Sound auf Sound: Was die jüngsten Grundsatzurteile für das Sampling in Luxemburg bedeuten

Sound auf Sound: Was die jüngsten Grundsatzurteile für das Sampling in Luxemburg bedeuten

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Untätigkeit kann man dem Europäischen Gerichtshof nicht vorwerfen: Anfang der Woche verkündete er nämlich gleich zwei Grundsatzurteile in Sachen Urheberrecht. Eines im Fall „Metall auf Metall“, in dem sich die Gruppe Kraftwerk und der Musikproduzent Moses Pelham gegenüberstehen und ein weiteres in der Rechtssache Spiegel online/ Volker Beck. Das Tageblatt hat mit dem Verantwortlichen der luxemburgischen Sacem, Marc Nickts, gesprochen, um herauszufinden, was die Entscheide für Musiker hierzulande bedeuten.

Von Luc van den Bossche

Daniel ist Musiker. Bislang eher nebenbei, aber er träumt davon, eines Tages ganz groß herauszukommen. Wie viele hierzulande hat er als Kind eine Musikschule besucht und ein klassisches Instrument erlernt. Das aber war dann doch nicht so richtig seines. Auch nicht das Spielen in einer der vielen Bands, die in seinem Freundeskreis entstanden sind. Seine Leidenschaft hat er erst vor ein paar Jahren entdeckt: das Arbeiten mit elektronischer Musik. Wie im Hip-Hop ist hier das Benutzen sogenannter Samples ein großer Bestandteil des kreativen Prozesses.

Sampling ist einfach gesagt, das Verarbeiten von existierenden Musikaufnahmen zu neuen Werken. Das kann in der Praxis ganz unterschiedlich ausfallen: Es können zum Beispiel einfach Musikstücke aufeinander gelegt, Refrains in andere Lieder eingebaut oder nur ein Akkord oder ein Rhythmusteil übernommen werden. Und das alles in verschiedenen Verfremdungsgraden.

So oder so ist diese Technik, die vor allem durch ihren Einsatz im Hip-Hop popularisiert wurde, problematisch, da fast immer mit den Erzeugnissen anderer gearbeitet wird. Dadurch entsteht ein Konflikt zwischen Kreativität und Kunstfreiheit auf der einen und dem Recht auf geistigen Besitz auf der anderen Seite.

Europaweite Richtlinien für Sampling

Wie muss sich Daniel nun anlegen, wenn er bald seine erste Platte herausbringen möchte, auf der er so manches Sample verarbeitet hat? Im Prinzip sei das recht einfach, meint Marc Nickts von der Luxemburger „Société des auteurs, compositeurs et éditeurs de musique“, kurz Sacem. Diese kümmert sich hierzulande um Urheberrechtsfragen in der Musikbranche.

„Entweder ist das Sample nicht eindeutig erkennbar oder, wenn man klar heraushört, woher es stammt, muss man das mit den ursprünglichen Urheber abklären.“ Im ersten Fall greife nämlich die Kunstfreiheit, im zweiten habe das Recht auf geistiges Eigentum Vorrang. Sollte ein Musiker es jedoch versäumen, den Urheber um Erlaubnis zu fragen und das Sample trotzdem benutzen, macht er sich strafbar.

Aus der Sicht der Sacem ändern die Urteile nur wenig, da es sich erstens „nur“ um Grundsatzurteile handelt und zumindest im Fall „Metall auf Metall“ noch vom Deutschen Bundesgerichtshof ein Urteil gesprochen werden muss. Und zweitens sei im Hip-Hop das „Licensing-clearing“, das Klären der Urheberrechtslagen im Vorfeld, ohnehin gang und gäbe. Im Großen und Ganzen seien die Urteile jedoch durchaus positiv zu werten, da sie zumindest Richtlinien für Sampling liefern, so Nickts. Vorher hätte man in jedem Fall „klären“ müssen, jetzt nur noch wenn das Sample „erkennbar“ genug ist. Tatsächlich gab es bislang auf EU-Ebene weder Richtlinien für Sampling noch eine klare Definition der Technik.

