Schonungslose Offenheit: Wie François Bausch seine Partei aus der Krise führen will

Schonungslose Offenheit: Wie François Bausch seine Partei aus der Krise führen will

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

François Bausch will „déi gréng“ aus der Krise führen: Der einflussreiche Grüne setzt auf Realpolitik, schonungslose Kritik und den Neuaufbau des Südens sowie seiner Partei. Ein Feature.

Der unverhoffte Aufstieg zum Vizepremierminister zeigt seine Wirkung – sogar in China. François Bausch reiste bereits vor zwei Jahren mit Premier Xavier Bettel (DP) und Finanzminister Pierre Gramegna (DP) nach Peking. Der Grüne war ein Minister von vielen, Bettel der Mittelpunkt. Zwei Jahre später ist er erneut im Reich der Mitte. Jetzt dreht sich alles um ihn: Militär-Vertreter lassen sich bei den „Military World Games 2019“ in Wuhan mit ihm ablichten, Sicherheitsleute kreisen um ihn herum. Sportminister Dan Kersch (LSAP), der ebenfalls angereist ist, wirkt auf die Chinesen so wie der Grüne vor zwei Jahren: wie ein Minister von vielen.

Bausch ist neben Etienne Schneider (LSAP) die Nummer zwei der Regierung geworden. Während der rote Wirtschaftsminister kaum noch politische Ambitionen hegt und Kersch in den Startlöchern steht, sitzt der neue Vizepremier fester denn je im Sattel – trotz oder gerade wegen der Krise von „déi gréng“. Der „heimliche Parteichef“ ist jetzt offiziell der mächtigste Grüne im Land. Verändert hat sich das, was Bausch-Biograf Romain Meyer während der ersten Amtszeit beobachtet hatte: „Ein wenig scheint es, als wolle er (…) zwischen sich und seiner Vergangenheit schlichten, den Oppositionellen Fränz und den Minister François unter einen Hut kriegen.“ Bausch ist heute im Ton zwar immer noch Fränz, aber politisch durch und durch François – ein Minister mit unbequemen realpolitischen Zwängen.

Business vs. Menschenrechte

So muss Bausch etwa den Türöffner für luxemburgische Unternehmen im Ausland spielen. Seine jüngste Mission in China drehte sich um CFL und Cargolux. Damit die Geschäfte für bestimmte Luxemburger Unternehmen im Ausland gedeihen, bewegt die Regierung den politischen und zwischenmenschlichen Hebel. Was viele Urgrüne vermutlich irritiert: Soll man mit einem Land Business betreiben, das die Menschenrechte und die Meinungs- sowie Ausdrucksfreiheit mit Füßen tritt? Bausch stellt sich der Diskussion im chinesischen Chengdu. Der erste Test-Güterzug hat am Nachmittag seine Reise von China nach Luxemburg begonnen.

Bausch gibt unverblümt den Realpolitiker: „Ich glaube, man muss einfach sehen, wie die Realität ist.“ Man dürfe ein Land wie China nicht nur durch die europäische Brille beurteilen. China habe zwar keine Presse- und Meinungsfreiheit, aber es gebe trotzdem Meinungsvielfalt und Proteste. „Für mich wäre die Grenze, wenn ich das Thema anspräche und man mir sagen würde: ‚Ich will das nicht hören, ich will nicht darüber sprechen.‘“ Einziges Problem: Bausch hat die Menschenrechtsfrage bei dieser Reise nicht angesprochen. Er gibt zu: „Ich bin ehrlich mit Ihnen: Heute Abend ist es nur um den Austausch zwischen der Provinz Sichuan und Luxemburg gegangen.“ Die Regierung habe das Problem 2017 in Peking thematisiert. „Ich habe das auch bei anderen Gelegenheiten getan, als ich in China war.“ Der Revoluzzer von einst vertritt mittlerweile die klassische Diplomatenposition: ökonomische Kooperation statt Isolation semi-autoritärer Regime, um die Demokratie zu fördern. „Ich glaube, dass man das über die wirtschaftliche, soziale und materielle Entwicklung erreicht.“

