Was für ein Fußball-Tag: Vor 80 Jahren feierte Luxemburg den einzigen Sieg über Deutschland

Was für ein Fußball-Tag: Vor 80 Jahren feierte Luxemburg den einzigen Sieg über Deutschland

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

An diesem Dienstag vor genau 80 Jahren feierte die Luxemburger Fußball-Nationalelf den bisher einzigen Sieg über Deutschland. Vor rund 8.000 Zuschauern gewann sie auf dem Differdinger Thillenberg mit 2:1, wobei Léon Mart die beiden Tore für die FLF-Auswahl erzielte.

Von Petz Lahure

Wir schreiben das Jahr 1938. Hitler lässt 65.000 Soldaten in Österreich einmarschieren, um den Anschluss an das Deutsche Reich zu vollziehen. Im Oktober besetzen die deutschen Truppen das Sudetenland, einen halben Monat später kommt es bei der sogenannten „Reichskristallnacht“ zur Zerstörung von jüdischen Synagogen, Institutionen und Geschäften. Hitler hat die Arisierung eingeleitet, die Juden sollen erst einmal „aus dem deutschen Wirtschaftsleben ausgeschaltet“ werden. Zu Beginn des Jahres 1939 schließt Hitler einen Weltkrieg nicht mehr aus. Er verheißt die „Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“. Der alte Kontinent hat Angst, Luxemburg fürchtet, ein zweites Mal von seinem östlichen Nachbarn überrollt zu werden.

Unter diesen politischen Vorzeichen findet am 26. März 1939 das Länderspiel Luxemburg – Deutschland statt. Luxemburg hatte in den Dreißigerjahren einige gehörige Klatschen vom deutschen Nachbarn einstecken müssen, 1934 im WM-Qualifikationsspiel gab es ein 1:9, zwei Jahre später bei den Olympischen Spielen in Berlin gar ein 0:9 und einige Monate danach in Krefeld ein 2:7. Ein wenig Balsam auf die Seele waren die vertretbaren Niederlagen wie das 0:1 am 25.8.35 in Luxemburg, das 2:3 am 21.3.1937 ebenfalls in Luxemburg und das 1:2 am 20.3.1938 in Wuppertal.

„Café des sports“

Zum Länderspiel vom 26. März hat Deutschlands „größte Fußball-Illustrierte“ Der Kicker einen Sonderberichterstatter nach Luxemburg geschickt. Er kommt via Lothringen „über hügeliges Land, ehe der Schnellzug an den trutzigen Mauern des Deutschen Tores in den Metzer Bahnhof einläuft“. Dort hat er keine Verständigungsprobleme. „Noch immer schmecken die Hörnchen in den Patisserien und antworten die Beamten in gutem Deutsch“, stellt er fest und ist erstaunt, dass dem Meisterschaftsspiel Racing Paris – FC Metz mehr Bedeutung beigemessen wird als dem Länderspiel Luxemburg – Deutschland. Weiter geht es Richtung Großherzogtum. „Dreimal durchschneidet der Schienenstrang die Maginotlinie, schon sehen wir die Hochöfen von Esch und in nebeliger Ferne auch jene von Düdelingen. Wie in Westfalen und Oberschlesien, so gedeiht auch im Lande Luxemburg Fußballbegeisterung im Schatten der Hochöfen am besten.“

Der Mann vom Kicker geht auf Informationstour. „Nur halb so viele Einwohner wie das benachbarte Saarland, kleiner als Mannheim oder Nürnberg, ist Luxemburg doch groß im Sport. Wer mit dem Auto durch die schöne und oft bizarr-romantische Landschaft zwischen Mosel und Sauer fährt, wundert sich zunächst, dass jedes dritte Estaminet den schmückenden Beinamen eines ‚Café des sports‘ trägt. Der Luxemburger ist schnell und gern begeistert. Radrennen und Fußball stehen am höchsten im Kurs. Der Länderkampf mit dem großen Deutschland schmeichelt dem Ehrgeiz der Weltbürger in besonderer Weise.“

„Abee jo!“ Dieser Nation wollen die freiheitsliebenden Luxemburger es ein für alle Mal auf dem Fußballplatz zeigen. Die Begegnung beginnt denkbar schlecht für unsere Farben, denn schon in der 2. Minute bringt Victor Remy den deutschen Rechtsaußen Malecki an der Strafraumgrenze zu Fall. Noch ehe sich die Luxemburger „Mauer“ richtig aufgestellt hat, schießt Mittelstürmer Hänel den Freistoß aus 18 m unerreichbar für den legendären Jeunesse-Keeper Jemp Hoscheid ins Netz. Reichstrainer Sepp Herberger darf sich freuen. Kurze Zeit später noch einmal Hochalarm im Luxemburger Strafraum, doch Pöhler trifft nur den Pfosten. Danach befreit die Luxemburger Mannschaft sich langsam, aber sicher aus der Umklammerung und kommt in der 22. durch den gewitzten Fola-Mittelstürmer Léon Mart zum Ausgleich.

Mehr als nur ein sportlicher Sieg

Nach der Pause hält der Druck der Luxemburger an. Flotho im deutschen Tor zeigt großartige Paraden und scheint nicht mehr bezwingbar. Als aber Gusty Kemp sich wenige Minuten vor Schluss auf links durchkämpft und zur Mitte flankt, steht Léon Mart ein zweites Mal parat, um einzuschießen. Der viel umjubelte Sieg ist perfekt. Nach dem Abpfiff stürmen die überglücklichen Zuschauer das Feld, sie drücken den Spielern vor Freude sogar Geldscheine in die Hand. Der zweifache Torschütze Léon Mart (1914-1984), ein Lebemann, der später in Esch/Alzette einen Kohle- und Ölhandel betreibt, erzählt bei jeder passenden Gelegenheit, nie so viel Geld in der Tasche gehabt zu haben als genau an diesem denkwürdigen 26. März 1939.

Der Berichterstatter des Kicker schreibt von einem „verdienten Luxemburger Sieg“ und einer Leistung, die „sogar den anwesenden Deutschen, die aus Trier und aus dem Saargebiet in einigen Hundertschaften erschienen waren, darunter auch der Bürgermeister der Stadt Saarbrücken, imponierten“. Für Luxemburg bedeutet das 2:1 vom Thillenberg mehr als nur einen sportlichen Sieg. Das Tageblatt bringt es auf den Punkt: „In unserm regelmäßigen internationalen Spielbetrieb macht uns wohl kein Erfolg mehr Freude als dieser. Und fürwahr, es ist ein Stück, die Mannschaft Deutschlands, das in seinen jetzigen Ausmaßen an die zwei Millionen Fußballer zählt, verdient zu schlagen. Drum, bravo ihr elf Luxemburger Jungens.“

rowo
27. März 2019 - 15.38

Ein historischer Sieg, David gegen Goliath. Die Luxmburger Spieler hätten, besonders aus dem Nachhinein betrachtet, allesamt die höchste sportliche Auszeichnung ihres Landes verdient