Analyse / „Sprich mit mir, Joe“: Putin und Biden reden heute miteinander über die Ukraine

Matrjoschkas mit Wladimir Putin und Joe Biden als Motiv in einem Moskauer Souvenirladen
Die Sprache zwischen Russland, den USA und der NATO verschärft sich immer weiter. Um gehört zu werden, setzt der Kreml auf Angst und Gewalt. Seine Forderungen nach Sicherheitsgarantien dürfte Wladimir Putin auch bei seinem virtuellen Treffen mit Joe Biden an diesem Dienstag stellen. Ein unerfüllbares Unterfangen.
Das Mittel der Angst, um sich Respekt zu verschaffen, ist in den Köpfen und im Verhalten vieler Russen tief verankert. „Wenn du willst, dass man dich achtet, musst du drohen, sonst bleibst du ein Leben lang ein Schwächling“, war ein in der Sowjetunion gängiger Rat der Eltern an ihre Kinder. Wie sich dieser Rat bis heute erhalten hat, lässt sich auf vielen Spielplätzen des Landes lautstark miterleben. Auch als politisches Mittel ist Angstverbreitung wieder gefragt. Als der russische Präsident Wladimir Putin vor knapp drei Wochen bei einem Treffen russischer Botschafter im Außenministerium in Moskau auftrat, frohlockte er geradezu. „Unsere jüngsten Warnungen machen sich bemerkbar und erzeugen einen gewissen Effekt: Es ist tatsächlich eine Anspannung entstanden“, sagte er.
Die „Warnungen“, das sind die Truppenverschiebungen der Russen an die russisch-ukrainische wie die russisch-belarussische Grenze vor einigen Wochen. Die Washington Post schrieb mit Verweis auf amerikanische Nachrichtendienste von 175.000 Soldaten, die bereits Anfang des kommenden Jahres einen Mehrfrontenangriff auf die Ukraine beginnen könnten. Das bezeichnet Moskau zwar als „westliche Hysterie“, freut sich aber durchaus über die Wirkung der dadurch erzeugten „Anspannungen“. Aus Angst vor einer russischen Invasion in der Ukraine reagiert der Westen umtriebig. Putins Folgerung aus der aufgebauten Drohkulisse: „Erstens: Dieser Zustand muss so lange wie möglich erhalten bleiben. Zweitens: Wir müssen uns für langfristige Sicherheitsgarantien für Russland einsetzen.“
Diesen Punkt unterstrich er vor einigen Tagen auch vor ausländischen Botschaftern: Moskau werde auf einer rechtlich verbindlichen, schriftlich fixierten Vereinbarung bestehen, die eine Garantie dafür sein müsse, dass die Erweiterung der NATO gen Osten abgeschlossen sei und die Stationierung bedrohlicher Waffensysteme in russischer Grenznähe ausschließe. Die „roten Linien“ beginnen für Russland bereits darin, wenn Staaten wie die Ukraine oder Georgien an gemeinsamen Übungen mit der NATO teilnehmen. Bereits die Zusammenarbeit Kiews oder auch Tbilissis mit der NATO, nicht erst die NATO-Mitgliedschaft dieser Länder, stellt für den Kreml eine Gefahr dar.
Moskau pflegt das Narrativ, Kiew plane mithilfe der NATO einen Angriff auf die „Volksrepubliken“ im Osten der Ukraine und bedrohe dadurch auch Russland. Ohnehin sieht Russland sich von Feinden umzingelt, weshalb es sich verteidigen müsse. Die NATO, so macht Putin in seinen Auftritten deutlich, soll die Finger von der Ukraine und anderen postsowjetischen Ländern lassen. Diese Forderungen dürfte der Kremlherrscher auch bei seinem virtuellen Gipfel mit dem US-Präsidenten Joe Biden an diesem Dienstag klar zur Sprache bringen.
Moskau sieht Ukraine nicht als eigenständigen Staat
Das Problem dabei: Der Wunsch nach Garantien ist nicht zu erfüllen. Das wissen auch die Russen. Eigentlich. Und doch fällt es Moskau immer noch schwer, sich vom Denken des Kalten Krieges zu verabschieden: Der Kreml teilt die Welt weiterhin in festgelegte Einflusssphären auf und fegt die Vorstellung seit jeher beiseite, die Länder Ostmittel- und Osteuropas könnten selbst eine Entscheidung darüber treffen, in welche Richtung sie sich zu entwickeln gedenken. Die Drahtzieher für die Entscheidungen in Kiew sieht Moskau in Washington.
Die Ukraine als solche existiert in der Vorstellung des Kremls nicht, das haben Putin und sein Vize im russischen Sicherheitsrat, der frühere Präsident Dmitri Medwedew, in ihren fast schon hasserfüllten Texten vor einigen Wochen dargelegt. Sie sprechen dem Land die Staatlichkeit faktisch ab und erläutern, dass jedes Gespräch mit der Führung in Kiew sinnlos sei. Zudem werfen sie dem Westen vor, das Minsk-Abkommen absichtlich zu verschleppen. Seine Enttäuschung darüber äußerte Russland vor wenigen Wochen in einem bemerkenswerten Schritt, indem das russische Außenministerium die geheime Korrespondenz mit Berlin und Paris veröffentlichte. Ein diplomatischer Regelbruch.
Mit dem Truppenaufmarsch, der die Bedrohungskulisse vom Frühjahr wiederholt, übergeht Moskau letztlich die Ukraine und sucht sogleich das Gespräch mit dem „Übeltäter“ USA, dessen einziges Ziel es sei, Russlands Stellung in der Welt einzudämmen. So zumindest die russische Sichtweise. Moskau ringt um die Aufmerksamkeit in der Welt und will Amerika ebenbürtig sein. Die massenhafte Verschiebung der russischen Truppen erscheint geradezu als hilfloser Ruf: „Sprich mit mir, Joe.“ Im Frühjahr war es zu einem persönlichen Treffen zwischen Putin und Biden in Genf gekommen, nun treffen sie sich virtuell. Was aber passiert, wenn Moskau einmal mehr meint, nicht gehört zu werden? Wenn die Wirkungen der „Warnungen“ und der „Anspannungen“ nachlassen sollten? Wenn die Angst als politisches Mittel nicht mehr ausreicht, nimmt Moskau auch Gewalt in Kauf.
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Die alte luegentaktik der usa wie wir sie seit dem irak konflikt und den massenvernichtungswaffen kennen.
Biden kriegt covid nicht in den griff…dann wird halt ein krieg herauf beschworen.
Waehrend den olympischen spielen in peking sind sicherlich schon destabilisierungsversuche in hongkong geplant.