Von 100 auf 0„Safe to meet“ soll Eventbranche in Luxemburg aus der Krise führen

Von 100 auf 0 / „Safe to meet“ soll Eventbranche in Luxemburg aus der Krise führen
Wenig ist momentan los in Luxemburgs Veranstaltungsbranche. Das soll sich ändern. Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Der Eventbereich ist besonders schwer von der Corona-Krise getroffen worden. Seit nunmehr einem halben Jahr sind die zuvor prall gefüllten Auftragsbücher der Caterer, Materialverleiher, Konzertveranstalter, Bühnentechniker, Kongressorganisatoren und Messebauer leergefegt. Jetzt geht es auch noch auf den Winter zu und ein Ende der Pandemie ist nicht in Sicht. Erste Opfer wie „De Gourmang“ in Esch hat es schon gegeben. Wie kann die Branche überleben? Ein Label soll helfen.

Pol Weicherding von WK Sound&Light aus Lintgen freut sich auf das Wochenende. Denn es ist das erste seit einem halben Jahr, in dem er ordentlich zu tun hat. Seit 2012 verleiht Weicherding professionelles Sound- und Licht-Material für alle Arten von Veranstaltungen. Das können Hochzeiten, Messen, Empfänge, Dorffeste, Festivals oder Sportveranstaltungen sein. Am Wochenende ist er an drei verschiedenen Orten im Einsatz. „Das hat es lange nicht gegeben. Denn seit dem Lockdown hatten wir zwei Aufträge: eine Hochzeit im kleinen Kreis in einem Restaurant und eine Diplomüberreichung in einer Schule. Mehr nicht“, berichtet Weicherding.

Es kommen schon Absagen für die Karnevalssaison 2021. Jedenfalls sind die Reserven bald aufgebraucht.

Pol Weicherding, WK Sound&Light

Das Umsatzminus beziffert er auf 80 Prozent. „Wir machen auch Installationen und verkaufen demnach auch Material. Und in diesem Bereich hatten wir glücklicherweise noch recht volle Auftragsbücher. Also haben wir nach dem Lockdown unsere Baustellen fertig gemacht und uns so über Wasser gehalten.“ Weicherding macht keinen Hehl daraus, dass das Geschäft zuvor gut lief und man nun von den Reserven zehren könne. „Trotzdem mache ich mir große Sorgen. Am Anfang dachte ich, die Krise würde nur drei Monate lang dauern. Doch jetzt sind wir im Herbst und anschließend kommt der Winter, wo es eh in unserem Bereich ruhiger ist. Und es kommen schon Absagen für die Karnevalssaison 2021. Jedenfalls sind die Reserven bald aufgebraucht und ich mache mir sogar über eine ‚session d’activité’ Gedanken.“

Eine „session d’activité“ ist eine Vorstufe zur Insolvenz. Sie ermöglicht dem betroffenen Unternehmen, die laufenden Kosten zu stoppen und zum Beispiel ihr Material in Eigenregie zu verkaufen. So wird eine Hintertür für eine Wiedereröffnung nach der Krise aufgelassen. Jedenfalls ist Pol Weicherding überzeugt: „Ein ganzes Jahr Schließung, das überlebt keine Firma in unserer Branche.“

Staatliche Hilfszahlungen in Verzug

Natürlich gibt es die Teilzeitarbeitslosigkeit. Auch die 5.000 Euro Unterstützung des Staates für die Firma und die 3.500 Euro Hilfe für Selbstständige halfen WK Sound&Light über die Runden. Allerdings gerieten die Hilfen ins Stocken. „Seitdem der Ausnahmezustand aufgehoben wurde, dauert es eine halbe Ewigkeit, bis das Geld da ist. Diese Woche ist das Teilzeitarbeitslosengeld vom Juni gekommen.“

Das prangert auch Charles Schroeder von Party Rent aus Echternach an.  „Es muss schneller gehen“, sagt er, der seit Ostern zudem der neu gegründeten LEA („Luxembourg Event Association“) vorsteht. „Es geht momentan für alle darum, Zeit zu überbrücken, um am Leben zu bleiben. Was nichts anderes heißt, als den Schaden so klein wie möglich zu halten.“

Der LEA gehören inzwischen rund 65 Unternehmen an. Sie steht im permanenten Austausch mit dem Mittelstands- und Tourismus-Ministerium von Lex Delles (DP) sowie den anderen wichtigen Akteuren wie der Handelskammer. Es ist also nicht so, dass die Eventbranche in Luxemburg – wie ihre Kollegen in Deutschland unlängst bei der „Alarmstufe-Rot“-Demonstration – auf die Straße gehen muss, um sich bei den politischen Entscheidungsträgern Gehör zu verschaffen. Im Gegenteil. „Wir waren dreimal bei Minister Lex Delles, einmal bei Arbeitsminister Dan Kersch, haben Kontakt zur ADEM und zum Konjunkturkomitee. Nächste Woche steht ein Termin mit Premier Xavier Bettel an“, erzählt Schroeder.

