So wird das kulturelle Erbe in Luxemburg geschützt und gefördert

So wird das kulturelle Erbe in Luxemburg geschützt und gefördert
Foto: Editpress/Tania Feller

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Simone Beck ist die Vorsitzende der Unesco-Kommission in Luxemburg. Ihr gefällt besonders die Idee, dass das Weltkulturerbe der gesamten Menschheit gehören soll. Das Tageblatt hat sich mit ihr über die Arbeit der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur unterhalten und über die Schwerpunkte der letzten Jahre.

Tageblatt: Wie sieht die Arbeit der Unesco-Kommission aus?
Simone Beck: Die Komission besteht in ihrer jetzigen Form seit 2015. Die 26 Mitglieder haben ein Mandat von vier Jahren, das diesen September ausläuft. Sie stammen aus Ministerien, Institutionen oder auch aus NGO, die im Zuständigkeitsbereich der Unesco arbeiten. Die Unesco ist die einzige Organisation der UN, die mit nationalen Kommissionen arbeitet. Im Prinzip trifft sie sich dreimal pro Jahr.

1994 wurde Luxemburg-Stadt zum ersten Mal von der Unesco gewürdigt.
Die vorherige Kommission hat sich vor allem auf die kulturellen Unesco-Programme fokussiert. 1994 wurden die Befestigungsanlagen der Hauptstadt sowie die historischen Stadtviertel in das Unesco-Weltkulturerbe aufgenommen. Ab Dezember dieses Jahres wird das 25-jährige Jubiläum gefeiert. Dazu werden nicht nur festliche Veranstaltungen organisiert, sondern auch Kolloquien und vieles für Kinder, um diese Silberhochzeit zu begehen.

Neun Jahr später ging es weiter.
Die Ausstellung „Family of Man“ in Clerf wurde 2003 in das Register „Memory of the World“ aufgenommen. Darin befinden sich historische Archive, Handschriften, aber auch Patente wie der erste Motor von Benz oder auch Partituren. 2010 schließlich wurde die Echternacher Springprozession auf die Liste des immateriellen Erbes gesetzt. Die Voraussetzung, um auf diese Liste zu kommen, ist ein Platz in einem nationalen Inventar. Die „Oktav“, die „Éimaischen“ und die „Schueberfouer“ sind ebenfalls in diesem Inventar vertreten. Unter der letzten Regierung wurde der Wunsch ausgedrückt, dass das immaterielle Luxemburger Kulturleben viel mehr Anerkennung verdient und verstärkt in die Öffentlichkeit kommen soll – wir haben dies stark unterstützt.

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Wie kann das umgesetzt werden?
Zum Beispiel über die Internetseite www.iki.lu, die letztes Jahr ins Leben gerufen wurde. Das Tolle daran ist, dass es richtig nach der Bottom-up-Methode funktioniert. Falls es in einer Ortschaft eine Tradition gibt, die schon lange besteht und weiter am Leben gehalten wird, kann eine Privatperson uns kontaktieren. Es wurden jetzt zwei Bewerbungen gutgeheißen, damit können sie an einer multinationalen Kandidatur teilnehmen. Das eine sind die Kompetenz, Fertigkeit und Technik der Trockenmauer. Eine andere ist die Kunst des Jagdhornblasens. Es ist schön zu sehen, dass diese Praktiken nicht an der Grenze aufhören, sondern dass sich ein paar Länder zusammenschließen.

Es gibt auch Netzwerke bei der Unesco, die sich mit Bildung beschäftigen.
Das ist das „Réseau des écoles associées de l’Unesco“. Weltweit haben sich 10.000 Institutionen dem Netzwerk angeschlossen. In Luxemburg gehören elf Schulen dazu: drei Grundschulen und acht „Lycées“. Im Universitätsbereich existieren Unesco-Lehrstühle in diversen Gebieten, die in deren Kompetenzbereich liegen, wie die Kulturforschung, aber auch beim Sport: Ein großer Bestandteil macht sich gegen Doping im Sport stark. Hier in Luxemburg gibt es den Lehrstuhl für Menschenrechte, der bisher ehrenamtlich betrieben wurde. Er wird jetzt in die Universität und in den Arbeitsauftrag einer Lehrkraft integriert.