Weniger diplomatisch war Bausch hingegen am Anfang der Datenschutzaffäre. Er mähte jeden nieder, der ihn kritisierte. Am Ende musste er einsehen, dass er sich geirrt hatte. François verstand, dass Fränz nicht nur im Ton, sondern auch im Inhalt vermutlich den besseren Riecher gehabt hätte. Spätestens die Traversini-Affäre, die auch Umweltministerin Carole Dieschbourg in ihren Sog gezogen hat, zwingt Bausch zum Strategiewechsel. Während mehreren Monaten wirkt sein Verhalten befremdlich, streckenweise widersprüchlich. Hat der gerissene grüne Fuchs den politischen Instinkt verloren? Oder versucht er, hinter den Kulissen seinen offensiven Stil mit der Blockadehaltung von Felix Braz und Carole Dieschbourg vergebens in Einklang zu bringen? Bausch liefert in China, mit Distanz zum politischen Alltag, Hintergründe und Erklärungsansätze.

Der Spaziergang im Sportlerdorf

Der Vizepremier spaziert durch das Sportlerdorf in Wuhan, die Luxemburger Athleten warten auf ihn. Nach einem offiziellen Treffen, bei dem Kugelstoßer Bob Bertemes locker herumwitzelt, führt Schwimmer Raphaël Stacchiotti die Delegation zu den Sportlerzimmern am anderen Ende des Dorfs. Bausch hat Redebedarf. Er wirkt entspannt, aber auch leicht geschlaucht. Der Angriffsmodus scheint vorübergehend ausgeschaltet zu sein. Er erzählt während des Gehens, wie es um seine Partei steht. „Déi lescht aacht Wochen waren hefteg.“ Sofort fällt ein Name: „Roberto“. Die Traversini-Affäre hat den Grünen schwer geschadet.

Bausch klingt immer noch fassungslos, enttäuscht und besorgt. Er wird diesen Eindruck am Tag danach im Tageblatt-Interview bestätigen. Die „Kapevermëschungen“ des ehemaligen Differdinger Bürgermeisters Roberto Traversini hätten ihn „schockiert“. Während er im Interview betont, dass ihn sowohl das Fehlverhalten als auch das Belügen der Partei gestört hätten, ärgern ihn im Sportlerdorf besonders die Lügen. Traversini habe nicht nur die Partei, sondern auch Bausch mehrmals belogen. „Er hat mir nicht alles gesagt. Es kamen immer wieder neue Dinge heraus, die er vorher bestritten hatte. Irgendwann habe ich gesagt: ‚Et geet elo duer.‘“ Bausch macht kein Geheimnis daraus: Eine politische Rückkehr von Traversini wird es unter ihm nie geben.

Aber auch Umweltministerin Carole Dieschbourg wird nicht mehr geschont. In der Sache steht der Vizepremier zwar fest hinter der grünen Parteikollegin. Die CSV versuche, aus einer Entscheidung beim Verwaltungsgericht einen Favoritismus-Vorwurf mit strafrechtlichem Charakter zu konstruieren. Selbst wenn die Genehmigung annulliert werde, müsse sie nicht zurücktreten. Bausch kritisiert aber im Interview zum ersten Mal öffentlich ihre Vogelstraußpolitik: „Ich glaube, Carole hätte all das, was sie am Ende gesagt hat, direkt am Anfang sagen müssen oder sollen.“ Sie habe zwar das Recht, sich in das Dossier hineinzuknien, und müsse sich wie jeder Minister auf Vorarbeit verlassen. Die Hinhaltetaktik und das Vorschicken ihrer Beamten seien aber falsch gewesen: „Gelegentlich braucht man zwei, drei Tage. Aber zwischen zwei, drei Tagen und drei Wochen … (kurzes Schweigen) … Und anstatt die Beamten reden zu lassen, hätte sie das selbst tun müssen.“

