Serbischer Politiker in Kosovo erschossen

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In der ethnisch geteilten Stadt Mitrovica wird Ivanovic von fünf Kugeln getroffen. Ein Mord, der das Land und den Balkan destabilisieren könnte.

Ein Mordanschlag hat am Dienstag das Kosovo erschüttert: Unbekannte erschossen am Morgen Oliver Ivanovic, einen der wichtigsten serbischen Politiker in der Region. Nach Angaben seines Anwalts und der Polizei wurde der als moderat geltende Politiker am Morgen bei seinem Eintreffen vor der Parteizentrale in der nördlichen Stadt Mitrovica von fünf Kugeln getroffen, die von einem Auto aus abgefeuert wurden.

Der Mord droht die ethnischen Spannungen in der Region erneut zu verschärfen. „Ich bin darüber informiert worden, dass er an Ort und Stelle erschossen wurde und Bemühungen, ihn im Krankenhaus von Mitrovica wiederzubeleben, erfolglos geblieben sind“, sagte Ivanovics Anwalt, Nebojsa Vlajic, der Nachrichtenagentur AFP.

Schüsse aus Auto heraus

Örtliche Medien berichteten unter Berufung auf die Polizei, es sei ein ausgebranntes Auto gefunden worden, von dem aus mutmaßlich die Schüsse auf den 64-jährigen abgegeben wurden. Staatsanwalt Shyqri Syla sagte AFP, es sei unklar, wer hinter dem Mord stecke. Ermittler seien vor Ort.

Ivanovic war ein früherer serbischer Staatssekretär und hochrangiger Vertreter der serbischen Minderheit im Norden der ehemaligen serbischen Provinz Kosovo. In der von Unruhen geprägten, ethnisch geteilten Stadt Mitrovica galt er als moderater Politiker. Im vergangenen Jahr hatte er einen Vize-Posten im Stadtrat von Nord-Mitrovica erhalten. Die Stadt hat 85.000 Einwohner. Mit 72.000 Einwohnern stellen die ethnischen Albaner die Mehrheit, der serbischen Minderheit gehören gehören 13.000 Bewohner der Stadt an.

„Kriminelle, terroristische Tat gegen das gesamte serbische Volk“

Die Ermordung Ivanovivs erfolgte an dem Tag, an dem Belgrad und Pristina nach mehr als einem Jahr Stillstand wieder Gespräche über die Normalisierung ihrer Beziehungen aufnahmen. Der für das Kosovo zuständige serbische Regierungsvertreter, Marko Djuric, bezeichnete den Mord als „kriminelle, terroristische Tat gegen das gesamte serbische Volk“. Wer auch immer dafür verantwortlich sei, „ob Albaner, Serben oder andere Kriminelle“, müsse bestraft und zur Rechenschaft gezogen werden, sagte Djuric in Brüssel, wo er die Delegation für die Gespräche mit den Kosovo-Albanern leitete.

Medien in Belgrad berichteten, die serbische Delegation habe die Gespräche nach der Nachricht von dem Attentat verlassen. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic berief eine Dringlichkeitssitzung des Nationalen Sicherheitsrates ein, wie der staatliche Sender RTS berichtete. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verurteilte den Mord in Telefonaten mit Vucic und dem Präsidenten des Kosovo, Hashim Thaci. Die Täter müssten gefunden und bestraft werden, forderte Mogherini. Sie rief alle Seiten zu Zurückhaltung auf.

Bewegte Geschichte

Die Nato hatte im Sommer 1999 in den Kosovo-Konflikt eingegriffen und die serbischen Streitkräfte mit Luftangriffen zum Rückzug aus der damaligen südserbischen Provinz gezwungen. 2008 spaltete sich das mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnte Kosovo von Serbien ab. Mehr als 110 Länder erkennen die Unabhängigkeit des Balkanlandes an. Serbien lehnt dies nach wie vor ab.

Unter dem Druck der internationalen Gemeinschaft und der Schirmherrschaft der EU versuchen das Kosovo und Serbien seit 20 Jahren, ihre Beziehungen zu normalisieren. Rund 120.000 der 1,8 Millionen Einwohner des Kosovo sind ethnische Serben. Ivanovic war 2015 von einem Gericht im Kosovo zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Er wurde für schuldig befunden, serbische Paramilitärs im Jahr 1999 zur Tötung von albanischen Kosovaren angestiftet zu haben. Im Februar 2017 kippte ein Berufungsgericht in Pristina das Urteil und ordnete einen neuen Prozess an.

Moderater Politiker

Von Januar 2014 bis zur Entscheidung des Gerichts befand Ivanovic sich in Haft. Nach dem Krieg war Ivanovic ein wichtiger Vermittler in den Gesprächen mit der Nato, der UNO und der EU. Er trat für einen Ausgleich zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Bevölkerungsmehrheit ein. Aufmerksamkeit erhielt er unter anderem auch dadurch, dass er als einer der wenigen serbischen Politiker im Kosovo Albanisch sprach und die Politik Belgrads im Kosovo öffentlich kritisierte.