Spielräume und Vorboten: In Berlin wird über einen Wechsel im Kanzleramt spekuliert

Spielräume und Vorboten: In Berlin wird über einen Wechsel im Kanzleramt spekuliert

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Manch einer in der Union gerät regelrecht ins Schwärmen. „Die Arbeitsteilung ist doch geradezu ideal“, lobt ein CDU-Abgeordneter. Während Annegret Kramp-Karrenbauer der Union als Parteichefin neues Profil gebe, löse Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Kabinett „operativ“ die Probleme. Mag sein, dass so das Zusammenspiel aussehen soll. Doch in Berlin wird spekuliert, dass AKK inzwischen in der Beziehung die Bestimmende ist.

Von unserem Korrespondenten Hagen Strauß

Kommt der baldige Wechsel im Kanzleramt? Die Werteunion, eine besonders konservative Splittergruppe in der CDU, fordert ihn bereits. „Es wäre für die Union das Beste, wenn Frau Merkel ihr Amt geordnet und möglichst bald an AKK übergibt“, so der Vorsitzende Alexander Mitsch. Dann könne Kramp-Karrenbauer mit einem neuen Kabinett einen Politikwechsel einleiten.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak wies dies gestern nach der Präsidiumssitzung seiner Partei zurück. Viele Mitglieder wünschten sich keine neuen Personaldebatten, so Ziemiak. Auch habe er entsprechende Forderungen von Funktionsträgern der CDU nicht vernommen. Hinter den Kulissen wurde angemerkt, dass die Werteunion zwar stets mediale Aufmerksamkeit bekomme, sie aber in der Partei und speziell in den Landesverbänden keine Rolle spiele. Es gebe keinen Merkel-Überdruss in der Union, laut Umfragen auch nicht unter den Wählern.

Täglicher Kontakt

Das stimmt. Die Kanzlerin ist beliebt wie lange nicht. Auffallend ist dennoch, dass Kramp-Karrenbauer in den letzten Wochen für die politischen Aufschläge zuständig gewesen ist, während Merkel mehr oder minder abgetaucht zu sein schien. Selbst die Antwort auf den flammenden Pro-Europa-Appell des französischen Präsidenten Macron übernahm die Parteivorsitzende und nicht die Kanzlerin, was vom Amt her angemessener gewesen wäre. Prompt wurde der Vorgang im aufgeregten Berlin als Vorbote eines möglichen Rückzugs der Regierungschefin interpretiert.

Kramp-Karrenbauer und Merkel haben täglich Kontakt, per Telefon, per SMS. Und sie treffen sich auch zu längeren Vier-Augen-Gesprächen, wie kürzlich in einem Berliner Restaurant. Wann immer möglich, nimmt die neue CDU-Vorsitzende zudem an der Morgenlage im Kanzleramt teil. Klar ist, dass die Reaktion auf Macron abgesprochen gewesen ist; auch der Umstand, dass Kramp-Karrenbauer sie geben würde. Überdies hat Merkel es für richtig befunden, dass AKK sich unabhängig von ihr profiliert.

Wie durch das „Werkstattgespräch“ der CDU zur Flüchtlingspolitik, wie durch den Hinweis, Grenzschließungen seien die „Ultima Ratio“. Die Saarländerin braucht den nötigen Spielraum, um das Klischee von der „Mini-Merkel“ abzuschütteln. Den nutzt sie – und Merkel gibt ihn ihr reichlich. So ist der Eindruck entstanden, dass AKK mittlerweile die Hosen an hat.

Merkels Wunsch

Außerdem wünscht sich Merkel wirklich Kramp-Karrenbauer als Nachfolgerin. Nur wann? Die, die es wissen könnten, sagen: „An allen Spekulationen über einen raschen Wechsel ist nichts dran.“ Weil auch keiner genau den Weg dahin überblickt. In der Union schaut man zuallererst auf die SPD. Sollte sie nach der Europa- und Bremen-Wahl im Mai oder im Herbst nach den Wahlen im Osten in Panik verfallen und die Koalition platzen lassen, wäre für Kramp-Karrenbauer die Kanzlerkandidatur bei möglichen Neuwahlen frei. Oder die CDU-Chefin könnte versucht sein, eine neue Koalition zu schmieden. Doch gerade die Grünen, die sich im Umfragehoch befinden, würden wohl nicht für eine Neuauflage von Jamaika bereitstehen.

Doch bleibt die SPD an Bord, wird’s schwierig, den Wechsel im Kanzleramt zu vollziehen. Insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gründen. Ein Szenario dafür gibt es offenbar noch nicht. Außerdem betonten gestern mehrere Unionisten, Merkel wirke alles andere als amtsmüde.

J.C.KEMP
12. März 2019 - 13.53

Gott (sollte es ihn geben) schütze uns vor AKK!

CESHA
12. März 2019 - 13.38

Ich glaube nicht, dass Merkel, die seit Jahren allen Anfeindungen zum Trotz förmlich an ihrem Sessel klebt, bereit ist, vorzeitig zurückzutreten. Dass sie den Parteivorsitz abgegeben hat, ist nur dem schlechten Abschneiden der CDU bei den letzten Landtagswahlen geschuldet. Und so kann man allenfalls auf ihren Rücktritt als Kanzlerin hoffen, wenn die CDU auch bei den Europawahlen einen krachenden Absturz erleben sollte. Aber selbst dann möchte ich keinen Cent darauf wetten, dass sie dann endgültig ihren Hut nimmt.