Ukraine-Krieg / Steigende Energiepreise und fallende Umfragewerte bringen Bulgariens Regierung unter Druck
Die Folgen des Ukrainekriegs setzen Bulgariens labile Vierparteienkoalition stets stärker unter Druck. Ob bei Waffenlieferungen an Kiew über Sofias Veto gegen EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien bis zur Energiepolitik: Einig sind sich die Koalitionspartner selten – und ihre Umfragewerte fallen.
Aus seinem besorgten Herzen macht Bulgariens Premier Kiril Petkow keine Mördergrube. Der Krieg in der Ukraine habe seinem Land „viele Krisen“ beschert, „weil wir es zugelassen haben, abhängig von Russland zu sein“, klagte der prowestliche Chef der Anti-Korruptionspartei PP in dieser Woche auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos.
Tatsächlich setzen die Folgen des Ukraine-Kriegs Bulgariens wenig homogene, erst im Dezember vereidigte Vierparteienkoalition immer stärker unter Druck. Bei dem Bestreben, den Einfluss Moskaus beim ärmsten EU-Mitglied zurückzudrängen, steht mit der liberalen DB nur der kleinste Koalitionspartner seiner PP fest an der Seite von Harvard-Absolvent Petkow.
Immer größere Risse im Kabinettsgebälk tun sich hingegen zwischen dem Premier und den russophilen Sozialisten (BSP), aber auch der populistischen Protestpartei ITN auf. Ob bei der Waffenhilfe an Kiew, Sofias Veto gegen EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien oder der Energiepolitik: Einig sind sich die Koalitionspartner selten – und ihre Umfragewerte fallen.
Als Selenskyj die Koalition rettete
Ausgerechnet der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bewahrte die Koalition der ungleichen Partner zu Monatsbeginn in letzter Minute vor dem von Moskau vermutlich ersehnten Fall. Die BSP hatte damals mit Koalitionsaustritt bei einem Parlamentsbeschluss für die von Petkow befürworteten Waffenlieferungen an die Ukraine gedroht.
In einem auf dem Höhepunkt der hitzigen Parlamentsdebatte am 4. Mai verlesenen Brief aus Kiew schlug Selenskyj schließlich vor, dass Bulgarien ukrainisches Kriegsgerät reparieren statt neues liefern solle: Sein angenommener Kompromissvorschlag hielt Sofias Wackelkoalition im Sattel.
Immerhin ist es Petkow geglückt, nach der Einstellung der russischen Gaslieferungen Ende April kurzfristig neue Bezugsquellen zu erschließen. Bei seiner Visite in Washington sagte ihm Vizepräsidentin Kamala Harris US-Gaslieferungen ab Juni zu – angeblich selbst zu einem niedrigeren Preis als von Gazprom. Dass Bulgarien als einer der ersten Staaten von Moskaus Gasbann getroffen worden sei, habe Sofia bei der Suche nach Alternativen ein „gewisses Privileg“ verschafft, so der Energie-Experte Wasko Natschew gegenüber der Balkan-Agentur BIRN: „Wäre halb Europa zu demselben Zeitpunkt von Gaslieferungen abgeschnitten worden, wären die Situation eine ganz andere gewesen.“
Doch ITN-Chef Slawi Trifonow wirft Premier Petkow angesichts steigender Energiepreise nicht nur vor, falsche Erwartungen zu schüren und „inkorrekte Informationen“ über den künftigen Gaspreis zu verbreiten. Der Sänger bezichtigt den Premier auch bei dem Tauziehen um das bulgarische Veto gegen die EU-Annäherung Nordmazedoniens einer „Hinterzimmerpolitik“ ohne Absprache mit den Partnern.
Petkow plädiert für eine Aufhebung des von Sofia 2020 eingelegten Vetos gegen den Auftakt der EU-Beitrittsverhandlungen mit Skopje: Die damalige Rechtsregierung wollte mit dem Veto die Nachbarn u.a. dazu zwingen, die „bulgarischen Wurzeln“ der mazedonischen Sprache anzuerkennen. Im Gegensatz zur PP und DB halten die ITN und die BSP aber mit Verweis auf „Bulgariens nationale Interessen“ am Veto eisern fest. Petkow wiederum sieht bei den Spannungen mit Nordmazedonien erneut Moskau am Werk: „Russlands Interesse war immer, dem Westbalkan eine Europäische Zukunft zu verbauen.“
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