Der Befreiungsschlag

Bauschs neue schonungslose Offenheit kann als politischer Befreiungsschlag interpretiert werden. Die Datenschutzaffäre ist durch die Traversini-Affäre im öffentlichen Diskurs verdrängt worden. Bausch will sich wieder frei äußern. Er steht weniger in der Schusslinie: „Man hat ja gespürt, dass ich am liebsten von Anfang an einen ganz anderen Weg gewählt hätte. Ich konnte das erst ab einem gewissen Zeitpunkt tun.“ Er sei davon überzeugt gewesen, dass es falsch war, das Dossier zu blockieren und Dinge zurückzuhalten. Dies habe sich durch die Zusammenarbeit mit der neuen grünen Justizministerin verändert: „Ich stimme mich mit Sam Tanson sehr eng ab. Wir wollen das alles bis Ende des Jahres über die Bühne bringen.“

Bausch kritisiert indirekt, dass ihn die Zusammenarbeit mit Felix Braz eingeengt habe. „Wenn ich etwas hasse, dann ist es, wenn ich nicht frei handeln kann, links und rechts taktieren muss, Rücksichten nehmen muss, wie ich mit einem Dossier umgehen soll.“ Er habe die Datenschutzaffäre direkt offensiv angehen wollen. Hier zeigen sich aber Ungereimtheiten in seiner Argumentation. Einerseits waren ihm die Hände gebunden, gleichzeitig veröffentlichte er mit Braz einen offenen Brief, der Druck auf ihre Kritiker ausüben sollte. Insofern ging er das Dossier sehr wohl in bekannter Bausch-Manier offensiv an. Das Problem war zu Beginn weniger der mangelnde Handlungsspielraum, sondern vielmehr die fehlende Dossierkenntnis, die eine Aufarbeitung im Sinne der Bürger ermöglicht hätte. Der Grüne gibt dies ehrlicherweise zu: „Ich habe mich immer mit Datenschutz beschäftigt, aber das Gesetz von 2018 ‚null‘ gekannt. Und ich habe mich schon gar nicht mit der Situation bei der Polizei ausgekannt.“ Bausch und Braz waren somit beide direkt im Angriffsmodus. Während der Minister für innere Sicherheit aber später nachgeben musste, blockierte der unter Druck stehende Justizminister weiter.

Bausch steckt diese Erfahrung noch sichtlich in den Knochen: „Es war für mich die heftigste Zeit meiner politischen Laufbahn. (…) Es war ein Wechselbad der Gefühle. Ich habe mich gefragt, ob ich in einem schlechten Film wäre.“ Ursprünglich wollte er bei den nächsten Wahlen nicht mehr kandidieren. Nun ist er unverhofft zur Nummer eins der Partei geworden – und genießt seine neue Rolle in der Regierung sichtlich. Während sein Vizepremier-Titel zu Hause bei so manchem für müdes Gähnen sorgt, muss selbst eine Großmacht reagieren: Die chinesischen Behörden passten die Sicherheitsvorkehrungen der Reise nach Bauschs Aufstieg an. Mitarbeiter des luxemburgischen Protokolls gingen deswegen bis am Ende der Reise auf dem Zahnfleisch. Es amüsiert Bausch. Er erzählt abends nach einer Pressekonferenz in Chengdu: „Ich darf knapp vor die Tür gehen. Ich habe aber jetzt organisiert, dass ich eine Runde spazieren darf. Es soll klasse Jazz-Bars hier geben.“ Er schmunzelt.

Schachzüge eines Machtpolitikers

Das grüne Urgestein versucht, seine Partei mit diesem neuen Selbstbewusstsein aus der Krise zu führen. Er kultiviert das Image des unangefochtenen Leaders. Sein erster Schachzug: Parteipräsidentin und Abgeordnete Djuna Bernard als Kandidatin im Südbezirk zu unterstützen. Bausch deutet im Sportlerdorf an, dass sie nicht mehr im Zentrum kandidieren werde. Sie habe sich eine Wohnung im Süden gekauft. Im Interview wird er bestätigen, dass Bernard den Bezirk wechselt. Die Strategie dahinter: das Machtvakuum füllen, das die Stimm-Magneten Felix Braz und Roberto Traversini hinterlassen haben. Bausch meint beim Spaziergang: „Mir mussen de Süden ganz nei opbauen.“

