Spanien: Ein Rechtsextremer wollte Premierminister Pedro Sánchez erschießen

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Er war ein Waffennarr, besaß mehrere Präzisionsgewehre, verkehrte in rechtsextremen Kreisen und er wollte Spaniens sozialistischen Regierungschef Pedro Sánchez (46) erschießen.

Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze

Ein Hinweis aus der Bevölkerung verhinderte offenbar, dass der 63-jährige Extremist seinen Attentatsplan in die Tat umsetzen konnte. Der Mann, der im privaten Sicherheitssektor beschäftigt war, wurde in der Nähe der Stadt Barcelona festgenommen. Wie mehrere spanische Medien unter Berufung auf die Behörden berichten, wurde der Anschlagsplan bereits Mitte September aufgedeckt, aber auf Bitten der Regierung zunächst geheim gehalten. Polizei und Regierung bestätigten am gestrigen Donnerstag die Verhaftung des Mannes, der in dem nordostspanischen Ort Terrassa festgesetzt worden war. Der Vorfall wurde nun bekannt, nachdem der zuständige Untersuchungsrichter das Ermittlungsgeheimnis aufgehoben hatte.

Der Polizei zufolge wollte der Wachmann den sozialistischen Ministerpräsidenten Sánchez töten, weil dieser die Exhumierung von Spaniens früherem Rechtsdiktator Francisco Franco angeordnet hatte. General Franco war 1975 in einem gigantischen Mausoleum vor den Toren der spanischen Hauptstadt Madrid beigesetzt worden. Die Gruft, die in einer in den Berg getriebenen Basilika im „Tal der Gefallenen“ liegt, ist in den letzten Jahrzehnten zu einem Wallfahrtsort für Europas Rechtsradikale und auch zu einer Touristenattraktion geworden.

Bei dem verhafteten Rechtsextremisten, der von der Polizei als Einzeltäter bezeichnet wurde, handelt es sich offenbar um einen eisernen Franco-Anhänger. In einem WhatsApp-Chat soll er sich damit gebrüstet haben, den „roten“ Regierungschef umbringen zu wollen. „Ich bin bereit, mich für Spanien zu opfern“, schrieb er in der WhatsApp-Gruppe. Eines der Chat-Mitglieder machte die Polizei auf den Mann aufmerksam. In dessen Wohnung fanden die Beamten 16 Feuerwaffen, darunter eine Maschinenpistole, ein Sturmgewehr und vier Präzisionsgewehre. Der Mann hatte als Wachmann und Sportschütze zwar einen Waffenschein, aber nicht für die beschlagnahmten Lang- und Kriegswaffen.

Francos Überreste umbetten

Im Sommer hatte Spaniens Ministerpräsident Sánchez, der seit Juni im Amt ist, angekündigt, dass die sterblichen Überreste Francos in ein öffentlich nicht zugängliches Grab an einem diskreten Ort gebracht werden sollen. Die geplante Umbettung verzögert sich jedoch, weil die Familie des Ex-Diktators und die einflussreiche Franco-Stiftung Widerspruch einlegten und Bedingungen stellen. So will die Franco-Familie einer Exhumierung nur zustimmen, wenn der Sarg Francos in Madrids Kathedrale gleich neben dem Königspalast überführt und dort mit militärischen Ehren beigesetzt wird – was Spaniens Regierung ablehnt.

Der Plan der Umbettung entzweit auch die spanische Gesellschaft. Mehreren Umfragen zufolge halten etwa 40-50 Prozent der Bevölkerung die Exhumierung des früheren „Führers von Spanien“ nicht für vorrangig und glauben, dass dies nur alte Wunden aufreißen würde. Im September hatte Spaniens Parlament der Exhumierung mit den Stimmen der Sozialisten, der linksalternativen Bewegung Podemos („Wir können“) und der Regionalparteien aus Katalonien und dem Baskenland zugestimmt. „Keine Demokratie kann es sich leisten, Denkmäler zu haben, die eine Diktatur verherrlichen“, erklärte Ministerpräsident Sánchez. Die konservative Volkspartei und die liberale Partei Ciudadanos („Bürger“) hatten sich der Stimme enthalten.

Während der bis 1975 dauernden Franco-Herrschaft war die linke Opposition systematisch verfolgt worden: Mehr als 100.000 linke Regimegegner waren während des von Franco angezettelten Bürgerkriegs (1936-1939) und in der nachfolgenden Diktatur hingerichtet worden. Nach dem Ende der Diktatur 1975 beschloss Spaniens Parlament eine Generalamnestie für die Verantwortlichen des Franco-Regimes, die Menschenrechtsverbrechen der Diktatur sind deswegen bis heute nicht juristisch aufgearbeitet worden.