bezug des Impfstoffes, Mutation des Virus könnten auch möglich sein.Die wirtschaftlichen , gesellschaftlichen Konsequenzen noch viele Jahre nachwirken, zukünftige Generationen vor weiter Probleme, ein Umdenken stellen.Verlieren wir den Bezug zur Realität nicht, auch die Hoffnung nicht verloren gehen darf.