Doch so einfach das alles in der Theorie klingt, in der Praxis kann es deutlich komplizierter werden. Denn auch wenn Daniel nur einen Tonschnipsel wie etwa den Klang einer Trommel benutzt oder eine Melodie stark genug verändert, bleibt er rechtlich angreifbar: Sollte der Urheber der Aufnahmen seine Arbeit trotz allem wiedererkennen und beweisen können, dass es sich um sein geistiges Eigentum handelt, kann er gegen Daniel vorgehen. Und sogar dann ist die „Erkennbarkeit“ eines Samples nicht wirklich klar definiert, sodass, im Falle eines Rechtsstreits, viel vom Ermessen des Richters abhängt.

Unterschiedliche Urheberrechte

Hinzu kommt, dass auch das „droit d’auteur“ an und für sich etwas komplexer ist, als man als Laie annehmen könnte. „Beim ‚droit d’auteur‘ handelt es sich eigentlich um zwei Rechte“, erklärt Nickts, „einerseits das Recht, das sich auf das ‚Ungreifbare‘ bezieht, auf das geistige Eigentum also, und andererseits das Recht an ‚Greifbarem‘, an einer bestimmten Aufnahme zum Beispiel.“ Dass in der Musikindustrie zudem so viele Akteure aktiv sind, von Urhebern über Interpreten bis hin zu Labels und Produzenten, macht das Ganze nicht einfacher. Das Urheberrecht gilt erst dann vollständig, wenn ein Werk auch veröffentlicht wird. Es ist zwar möglich, ein unveröffentlichtes Werk schützen zu lassen, allerdings genießt es dann nicht den vollen rechtlichen Schutz, der geistigem Eigentum, das der Allgemeinheit zugänglich gemacht wurde, zukommt.

Dieser Teil des Urheberrechts bleibt in der Regel beim Künstler. Der Teil, über den beispielsweise ein Label verfügt, lässt sich eher als eine Art „Verwertungsrecht“ verstehen. Bei Zitaten verhält sich die Lage noch einmal anders: Diese sind nur erlaubt, wenn es sich um eine „klare“ Hommage an das Original handelt.

Aber zurück zu Daniel. Für ihn besteht eigentlich zunächst kein Problem. Denn die Samples, die er auf seinem ersten Tonträger verarbeitet hat, stammen allesamt von Bands aus seinem Freundeskreis. Und die erlauben im die Nutzung gerne, denn sie fühlen sich erst einmal geschmeichelt, dass er mit ihren Tracks arbeitet. So weit alles ganz legal also. Nur von den Covern bekannter Songs, die sie eingeprobt haben, lässt er lieber die Finger. Denn da müsste er die Lage nicht nur mit den Interpreten, sondern auch mit den „Urhebern“, also den Musikern, von denen das Original stammt, abklären. Er kann sich somit ruhigen Gewissens auf seine erste große Veröffentlichung vorbereiten. Und vielleicht wird ja eines Tages jemand seine Arbeit sampeln.

Die Handlung und die handelnde Person sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.


Der Fall „Metall auf Metall“

Der Rechtsstreit um eine kurze Rhythmussequenz aus dem Song „Metall auf Metall“ (1977) von der deutschen Elektro-Gruppe Kraftwerk dauert nun schon 15 Jahre an. Der Musikproduzent Moses Pelham hatte das zweisekündige Sample 1997 für das Stück „Nur mir“ von Sabrina Setlur verwendet. Dagegen hatte Kraftwerk 2004 Klage eingereicht und durch die Instanzen bis zum Bundesgerichtshof Erfolg. Es ist jetzt das dritte Mal, dass sich die deutschen Gerichte mit dem Fall befassen mussten. Das deutsche Verfassungsgericht hatte das Verfahren mit einigen konkreten Fragen an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet, da seiner Ansicht nach in den vorangegangenen Entscheidungen die Kunstfreiheit nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Marc Nickts meint, dass man sich den langwierigen Rechtsstreit hätte sparen können, wenn Pelham nur denselben Rhythmus selbst aufgenommen hätte. Das letzte Wort in der Angelegenheit hat nach wie vor der Bundesgerichtshof, der sich bislang noch nicht wieder dazu geäußert hat. Es bleibt also spannend.