Da auch Carole Dieschbourg inzwischen zu den grünen Wackelkandidaten gehört, bleibt die Frage, wer Bausch eines Tages als Parteigrande beerben könnte. Er nennt, ohne zu zögern, einen Namen: „Sam Tanson ist eine sehr talentierte Politikerin und ein Glücksgriff für die Partei. Wenn ich mir ihre Karriere anschaue und sehe, dass sie jetzt Justiz- und Kulturministerin ist, bin ich davon überzeugt, dass sie das Potenzial hat, die Partei zu übernehmen.“ Er setzt zudem auf die Jugend: Stéphanie Empain, Chantal Gary und Jessie Thill. Ältere, populäre Parteikollegen bleiben unerwähnt. Bausch ist und bleibt ein Machtpolitiker.

Demnach befinden sich die Grünen am Scheideweg. Sollte Carole Dieschbourg mit einem blauen Auge davonkommen und keine weiteren die Partei gefährdenden Elemente in der Traversini-Affäre auftauchen, könnten die Grünen gestärkt aus der Krise hervorgehen. Allerdings deuten die Signale zum Teil in eine andere Richtung: Die CSV ist auf Krawall gebürstet. Obschon sie sich regelmäßig blamiert, wie zuletzt mit ihrem „unmoralischen Angebot“ an die DP, erfüllt sie inzwischen ihre Rolle als Oppositionspartei. Wer sich durchsetzen wird, liegt letztlich in den Händen der Justiz. Den Grünen bleibt nur die Durchhalteparole, die Raphaël Stacchiotti hinsichtlich der Militärspiele in einer Sportlerwohnung zum Besten gab: „Et ass eng Fro vum Wëllen. Weidermaachen, weidermaachen.“

Christophe
24. Oktober 2019 - 21.53

gruene diktatur, wann ech dat schon heieren...alleguer dei, dei hei iwwer eng diktatur schwaafelen, dei weese guer net wat eng diktatur ass... wei kenn der nemmen deen ausdrock benotzen, unverstaendlech.

kee Grengen
24. Oktober 2019 - 21.20

do muss ech jo laachen! de bausch sot schon direkt am ufank ! vu sengem ministerjob, hien géif dat net weider man, an op guer kee fall an di next regierung matgoen. also wann een 1 job fir 5 joer huet, an schon no 1 joer amtsmüde an iwwerfuerdert ass, an dat och nach rausposaunt, wéi well en sech dann em 1 partei kemmeren, déi fatzeg an de labrenten ass ?

de Prolet
24. Oktober 2019 - 17.26

Herr Bausch hat ja erheblich dazu beigetragen seine Partei dorthin zu manövrieren, folglich wird er auch wissen, wie er den Karren wieder aus dem Dreck ziehen kann. Bin gespannt, wie er das bewerkstellen wird.

Wester Gust
24. Oktober 2019 - 12.48

Der Wahlerfolg ist den Grünen scheinbar in den Kopf geschlagen. Wenn man zurück denkt, wie die Grünen hüpften und Luftsprünge im Fernsehen vorführten, nach ihren Wahlerfolgen bei den letzten Kammerwahlen, muss man bezweifeln ob sie sich der Aufgabe bewusst waren, die der Wähler ihnen anvertraut hatte???

Patrick W.
24. Oktober 2019 - 11.25

Gesinn der Här Bausch gutt am Bureau vum Här Forson, an den Här Schneider an engem Bureau bei der NASA. Dat ass awer just eng perseinlech Meenung vu mir.

Jek Hyde
24. Oktober 2019 - 10.52

Richtig!! Genug Wichtigtuerei und Diktat bei 99%iger Incompetenz. Völliger Schwachsinn was Häupling Headonshoulders wieder verzapft.

Piereli
24. Oktober 2019 - 9.50

Weniger grüne Diktatur würdeschon reichen, und nicht von den Anderen verlangen auf Was man selber nicht verzichten will.

Jangeli
24. Oktober 2019 - 8.39

Die beste Lösung wäre,die Grünen komplett aus der Regierung führen, Basta.