Charles Schroeder, Präsident der „Luxembourg Event Association“, macht sich Sorgen um das beträchtliche Materialkapital der Firmen aus dem Veranstaltungsbereich
Charles Schroeder, Präsident der „Luxembourg Event Association“, macht sich Sorgen um das beträchtliche Materialkapital der Firmen aus dem Veranstaltungsbereich Foto: Corinne Jamet

Teilzeitarbeitslosigkeit und der „Fonds de relance“ hätten der Branche sehr geholfen, unterstreicht Charles Schroeder. „Aber die Geschäfte laufen einfach nicht richtig an, also können die Betriebe auch niemanden aus der Teilzeitarbeitslosigkeit herausnehmen.“ Schroeder macht sich vor allem Sorgen um das nicht unbeträchtliche Materialkapital der Firmen aus dem Veranstaltungsbereich. Er regt einen Fixkostenzuschuss nach österreichischem Modell an. Das Prinzip: Eine Firma bekommt eine Hilfe für die Fixkosten, die auf dem Prozentsatz des Umsatzverlusts in Corona-Zeiten basiert. Im Fall von WK Sound&Light würde der Staat demnach 80 Prozent der festen Kosten der Firma übernehmen. Damit würden Insolvenzen verhindert werden und somit sei das Materialkapital der Firmen gesichert, so die Überlegung.

Große Hoffnungen in „Safe to meet“

Im Mittelstandsministerium wird momentan das Label „Safe to meet“ finalisiert. Das ist angelehnt an das „Safe to serve“ im Horeca-Bereich und soll den Kunden Vertrauen geben. „Es geht darum, dass man nach außen hin zeigt, dass in diesem Bereich professionell und den momentan gültigen Hygiene-Regeln entsprechend gearbeitet wird“, hatte Minister Lex Delles (DP) im Tageblatt-Interview vor einem Monat gesagt.  

Damit soll der Veranstaltungsbereich genau wie der Business- und Kongresstourismus wiederbelebt werden. Der machte 2019 immerhin 54 Prozent aller Übernachtungen im Tourismus aus und liegt momentan am Boden, auch wenn sich für dieses Jahr noch ein größerer internationaler Kongress ankündigt. Um was es sich genau handelt, wird dem Vernehmen nach in Kürze bekannt gegeben. Um die Wichtigkeit des Sektors zu verdeutlichen: 2019 gab es in Luxemburg 4.600 Business-Events mit 556.000 Teilnehmern. Die führten zu 817.000 Hotelübernachtungen, was allein einen Umsatz von schätzungsweise 155,2 Millionen Euro ausmacht.

Wenn 100 Gäste in ein Restaurant dürfen, warum dann keine Weihnachtsfeier mit 100 Gästen dort organisieren?

Charles Schroeder, Managing Partner von Party Rent und Präsident der LEA

„Wir setzen große Hoffnungen in ‚Safe to meet’. Es geht darum, Kunden und Partnern Vertrauen in den Standort Luxemburg zu vermitteln“, sagt Noemie Schuler, Kommunikations- und Marketing-Managerin des „Luxembourg Convention Bureau“ (LCB). Das LCB wurde 2019 vom Tourismus- und Wirtschaftsministerium sowie der Stadt Luxemburg gegründet, um den Kongress-Standort Luxemburg zu vermarkten. Es sollen verstärkt Business-Events ins Land geholt werden. Doch das funktioniert seit dem Ausbruch der Pandemie nicht mehr. Das internationale Geschäft ist zum Erliegen gekommen, lediglich kleinere nationale und regionale Veranstaltungen finden statt. Wie das geht, zeigte unlängst die Luxexpo The Box bei der Organisation des „Street Market“ mit immerhin 10.000 Besuchern. „Das ist gut. Es zeigt, dass es geht. Dass die Organisatoren und Partner bereit sind und dass bei den Besuchern auch in Krisenzeiten der Bedarf nach solchen Events da ist“, sagt Noemie Schuler. 

Das hört Charles Schroeder gerne, denn den Umsatzverlust seiner Firma Party Rent beziffert er auf 150.000 Euro pro Monat. In letzter Zeit liefe es zwar etwas besser, man sei bei 20 bis 25 Prozent des gewohnten Umsatzes angekommen. „Es gibt keinen Grund, unsere Branche am Boden zu lassen. Die Luxemburger sind im Sommer in die Ferien gereist, Geschäfte, Restaurants und Kinos sind geöffnet, Sportveranstaltungen finden vor Publikum statt. Warum also keine Events bei Einhaltung der momentan geltenden Hygienevorschriften organisieren? Wenn 100 Gäste in ein Restaurant dürfen, warum dann keine Weihnachtsfeier mit 100 Gästen dort organisieren?“, fragt er. Seiner Meinung nach denken viele, die Zehn-Personen-Regel bei privaten Feiern gelte auch bei öffentlichen Veranstaltungen.

Die Branche brauche eine Portion Optimismus – und mit „Safe to meet“ einen Leitfaden. Den unlängst im Kontext „Safe to meet“ fertiggestellte „Guide de bonne pratique“ für den Sektor betrachtet Schroeder als Schlüssel zur Wiederbelebung des gesamten Bereichs. Mit dem Label kann er weniger anfangen, denn da geht es um Kontrolle. Diese Kontrollfunktion will und kann die LEA nicht übernehmen, da sie ansonsten in Interessenkonflkte geraten würde, so Schroeder. 

J.Scholer
21. September 2020 - 6.06

Wie eine Krise doch alle liberalen Wirtschaftsdogmen außer Kraft setzen kann. Die Bosse zu Bittstellern werden ,der Staat gleich der Bürger zur Rettung mit Steuergelder einspringen soll.Ob in der Zukunft die Gewinne auch an die Allgemeinheit gezahlt werden, bezweifele ich. Das