Sexuelle Belästigung, Mobbing, Günstlingswirtschaft – Die Details zur Affäre CIGR Syrdall

Sexuelle Belästigung, Mobbing, Günstlingswirtschaft – Die Details zur Affäre CIGR Syrdall
Bei der Beschäftigungsinitiative CIGR Syrdall soll es zu Missmanagement und sexueller Belästigung gekommen sein.  Foto: Editpress/Julien Garroy

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Anfang Oktober hatte die Verwaltung der Gemeinde Contern Anzeige sowohl gegen unbekannt als auch gegen einen leitenden Mitarbeiter des „CIGR Syrdall“ („Centre d’initiative et de gestion régional“) erstattet. Die Vorwürfe reichen von Missmanagement in Sachen Finanzen und Personal über illegale Vorteilnahme bis hin zu sexueller Belästigung. Der langjährige Leiter des „CIGR Syrdall“ und einige Verwaltungsratsmitglieder rücken immer mehr in den Mittelpunkt der Ermittlungen.

Von Roger Infalt

Bei der „Affäre“ rund um das CIGR Syrdall geht es bis jetzt um Verdachtsmomente, die noch nicht bewiesen sind. Auch wenn die Vorwürfe schwer wiegen, gilt bis zu einem eventuellen Gerichtsurteil die Unschuldsvermutung: „Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist so lange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist“, heißt es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Am 13. Oktober zitierte reporter.lu einen Mitarbeiter der Beschäftigungsinitiative CIGR Syrdall wie folgt: „Bei uns laufen schon lange viele Dinge falsch und außerhalb jeglicher Kontrolle.“ Der Mitarbeiter sprach von Mobbing, Günstlingswirtschaft und strukturellem finanziellem Missmanagement. Und er behauptete, die Beschwerden einzelner Angestellter seien den Verantwortlichen der Initiative seit längerem bekannt. Manche von diesen sind nach Meinung des Mitarbeiters sogar für die Missstände mitverantwortlich.

Informanten wollen aus Angst anonym bleiben

Das Tageblatt hat in den vergangenen Tagen den Kontakt mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des CIGR gesucht. Sie pochten aus Angst vor Repressalien aber auf Anonymität. Die Mitarbeiter berichteten von sexueller Belästigung und von unmissverständlichen Fotos und Botschaften, die sie vom Generalkoordinator der Initiative erhalten hätten – bis hin zu erpresstem Geschlechtsverkehr.

Fernand Schiltz (LSAP), Schöffe der Gemeinde Contern und einer der Vertreter der Kommune im Verwaltungsrat des CIGR Syrdall, ist fassungslos. Schiltz hatte bereits im Mai dieses Jahres den Verwaltungsrat über die Vorwürfe mancher Angestellter informiert. „Frauen, die es bereits in ihrem privaten Leben alles andere als leicht haben, wurden allem Anschein nach vom Generalkoordinator der Beschäftigungsinitiative ausgenutzt“, so Schiltz. Er sei damals durch ein Mitglied der Personaldelegation auf die Verdachtsmomente aufmerksam gemacht worden.

Vetternwirtschaft?

Dabei ging es auch um Ungereimtheiten in Bezug auf die Renovierung einer über einen Erbpachtvertrag angemieteten Lagerhalle des CIGR Syrdall in der Gewerbezone „Schaedhaff“. Die Arbeiten sind mit rund 250.000 Euro veranschlagt worden, bereits zum jetzigen Zeitpunkt betragen die Kosten aber mehr als 700.000 Euro – ohne dass der Verwaltungsrat die betreffenden Kostenvoranschläge im Vorfeld zu Gesicht bekommen habe.

Stichwort Kostenvoranschläge: Die Statuten der Beschäftigungsinitiative schreiben für alle geplanten Ausgaben, die 1.500 Euro überschreiten, Kostenvoranschläge von mindestens drei Firmen vor. Im oben genannten Fall wurde laut Tageblatt-Informationen aber lediglich ein Kostenvoranschlag eingeholt – und das bei einer Firma, die einem der Verantwortlichen des CIGR Syrdall nahe stehen soll. Als es deswegen Diskussionen innerhalb der Verwaltung der Initiative gab, wurde ein zweiter Kostenvoranschlag eingeholt, der jedoch höher als der erste ausgefallen sein soll. Viel später habe sich laut Aussagen von Angestellten herausgestellt, dass die zweite Firma eine Tochtergesellschaft des ersten Unternehmens war.

Schockierende Botschaften und Fotos

Bei unseren Gesprächen mit jetzigen und früheren Angestellten sowie mit dem Sicherheitsdelegierten des CIGR Syrdall, der zurzeit krankgeschrieben ist, kamen eindeutige Messenger-Botschaften und Fotos ans Tageslicht (siehe Kasten), die vom Mobiltelefon des Generalkoordinators an beim CIGR Syrdall beschäftigte Frauen verschickt wurden. Hier nur ein Beispiel: „Tu m’excites bébé. On se voit à 16 heures après le travail!“ Das war, laut Aussagen einer Betroffenen, keine Frage, sondern eine Anordnung. „Der Generalkoordinator hat uns des Öfteren lauthals zu verstehen gegeben, dass er allein darüber entscheidet, ob wir weiter bei der Beschäftigungsinitiative unserer Arbeit nachgehen können oder auf die Straße gesetzt werden“, sagt sie.

