Raoul soll’s richten / „Sécurité routière“ fordert mehr Kontrollen wegen Alkohol am Steuer

Die Angst vor Kontrollen ist bei vielen Fahrern größer als die Furcht vor einem schlimmen Unfall. Davon muss man profitieren, fordert die „Sécurité routière“. Etwa indem die Kontrollen vereinfacht werden.
Pünktlich zur „Rentrée“ meldet sich auch die Luxemburger „Sécurité routière“ wieder zu Wort. Ihr Anliegen für diesen Herbst: „Kein Alkohol am Steuer!“ Tatsächlich scheint das Phänomen wieder zum Problem zu werden: Die Zahl der Verkehrstoten mit Alkohol im Blut hat sich von 2018 auf 2019 quasi verdreifacht. Nun soll es Raoul wieder richten und die Öffentlichkeit daran erinnern, dass Alkohol am Steuer nicht nur verpönt ist, sondern auch lebensgefährlich.
Seit Monaten beschäftigt die Gesellschaft nur ein Thema: Covid-19. Es gibt kaum eine Facette der Pandemie, die nicht schon in der Öffentlichkeit aufgegriffen wurde. Einen Vergleich mit Verkehrsunfällen aber hat noch niemand so richtig aufgestellt – bis auf Paul Hammelmann. Tatsächlich geht der Präsident der „Sécurité routière“ gleich von drei Gemeinsamkeiten aus.
„Erstens hätten wir die Distanz: Die ist in beiden Hinsichten wichtig, um einen Unfall oder eine Erkrankung zu vermeiden“, sagt Hammelmann im Gespräch mit dem Tageblatt. Und zweitens? „Ohne Kontrolle geht es leider nicht“, fährt der langjährige Vorsitzende der Luxemburger Straßensicherheitsvereinigung fort, bevor er sich der letzten Gemeinsamkeit widmet: „Im Kampf gegen die Pandemie wurde die Gesundheit der Wirtschaft übergeordnet.“ Die Krise habe „eine schöne Stange Geld“ gekostet. Dennoch hätten sich Politik und Gesellschaft dazu entschlossen, Menschenleben vorzuziehen.
Damit habe die Gesellschaft bewiesen, dass sie durchaus imstande sei, neoliberale Wirtschaftsprinzipien zu ignorieren, wenn die Gesundheit der Mitbürger auf dem Spiel steht. „Warum also nicht auch im Verkehr?“, sei eine Frage, die sich als Schlussfolgerung dieser Überlegungen quasi aufdrängt. „Vor allem, wenn man bedenkt, dass Covid-19 in der Regel ältere Menschen gefährdet, während bei Unfällen hauptsächlich junge Menschen das Nachsehen haben“, schlussfolgert der Präsident der „Sécurité routière“.
Tatsächlich gehört die Unerfahrenheit junger Menschen zu den drei größten Risikofaktoren im Straßenverkehr. Die weiteren Hauptgründe für Unfälle mit Todesfolge sind die Geschwindigkeit und Alkohol am Steuer. Vor allem Letzteres scheint den Behörden wieder Kopfzerbrechen zu bereiten, ist die Zahl der Unfälle mit Todesfolge nach dem Genuss alkoholischer Getränke zuletzt wieder stark gestiegen.
„Petits nombres“
2019 wurden 988 Verkehrsunfälle in Luxemburg gezählt, bei denen Mensch oder Maschine zu Schaden kamen. In 242 Fällen wurden die Insassen schwer verletzt, 22 Personen mussten ihr Leben lassen. Neun dieser tödlichen Unfälle konnten auf einen zu hohen Alkoholkonsum zurückgeführt werden – 41 Prozent aller Zwischenfälle mit Todesfolge also. Im Gegensatz zum Vorjahr ist die Zahl der Unfälle mit Todesfolge (31 in 2018) zwar zurückgegangen, doch die Zahl jener, bei denen Alkohol nachgewiesen werden konnte, hat sich regelrecht verdreifacht: 2018 waren es deren „nur“ drei.