Neben den Kulturprogrammen gibt es diejenigen im Naturbereich.
Bei einem der Naturprogramme wird nach außergewöhnlichen universellen Werten gesucht. Da sind wir realistisch genug, um zu sagen, dass es in Luxemburg keine solche Landschaft gibt. Doch bei den beiden anderen laufen momentan die Kandidaturen. Die Unesco-Geoparks müssen von internationalem geologischen Interesse sein. Es muss im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung gearbeitet werden: Fortbildungen, Sensibilisierung und die Förderung von lokalen Produkten gehören ebenso dazu. 2017 hat der „Naturpark Mëllerdall“ seine Kandidatur für dieses Programm gestellt. Im späten Frühling wird die definitive Antwort erwartet.

Und dann gibt es noch das MAB.
Das dritte Naturprogramm ist das „Man and Biosphere“ (MAB). Das sind Gebiete, die von der jeweiligen nationalen Gesetzgebung bereits geschützt werden müssen und/oder Natura-2000-Programme der EU. Ich finde, dass die Botschaft verbreitet werden muss, dass Unesco selbst überhaupt keine Auflagen über dieses Gebiet macht. Sie stellt lediglich das Programm mit Rahmenrichtlinien zur Verfügung und hofft, dass die nachhaltige Entwicklung dieses Gebietes ganz oben steht. Die Experten vor Ort waren alle begeistert. Es ist eine urbanisierte Gegend, in der neue Biotope entstanden sind. An solchen Entwicklungen ist die Unesco sehr stark interessiert. Nach 2,5 Jahren intensiver Arbeit hat sich Pro-Sud schließlich bereit erklärt, die Kandidatur zu tragen. Wenn die MAB-Krone kommt, dann ist es eine Ehrung und Wertschätzung für die vielen Initiativen, die es bereits gibt.

Welche Bilanz der letzten vier Jahre ziehen Sie?
Wir haben viel bewegt, um die Unesco als Organisation, ihre Ziele und Programme bekannter zu machen. Zur Bilanz gehört auch die große Unterstützung vom Kulturministerium.


2010: Die Springprozession

Am 16. November 2010 hat das zwischenstaatliche Komitee einstimmig beschlossen, die Springprozession auf die Liste des immateriellen kulturellen Erbes der Menschheit zu setzen. Das immaterielle Erbe umfasst Traditionen und lebendige Ausdrücke, die von Generation zu Generation weitergegeben werden.

2003: „The Family of Man“

Die Fotoausstellung „The Family of Man“ von Edward Steichen (1879-1973), der luxemburgische Wurzeln hatte, wurde 1955 für das Museum of Modern Art (MoMA) in New York konzipiert. Sie umfasst 503 Bilder von 273 Fotografen aus 68 Ländern. 2003 wurde die Ausstellung in das Register „Memory of the World“ aufgenommen.

1994: Luxemburg-Stadt

Die Unesco beschreibt 1994 die Altstadt und Festung Luxemburgs als vollständige Repräsentation ihrer historischen Bedeutung. Ihre Bastionen und andere Befestigungen kennzeichnen heute noch das Bild der Stadt, wenn sie auch ihre militärische Bedeutung verloren haben. Im Inneren der Festungsmauern wecken, laut Unesco, die schmalen Gässchen Erinnerungen an die schwierigen Lebensbedingungen der mittelalterlichen Stadtgefüge. Die Unesco-Spaziergänge zeigen diesen authentischen Charakter und lassen die Hauptstadt in einem neuen Licht erscheinen. Das Weltkulturerbe wird von der nationalen Gesetzgebung und durch die Stadt Luxemburg verwaltet. Seit 2017 wird deswegen ein Unesco Site Manager eingesetzt, der für die Koordination und Sensibilisierung verantwortlich ist wie auch für die Planung der verschiedenen Events. 2017 umfasste die Liste des Weltkulturerbes 832 Kulturgüter, 206 Naturdenkmäler und 35 gemischte Güter – mit 55 Einträgen auf der Liste des gefährdeten Erbes.

 

roger wohlfart
12. Februar 2019 - 16.26

Kulturerbe Springprozession: der älteste und einzige religiöse Volks-resp.Strassentanz der Welt unter erzbischöflichem Protektorat.