Für viele der Mitarbeiterinnen sei diese Initiative der rettende Strohhalm, an dem sie sich für eine vom Gesetz bestimmte Zeit festklammern können. „Ohne diese Arbeit, ohne den damit verbundenen Lohn säßen wir auf der Straße“, sagt die Angestellte. „Wenn jetzt Frauen sagen, dass die sexuellen Handlungen mit ihrem Chef in beidseitigem Einverständnis stattgefunden haben sollen, dann sollte man daran denken, welchem überaus großen Druck diese Frauen ausgesetzt waren und nach wie vor sind.“

„Montre-moi tes seins“

Einige der Botschaften, die vom Diensthandy des Generalkoordinators an beim „CIGR Syrdall“ beschäftigte Frauen verschickt worden sein sollen, liegen uns vor. Wir wollen hier aus verschiedenen Gründen nicht den gesamten Inhalt wiedergeben, sondern lediglich einige Beispiele aufzeigen, die die Unmissverständlichkeit dieser Botschaften belegen soll:
– „Tu m’excites bébé“
– „Montre-moi tes seins“
– „Je vais me toucher en pensant à toi“
– „Si j’ai envie de toi c’est clair je me retiens ma belle car je ne veux pas faire de mal à toi ma belle“
– „Effaces tous les messages après o.k. car j’ai peur un jour quelqu’un trouves nos messages ok. stp.“

„Was ich bis heute einfach nicht verstehe, ist die Tatsache, dass bis zum jetzigen Zeitpunkt von der Polizei oder der Justiz in dieser Angelegenheit nichts unternommen wurde, obwohl der Sicherheitsdelegierte und ich selbst bereits am 22. Mai dieses Jahres die Staatsanwaltschaft über die Vorwürfe in Kenntnis gesetzt haben“, sagt Fernand Schiltz. „Wir sollen doch eine Klage einreichen, hieß es damals, dann würde man eine Voruntersuchung machen, Zeugen einbestellen und Aussagen aufnehmen.“ Bis dahin solle aber jeder absolutes Stillschweigen über diese Affäre bewahren, soll Staatsanwalt Georges Oswald am Ende des Treffens bei der Justiz gesagt haben.

Dann habe man lange nichts gehört, erzählt Schiltz am Montag gegenüber dem Tageblatt . Wochen später seien er und der Sicherheitsdelegierte, ein Mitglied der Personaldelegation, vom Präsidenten der Initiative, Mike Hagen, aus heiterem Himmel auf die „Affäre“ angesprochen worden. Der Generalkoordinator sei im Laufe des Gesprächs dazugestoßen – und nach einem kurzen Gespräch habe er die sexuellen Handlungen mit Frauen der Beschäftigungsinitiative zugegeben. „Daraufhin ist abermals nichts unternommen worden“, sagt Schiltz.

Drohgebärden

In der Zwischenzeit haben drei Personen aus der Führungsriege des CIGR Syrdall ihren Rücktritt eingereicht, unter ihnen die Sozialhelferin und die Verantwortliche der Buchhaltung. Eine Mitarbeiterin hat den Generalkoordinator wegen Vergewaltigung angezeigt – obwohl ihr bei einem ersten Besuch bei der Polizei in Luxemburg-Stadt davon abgeraten wurde. Die Begründung des Beamten: Es stünde in solchen Fällen immer Aussage gegen Aussage, deshalb würden solche Klagen im Nachhinein nichts bringen.

Der Personaldelegierte war bei diesem Gespräch ebenfalls anwesend – und bestätigt die Aussage des Beamten. „Ich war sprachlos“, sagt er. „Ich ging aber mit der Frau am nächsten Tag – das war am 15. Juli dieses Jahres – noch einmal zur Polizei.“ Dieses Mal sei es zur Klage gekommen. „Über den weiteren Verlauf dieser Klage kann ich leider nichts sagen – denn auch in diesem Fall ist bis dato nichts passiert“, sagt der Personaldelegierte.

Dossier an die Justiz weitergeleitet

Auf Anfrage hin bestätigte uns Arbeitsminister Dan Kersch am 29.10., dass er ebenfalls mit dieser Angelegenheit befasst wurde. Aufgrund der Schwere der Vorwürfe und der Verdachtsmomente habe er sich aber dazu entschieden, das Dossier gleich an die Justiz weiterzuleiten.

