StudieSind Fußballspiele im Freien für Corona-Infektionen ungefährlich?

Studie / Sind Fußballspiele im Freien für Corona-Infektionen ungefährlich?
Körperkontakt lässt sich beim Fußball nicht vermeiden – Wissenschaftler der Universität Aarhus wollen aber berechnet haben, dass das Infektionsrisiko bei Spielen im Freien dennoch sehr gering sei Archivfoto: Wildson Alves

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Am 27. April gab die FLF bekannt, die Saison der Fußballer vorzeitig abzubrechen. Forscher der Universität Aarhus in Dänemark wollen nun berechnet haben, dass das Corona-Infektionsrisiko bei Fußballspielen im Freien sehr gering sei. Eine Studie, die Fußballern Hoffnung macht – zumindest denen, deren Saison noch nicht abgebrochen wurde. Dr. Axel Urhausen, der seit 2004 Chef des „Service de médecine du sport et de prévention“ der Sportklinik in Eich ist, hat sich die Studie genauer angeschaut – ist der Saisonabbruch der FLF überhastet oder ist die Studie der Dänen bloße Makulatur?

Selten wurde der Fußball so schmerzlich vermisst wie zurzeit. Das letzte Spiel der BGL Ligue datiert vom 8. März 2020. Fast zwei Monate ist es her, dass in Luxemburg Last-Minute-Siege gefeiert wurde, fast zwei Monate, dass man zusammen mit den Freunden und Kollegen über die schönste Nebensache der Welt philosophieren konnte. Für diese Saison war es das, gab die FLF vor etwa einer Woche bekannt – doch dänische Forscher behaupten nun: Bei Fußballspielen im Freien bestehe nur ein geringes Corona-Infektionsrisiko. War die FLF also zu voreilig oder sind die wissenschaftlichen Thesen der Forscher eher utopisch?

Wissenschaftler der Universität in Aarhus behaupten, dass wenn ein infizierter Fußballer auf dem Platz stünde, sich andere Spieler nur eine Minute und 28 Sekunden in dessen unmittelbarer Umgebung aufhalten. Bis heute ist bekannt, dass 15 Minuten in der Nähe einer infizierten Person als relevantes Infektionsrisiko gelten. Um den Wert der Fußballer auszurechnen, wurden die Bewegungen der Spieler in 14 Partien der dänischen Superliga analysiert und als Grundlage der Berechnungen genommen. Das teilt das größte dänische Wissenschaftsmagazin videnskab mit. Die Studie wurde noch nicht veröffentlicht, doch der Redaktion des Magazins liegt sie vor. 

„Ergebnisse sind logisch“

Für die Studie wurde vorgespielt, dass ein Fußballer mit dem Coronavirus infiziert sei. Durchschnittlich war er mit den anderen Sportlern auf dem Rasen eineinhalb Minuten im direkten Kontakt, also weniger als zwei Meter entfernt. Einfach wird es, wenn sich mehrere infizierte Spieler auf dem Fußballplatz befinden würden: Dann ließe sich das Ergebnis multiplizieren. Bei zwei Infizierten läge die durchschnittliche Kontaktzeit bei drei Minuten; gäbe es drei Infizierte, wären es viereinhalb Minuten, erklärt Professor Thomas Bull Anderson, einer der Autoren der Studie.

„Die Ergebnisse der Studie sind logisch“, erklärt Sportmediziner Dr. Axel Urhausen. „Das bestätigt die Aussagen, dass, zumindest beim Fußball, die Zuschauer gefährdeter als die Spieler sind, sich anzustecken.“ Auch der dänische Virologe Allan Ran­drup Thomsen, der nicht an der Studie beteiligt war, bestätigt gegenüber viskab: „Im Fuß­ball hat man nor­ma­ler­weise nur kurz­fris­tigen Kör­per­kon­takt, daher denke ich, dass es ziem­lich sicher ist, zu spielen.“

Doch bei jeglicher statistischen Signifikanz weist die Studie der Dänen auch Probleme auf. So wurde nur die durchschnittliche Kontaktzeit berechnet, die tatsächliche variiert jedoch. „Es ist eine Studie mit Mittelwerten. Je nach Einzelfall kann das abweichen. Bei einer ständigen Manndeckung wird ein Spieler mit Sicherheit mehr als eineinhalb Minuten Kontakt zu seinem Gegenspieler haben“, erklärt Dr. Urhausen. Zudem sollten Fußballer Abklatschen oder gemeinsame Torjubel vermeiden, sich duschen und umziehen dürften sie sich nur noch zu Hause und in die Gegend spucken wäre strengstens verboten – Hygienestandards, die die dänische Studie nicht aufgegriffen hat.

Saisonabbruch als richtige Entscheidung

Auf keinen Fall sei diese Studie laut Dr. Urhausen auf andere Sportarten zu übertragen. In erster Linie seien es vor allem „Outdoor-Sportarten, bei denen das Infektionsrisiko geringer“ sei. „Beim Tennis wären die Bälle beispielsweise der einzige Überträger des Virus. Da könnte man die Bälle, die die beiden Spieler anfassen, markieren.“ Bei Radrennen sei es wiederum schwieriger. Eine belgisch-niederländische Studie besagt, dass Atemtröpfchen erst nach 20 Metern Abstand nicht mehr den nachfolgenden Fahrer treffen könnten – nicht zu vereinbaren mit einem Peloton. Diese Tröpfchen werden von Menschen beim Husten, Sprechen, aber auch beim Ausatmen verteilt.

Der wissenschaftliche Ansatz der Dänen stimmt also, doch die Fußballspieler dem immer noch bestehenden Risiko auszusetzen, scheint sehr weit gegriffen. Zudem betont Dr. Urhausen, dass die Situation in Dänemark nicht mit der Luxemburgs zu vergleichen sei. Schlichtweg, weil das Land mit der Grenze zu Ostfrankreich an ein stark betroffenes Gebiet grenzt. Die skandinavischen Länder blieben vom Coronavirus vergleichsweise verschont. Dass die FLF die Saison also komplett abgebrochen hat, hält Dr. Urhausen für völlig richtig. „Schaut man sich die Pro- und Contra-Argumente an, dann war es die richtige Entscheidung“, sagt er.

Dr. Axel Urhausen gehörte viermal zum Ärztestab des deutschen Teams bei Olympischen Spielen – seit 2004 ist der Luxemburger im CHL tätig
Dr. Axel Urhausen gehörte viermal zum Ärztestab des deutschen Teams bei Olympischen Spielen – seit 2004 ist der Luxemburger im CHL tätig Archivfoto: Editpress/Tania Feller
Gross
8. Mai 2020 - 12.13

Nein, sie sind nicht ungefährlich, laut Betteridge.