Man sei sich bewusst, dass es sich in absoluten Zahlen um „petits nombres“ handele, sagt Hammelmann, zumindest statistisch gesehen. Auch sei die Zahl der Unfälle mit schweren Verletzungen in den vergangenen Jahren rückläufig. Die Zahl der tödlichen Zwischenfälle mit Alkoholbeteiligung aber scheint seit 2013 regelrecht zu stagnieren, um dann 2019 wieder dramatisch in die Höhe zu schnellen.
Dabei sei Alkohol ein Phänomen gewesen, das man in den vergangenen Jahren etwas besser im Griff hatte: „Zumindest zu einem bestimmten Moment“, weist Hammelmann hin. Grund dafür sei eine verstärkte Präsenz von Alkoholkontrollen auf den Straßen Luxemburgs gewesen. Ursprünglich habe die Polizei die Fahrer nur testen können, wenn gleich mehrere Zeichen auf erhöhten Alkoholkonsum deuteten. „Auf unser Lobbying hin aber wurden diese Richtlinien abgeschafft, sodass die Staatsanwaltschaft Kontrollen auch ohne ,offensichtliche Zeichen‘ anordnen darf“, erklärt Hammelmann. Mit der Folge, dass auf den Straßen mehr kontrolliert wurde und (betrunkene) Fahrer etwas abgeschreckt wurden.
Eine gewisse Abneigung gegenüber Alkohol am Steuer sei inzwischen auch Teil des sozialen Gefüges. Politik und Zivilgesellschaft setzen sich regelmäßig dagegen zur Wehr, die Öffentlichkeit ist sich eins: Das Phänomen muss bekämpft werden, weil es Schaden anrichtet. Auch sei es nun mal so, betont der Vorsitzende der Luxemburger Straßensicherheitsvereinigung, dass die Fahrer mehr Respekt vor Kontrollen hätten als vor Unfällen. Letztere ließen sich, wenn auch potenziell tödlich, einfacher verdrängen. „Ein Strafzettel, der Gang vor Gericht oder gar der Entzug des Führerscheins sind bestimmten Fahrern hingegen sehr unangenehm. Weshalb die Kontrollen länger im Hinterkopf bleiben und entsprechend wirksamer abschrecken“, schlussfolgert Hammelmann.
Allgemein scheint Alkohol am Steuer in der Gesellschaft immer noch verpönt zu sein. Im Gegensatz zur Unfallursache Nummer eins, der Geschwindigkeit. „Jemand, der wegen Trunkenheit am Steuer vor Gericht muss, gilt immer noch als asozial. Bei zu hohem Tempo aber bist du der Held“, meint Hammelmann überspitzt.
Raoul überzeugt die Jugend
Angesichts der jüngsten Entwicklungen aber widmet sich die „Sécurité routière“ in ihrer aktuellen Herbstkampagne wieder dem Alkohol am Steuer. Dabei setzen die Initiatoren erneut auf die Werbefigur Raoul, um vor allem jungen Fahrern ins Gewissen zu reden. „Celui qui conduit ne boit pas“, lautet die elementare Botschaft der Kampagne, die auf Plakaten entlang der Straßen sowie in Anzeigen und kleinen Filmchen in den Medien und sozialen Netzwerken an den Fahrer gebracht werden sollen.