 

Halten wir fest, dass die Gemeinde Contern, die neben Schüttringen, Niederanven, Sandweiler und Junglinster Mitglied des CIGR Syrdall ist, Anfang Oktober Anzeige erstattet hat. Schüttringen und Niederanven haben sich in den vergangenen Wochen ebenfalls eingeschaltet. Der Gemeinderat Junglinster, dem auch der Präsident des CIGR Syrdall, Mike Hagen, als LSAP-Politiker angehört, hat Anfang dieser Woche über seinen Anwalt einen Brief an die Staatsanwaltschaft geschickt, mit der Bitte um eine schnelle Aufklärung dieser Angelegenheit. Aufgrund eines Antrags der beiden DP-Oppositionsräte Malou Gudendorf und Claude Mousel steht die „Affäre“ am 31.10. auf der Tagesordnung einer Sitzung des Gemeinderats aus Sandweiler, die aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.

„Wir werden uns nicht den Drohgebärden des Generalkoordinators beugen und den Mund halten“, so die Tageblatt-Gesprächspartner, die anonym bleiben wollen. Mit dem Satz „Jeder, der etwas gegen mich unternimmt, wird bluten“ versuche diese Person, alle um sich herum einzuschüchtern. „In dem gleichen Zusammenhang findet auf Anordnung dieses Mannes zurzeit eine Unterschriftenaktion innerhalb des CIGR Syrdall statt, bei der die Beschäftigten bestätigen sollen, dass er ein ‚guter Chef‘ sei“, teilen die Informanten mit.

Interne Überprüfung

In einem Schreiben teilte CIGR-Präsident Hagen vergangene Woche mit, dass man in den nächsten Tagen mit einem internen Überprüfungsverfahren beginnen möchte. Man werde die Renovierung bzw. die Finanzierung der Arbeiten an der erwähnten Halle genauestens unter die Lupe nehmen. Außerdem wolle man die Vorwürfe der sexuellen Belästigung bis hin zur Veruntreuung von öffentlichen Geldern untersuchen.

Großarbeiten bei früheren und aktuellen Verwaltungsratsmitgliedern

Eigentlich soll der CIGR eine Hilfe leisten für Bürger, die zu alt oder krank sind, um Arbeiten rund ums Haus zu erledigen. Wie Radio 100,7 berichtet, soll der CIGR bei früheren und aktuellen Mitgliedern des Verwaltungsrats in den vergangenen Jahren große Projekte von bis zu mehreren Hundert Stunden Arbeit umgesetzt haben, teilweise auch zu reduzierten Tarifen.

Radio 100,7 berichtet am Mittwochmorgen (30.10.): „Am Juni-Juli 2012 huet de CIGR Aarbechte beim Mike Hagen senger Mamm gemaach. Zum Zäitpunkt vun den Aarbechten huet den aktuelle President vum CIGR op der selwechter Adress gewunnt wéi si.“ Rechnungen, die 100,7 vorlägen, zeigten, dass „bannent annerhallwem Mount ronn 87 Aarbechtsstonnen zu engem reduzéierten Tarif vu 7.83 Euro ouni TVA do gemaach goufen“.

Arbeiten dieses Ausmaßes seien aber schon wegen ihres zeitlichen Umfangs problematisch, zitiert der Radiosender Claude Marson, LSAP-Schöffe der Gemeinde Schüttringen und Mitglied des Verwaltungsrats. Prinzipiell gelte nämlich die Regel: „Mehr als vier Stunden pro Woche soll der CIGR nicht bei der gleichen Person arbeiten.“

Für Arbeiten am Wohnhaus von Léon Müller, CSV-Gemeinderat von Sandweiler und zu dieser Zeit Verwaltungsratsmitglied, seien 105 Stunden zu einem reduzierten Stundentarif Ende Juni bis Ende Dezember 2012 verbucht worden. 395 Arbeitsstunden habe der CIGR dem Schatzmeister und früheren CSV-Bürgermeister von Sandweiler John Breuskin 2011 an 2012 verrechnet.

 

In einer ersten Fassung dieses Beitrags stand, die Rechnungen seien auf Mike Hagen ausgestellt worden. Richtig ist aber, dass 100,7 nur gemeldet hat, dass ihnen Rechnungen vorliegen, die beweisen, dass Arbeiten am Haus seiner Mutter vorgenommen wurden. Wir bitten um Entschuldigung für diesen Fehler.

Gerard
30. Oktober 2019 - 19.20

Beim RTL sin vill Kommentarer iwert den sujet rankomm,an dei sen mettlerweil alleguer nett mei online?

Klar
30. Oktober 2019 - 18.13

Die Christlichen sind doch gar nicht mehr an der Macht.

Jangeli
30. Oktober 2019 - 17.49

An der Quelle sass der Knabe. Armselige Verwaltungsrat-Gestalten, jeder Kommentar überflüssig.

Gerard
30. Oktober 2019 - 17.09

Daat wärd nemmen Spezt vun Äisbierg sin,nemmen gut dasen mer net alles wessen,

Michel
30. Oktober 2019 - 15.23

Schon komisch dass es immer Leute derselben Parteien sind die in solche Machenschaften verwickelt sind. Hauptsächlich jene Parteien die dem Rest der Welt vorschreiben wollen wie man zu leben hat !!!

John
30. Oktober 2019 - 12.17

Déi Cigl sinn an waren eng formidabel Saach fir esou allerhand ze maachen...