Spaniens Regierungschef Sánchez kämpft ums Überleben bei den kommenden Wahlen

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Der Mann, der mit seinen radikalen Parolen gegen katalanische Separatisten und afrikanische Migranten den zu Ende gehenden Wahlkampf beherrschte, war nicht zum TV-Duell der Spitzenkandidaten eingeladen.

Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze, Madrid

Santiago Abascal, Chef der aufstrebenden Rechtsaußenpartei Vox, hatte dies auch gar nicht nötig. Er steuert auch ohne größere Medienpräsenz am Sonntag auf ein zweistelliges Wahlergebnis zu, das in Spaniens politischer Landschaft ein Erdbeben auslösen dürfte. Und das den Blick darauf lenken wird, dass nun auch in Spanien, wie in den meisten europäischen Ländern, eine starke rechtspopulistische und nationalkonservative Bewegung heranwächst.

Während sich der sozialistische Regierungschef Pedro Sánchez (PSOE) und der konservative Oppositionsführer Pablo Casado (PP) im Fernsehen mit harten Bandagen bekämpften, ließ Abascal in der Stierkampfarena im Madrider Vorort Las Rozas die Muskeln spielen. Die Arena, in die 5.000 Menschen passen, war bis auf den letzten Platz gefüllt. Von derart gut besuchten Veranstaltungen konnten Sánchez und Casado während ihres Wahlkampfes nur träumen.

Kämpfen bis aufs Messer

Weil Abascals Rechtspopulisten bisher noch nicht im spanischen Parlament sitzen, waren sie von den staatlichen Wahlbehörden von der TV-Runde ausgeschlossen worden. Dort beharkten sich neben dem Sozialisten Sánchez und dem Konservativen Casado noch der Chef der linksalternativen Partei Podemos (Wir können) und der Vorsitzende der bürgerlich-liberalen Ciudadanos (Bürger), Albert Rivera.

Einen klaren Sieger gab es im TV-Ring nicht. Genauso wenig wie die bisherigen Umfrageergebnisse verlässliche Rückschlüsse auf die künftige Regierung zulassen. Mangels eindeutiger Mehrheiten bekämpften sich die Spitzenkandidaten in den letzten Wochen bis aufs Messer. „Alles Lüge“, empörte sich Sánchez, nachdem ihm die beiden konservativ-bürgerlichen Rivalen vorwarfen, geheime Zugeständnisse an Kataloniens Separatisten gemacht zu haben. „Sánchez will Spanien stückchenweise verkaufen“, behauptete Oppositionsführer Casado.

Wahrheit ist das erste Opfer im Wahlkampf

Der immer noch brodelnde Unabhängigkeitskonflikt in Katalonien überschattete durchweg diese heftige Wahlschlacht, in der die Wahrheit das erste Opfer war. Nach dem TV-Wahlduell veröffentlichte El País, Spaniens größte Zeitung, eine aufschlussreiche Dokumentation über die in der Debatte geäußerten Unwahrheiten. Insgesamt wurden 26 falsche Aussagen aufgespießt. Allein 15 stammten vom konservativen Oppositionschef Casado, der seine traditionsreiche Volkspartei spürbar nach rechts rückte, um den Aufstieg der Vox-Partei zu bremsen, die sich vor allem aus unzufriedenen konservativen Wählern speist.

In Sachen Aggressivität ging jedoch in den letzten Wochen niemand so weit wie der ultrakonservative Vox-Chef Abascal. Er beschimpfte Regierungschef Sánchez wegen seiner Dialogpolitik mit Kataloniens Unabhängigkeitsbewegung als „Verräter“ und „Feind Spaniens“, der genauso wie die Separatistenführer vor Gericht gestellt werden müsse.

Eine harte Attacke, die darauf anspielt, dass Sánchez vor zehn Monaten nur dank der Stimmen der Separatistenparteien an die Macht kam, und zwar mit einem Misstrauensvotum gegen den konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Als Gegenleistung forderten die Separatisten damals Fortschritte auf dem Weg zur Unabhängigkeit Kataloniens.

Anspruch auf die Regierungsmacht

Monatelang versuchte Sánchez, mit dem Angebot größerer regionaler Autonomie den Konflikt zu entschärfen. Doch er stellte zugleich klar, dass eine Abspaltung Kataloniens auch mit ihm nicht zu haben sei. Deswegen ließen die katalanischen Parteien im Februar Sánchez’ Staatshaushalt im Parlament durchfallen – woraufhin Sánchez Neuwahlen ausrief. In der Hoffnung, seine Mehrheit ausbauen und künftig ohne Hilfe der Separatisten regieren zu können.

Nach den Umfragen scheint Sánchez’ Rechnung aber nicht aufzugehen. Ihm wird zwar ein Wahlsieg vorausgesagt – aber mit den prognostizierten 30 Prozent auf niedrigem Niveau, sodass ihm vermutlich nichts anderes bleiben wird, als eine Neuauflage seiner bisherigen Wackelregierung zu versuchen. Wie bisher unterstützt von Podemos, die in den Prognosen bei etwa 14 Prozent gesehen werden, und den kleinen baskischen und katalanischen Regionalparteien.

Doch auch Spaniens konservatives Lager erhebt Anspruch auf die Regierungsmacht. Volksparteichef Casado muss zwar mit hohen Einbußen für seine Partei rechnen, die 2016 noch 33 Prozent holte – jetzt werden ihm nur etwa 20 Prozent zugetraut. Doch zusammen mit der Partei Ciudadanos, die bei 15 Prozent gesehen wird, und der Rechtspartei Vox, die ebenfalls ein zweistelliges Ergebnis holen könnte, will er eine rechte Allianz zusammenschmieden. So wie in der Region Andalusien, wo dieses konservative Dreierbündnis bereits im Dezember die Sozialisten nach vier Jahrzehnten Dauerregierung von der Macht vertrieb.