Dass Raoul auch nach langen Jahren immer noch nicht an Überzeugungskraft verloren hat, davon sind die Verantwortlichen der „Sécurité routière“ überzeugt. Schließlich scheint es vor allem unter Jugendlichen noch immer besonders verpönt, unter Alkoholeinfluss zu fahren. „Viele Jugendliche nehmen den ‚Late Night Bus’. Oder sie organisieren sich so, dass der Fahrer des Abends nichts trinkt“, erklärt Hammelmann. Er ist sich sicher: „An dieser Entwicklung ist Raoul nicht ganz unschuldig.“
Ob Alkohol oder Geschwindigkeit, die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, muss erhöht werdenPräsident der „Sécurité routière“
Auf sogenannte Schockkampagnen, wie sie teils im Ausland zum Einsatz kommen, will die „Sécurité routière“ weiterhin bewusst verzichten. Natürlich seien auch solche Kampagnen eine Überlegung wert, so Hammelmann. Doch der Vorstand habe sich bisher aus ethischen Gründen dagegen ausgesprochen. So sei nicht jedes Land für entsprechende Bilder geeignet. „In Australien etwa reagieren die Leute einfach anders auf die Schockkampagnen. Ähnlich auch in Großbritannien“, meint Hammelmann. Nicht aber in Skandinavien: Trunkenheit am Steuer sei dort derart verpönt, dass es dort keinen Bedarf mehr für Schockkampagnen gibt.
Für Luxemburg stelle sich noch ein weiteres Problem: „Wir haben nicht unbedingt das nötige Know-how, um solche Kampagnen so zu produzieren, dass sie ihre Wirksamkeit auch wirklich entfalten können. Außerdem fehlt es an talentierten Schauspielern, die noch unbekannt sind“, meint der Präsident der „Sécurité routière“. Bekannte Schauspieler seien eher kontraproduktiv in solchen Kampagnen. Und ausländische Produktionen recht teuer.
Zufrieden mit der Politik
Neben der neuesten Raoul-Kampagne will sich die Straßensicherheitsvereinigung in den kommenden Monaten auch weiterhin dafür stark machen, dass Tankstellen keinen Alkohol mehr verkaufen dürfen. „Wie in Frankreich“, sagt Hammelmann, betont gleichzeitig aber auch, dass diese Forderung angesichts der hohen Steuereinnahmen nicht viel Aussicht auf Erfolg hat. Durchsetzen aber könnte sich der Appell nach einer Verstärkung der Alkoholkontrollen. „Diese sollen vor allem einfacher durchgeführt werden können“, fordert Hammelmann und nennt Finnland als Beispiel, wo Streifenpolizisten spontan Kontrollen durchführen können.

Die Bäume entlang der Straßen sind der „Sécurité routière“ nach wie vor ein Dorn im Auge. Es müssten auch nicht sämtliche Bäume gefällt werden, so Hammelmann. Es reiche, die gefährlichsten Bäume zu entfernen und entlang der neuen Straßen keine weiteren mehr anzupflanzen. Daneben hofft Hammelmann auf weitere Anstrengungen der Politik gegen zu hohe Geschwindigkeiten im Straßenverkehr.
„Auch wenn in den letzten Jahren unter Minister François Bausch bereits viel erreicht wurde“, ergänzt der Lobbyist. Mit der Politik der aktuellen Regierung sei man entsprechend zufrieden. Dennoch erwartet sich die „Sécurité routière“ mehr Anstrengungen in puncto Geschwindigkeiten. „Diese ist immer noch nicht verpönt genug“, meint Hammelmann. „Es gibt in dieser Hinsicht noch viel zu tun. Leider kommen wir an repressiven Maßnahmen nicht vorbei.“
Er sei kein Freund hoher Strafen, ergänzt der Präsident der „Sécurité routière“. Vielmehr soll man sich ein Beispiel an den USA oder den skandinavischen Ländern nehmen: „Wer dort erwischt wird, wird quasi wie ein Aussätziger behandelt.“ Ob nun Alkohol oder Geschwindigkeit: „Die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, muss erhöht werden!“ Nur so bekomme man das Problem in den Griff.
Ja.Und dann nicht über die Medien vorwarnen wenn Kontrollen angesagt sind.Das mindert den Überraschungseffekt. Stell dir vor das Weihnachtsgeschenk ist nicht verpackt!
Mei‘ Kontrollen fir telephonei’eren am Auto.