Ukraine-KriegRussische Angriffe auf die Region Donezk leiten neue Phase der Schlacht um den Donbass ein

Ukraine-Krieg / Russische Angriffe auf die Region Donezk leiten neue Phase der Schlacht um den Donbass ein
Die Stadt Slowiansk in der Region Donezk nach russischem Artilleriebeschuss Foto: AFP/Genya Savilov

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Nach der Eroberung der Region Luhansk verstärkt Russland seine Angriffe auf den Norden der Region Donezk. Dorthin haben sich die ukrainischen Streitkräfte zurückgezogen. Die nächste Abnutzungsschlacht scheint nur eine Frage der Zeit.

Russische Truppen haben in der Nacht zum Montag erfolgreich den strategisch wichtigen Fluss Siwerskyj Donez überquert und stoßen seitdem von Nordosten her in den noch ukrainisch gehaltenen Nord-Donbass rund um die Städte Slowiansk, Kramatorsk und Bachmut (ehemals: Artemiwsk) vor. Noch Mitte Mai hatten Putins Panzerbrigaden eine bittere Niederlage erlitten, als Dutzende Gefährte und wohl Hunderte russische Soldaten beim Versuch, diesen Fluss zu überqueren, von der ukrainischen Artillerie vernichtet wurden.

Nun allerdings ist Kiew und auch dessen westlichen Unterstützern das Lachen vergangen. Denn mit dem Rückzug der ukrainischen Armee aus Lyssytschansk, der letzten großen Stadt in der Region Luhansk, am Wochenende hat Putin ein wichtiges offizielles Kriegsziel erreicht. Das ganze Gebiet der im Frühsommer 2014 selbst ausgerufenen pro-russischen, separatistischen „Volksrepublik Luhansk“ (LNR) ist erobert worden. Auf dem Rathaus der einst 100.000-Einwohner-Stadt weht bereits die LNR-Flagge. Das Stadtgebiet, in dem laut ukrainischen Angaben noch etwas mehr als 10.000 Zivilisten ausharren sollen, wird gerade von den letzten eingekesselten ukrainischen Einheiten gesäubert und dann von der regulären russischen Armee der Kriegsverwaltung LNR übergeben.

Neuer massiver Druck

Vor diesem Hintergrund klingen die Kiewer Durchhalteparolen – wie bereits vor zwei Wochen in Sjewjerodonezk – als Schönrederei. „Die Ukraine gibt nichts auf. Unsere Soldaten haben sich von einigen Punkten zurückgezogen, in denen der Feind eine Übermacht hat, aber wir kehren dorthin zurück“, versicherte Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntagabend in seiner allabendlichen Fernsehansprache.

Wie das geschehen soll, ist derzeit unklar. Vielmehr droht nun auch der Norden der noch teilweise von Kiew kontrollierten Region Donezk massiv unter Druck zu kommen. Bisher ist es dort der ukrainischen Armee zwar an einigen Stellen der alten Minsker Waffenstillstandslinie gelungen, einstige Frontabschnitte zu verteidigen. So etwa bei Bachmut und Torez (vormals Dscherschinsk) im Süden des Kiewer Gebiets. Am Montag aber schlugen in Kramatorsk, dem Kiewer Verwaltungszentrum des Nord-Donbass, russische Raketen ein.

Damit ist die „Schlacht um Donbass“ in eine neue Phase getreten. Putin wird alles daransetzen, auch hier rasch bis an die westliche Oblast-Grenze zur Region Saporischschja vorzustoßen, wo Russland bereits einen Großteil der Region besetzt, unter anderem aber die gleichnamige Hauptstadt der Oblast in ukrainischer Hand ist.

Russland setzt dabei auf eine Artillerie- und Panzer-Walze, wie man sie aus dem Ersten Weltkrieg kennt. Kiew hat dem bisher wenig Alternativen entgegengestellt, sondern vom Westen ebenfalls Panzer und panzerbrechende Waffen gefordert. Damit steht im Nord-Donbass in den nächsten Wochen aller Voraussicht nach eine Material- und Abnutzungsschlacht bevor, die auf beiden Seiten hohe Opferzahlen fordern wird. Die ukrainische Armee ist dabei vermehrt mit Nachschubproblemen konfrontiert, denn für ihre Panzer und Haubitzen benötigt sie vor allem sowjetische Munition. Viele Waffenfabriken im Hinterland sind jedoch zerstört, dazu fehlen auch Nachschublinien. NATO-konforme Waffen sind im Donbass noch die Seltenheit. Und mit NATO-Kaliber lassen sich keine Panzer aus sowjetischer Produktion versorgen. Erneut beginnt damit für Kiew ein Kampf um die Zeit.

Als Ablenkungsmanöver haben die russischen Invasoren auch am Montag erneut das Hinterland der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer bombardiert. Im Städtchen Majaki unweit der Grenze zu Moldawien wurden bei einem Raketenangriff ein halbes Dutzend Zivilisten, darunter ein kleines Mädchen, getötet.

Ukrainische Erfolge

Erfolge konnten die Ukrainer am Montag vor allem aus der Südostukraine vermelden. Unweit der bereits im März von russischen Truppen besetzten Stadt Melitopol haben ukrainische Partisanen offenbar einen großen Waffentransportzug in die Luft gesprengt. Am Sonntag war dort bereits ein Militärflughafen zerstört worden.

Der ukrainischen Armee ist es in der Nacht von Montag dazu offenbar gelungen, ein russisches Munitionsdepot in der separatistischen „Volksrepublik Donezk“ (DNR) in Snischne rund 50 Kilometer östlich von Donezk und 15 Kilometer nördlich der russischen Grenze in die Luft zu sprengen. Es handelt sich dabei um einen der ersten Gegenschläge Kiews auf DNR-Gebiet seit der einzig von Moskau anerkannten Unabhängigkeitserklärung vor acht Jahren.