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Festival / Ruheloser Norden
Pol Belardi kehrt heute Abend zu seinen musikalischen Ursprüngen zurück und huldigt der Gaming-Kultur, die seine Kindheit geprägt hat Foto: (C) Sven Becker

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Das Wiltzer Festival findet dieses Jahr in kleinerer Auflage statt als sonst, möchte aber trotz altbekannter Namen ein alternatives Programm zu anderen Sommerfestivals bieten. Gleichzeitig kann man in der Ausstellung „Ruhe! Von hier aus weiter“ eine Werkschau von drei Künstlern, die Teil eines inklusiven Künstlernetzwerks sind und sich nun im Ruhestand befinden, betrachten.

Pol Belardi huldigt der Gaming-Kultur und den japanischen Komponisten, die seine Kindheit und seinen Werdegang als Musiker geprägt haben, Georges Goerens stellt die folkig-elektronischen Lieder seiner neuen Bartleby-Delicate-EP „Deadly Sadly Whatever“ vor und auch TUYS, die bisher nicht sehr viele Gelegenheiten hatten, ihr audiovisuelles Projekt „A Curtain Call for Dreamers“ vorzustellen, treten in Wiltz auf. Nach dem Erfolg der Garden Sounds wird diese außergewöhnliche Auflage des Wiltzer Festivals ausnahmsweise an zwei Locations stattfinden.

Neben dem Amphitheater vor der Kulisse des Wiltzer Schlosses wird, wie bereits während der Garden Sounds, der Garten des „Prabbeli“ bespielt, mit dem expliziten Ziel, zwar auf bekannte Namen der Luxemburger Kulturszene zu setzen, diese jedoch mit alternativem Programm oder in anderen Konstellationen und Formationen auftreten zu lassen. So schleift das Festival im Vergleich zu den anderen sommerlichen Festivals, auf denen man einige der hier im Programm aufgelisteten Musiker wiedertreffen wird, sein Profil, bekommt einen ganz eigenen Stellenwert – und lockt vielleicht das Publikum aus der Hauptstadt auch mal in den Norden.

Mehr als 100 (im Falle von schlechtem Wetter drinnen im Zelt) oder 150 Konzertgänger wird man im Wiltzer Garten allerdings nicht aufnehmen können. „Wir haben lange Zeit an einem Plan A und einem Plan B gewerkelt. Irgendwann hat sich dann herausgestellt, dass wir das Festival definitiv nicht so groß aufziehen könnten, wie wir es erhofft hatten – vor allem, weil viele internationale Bands ihre Tourneen weiterhin verschoben haben. Uns war klar, dass wir die im Rahmen der Garden Sounds gesammelte Erfahrung nutzen würden und auf der Erfolgswelle dieser Konzertserie reiten könnten, um das Festival in kleinerer Auflage in unserem Garten stattfinden zu lassen“, so Elvira Mittheis, Direktorin von Cooperations Asbl.

Während ihres Konzerts am 18. Juli stellen TUYS (u.a.) ihre rezente EP „A Curtain Call for Dreamers“ vor
Während ihres Konzerts am 18. Juli stellen TUYS (u.a.) ihre rezente EP „A Curtain Call for Dreamers“ vor Foto: (C) ShadeCumini

Dass die aktuellen Auflagen mittlerweile Konzerte mit bis zu 2.000 Menschen zulassen, findet Mittheis zwar ein bisschen frustrierend, nichtsdestotrotz sei man froh über die Entscheidung, die Konzerte in einem überschaubareren Rahmen zu organisieren – so wähnen sich die Zuschauer in Sicherheit, im kommenden Jahr wird man das Festival dann wieder in gewohnter Größe organisieren können.

Zu den Musikern gesellt sich der von Autor Luc Spada kuratierte „Lit & Beats“-Abend – zusammen mit DJ Kwistax, der Künstlerin Suzan Noesen und dem Autor Gast Groeber dürfte das Event für eine multimediale Unterhaltung sorgen. Weltmusik-Aficionados besuchen den Garten für das Konzert des Marly Marques Quintetts, Chanson-Fans dürfte das Konzert von Adrienne Haan interessieren. „Da wir die Anzahl der Konzertabende herunterschrauben mussten, war es uns wichtig, auf maximalen Eklektizismus zu setzen – damit für jedes Alter und für jede Art von Musikfan etwas dabei ist“, erklärt Mittheis. Die Weeltzer Musek und das Kindermusical um den kleinen Drachen Kokosnuss werden beide im Amphitheater aufgeführt, da man hier mehr Publikum erwartet – und die Weeltzer Musek einfach auch auf der Bühne mehr Platz einnehmen dürfte, als es der pittoreske Garten verträgt.

Für das kommende Jahr wolle man das Konzept der Garden Sounds definitiv beibehalten, allerdings werde man die beiden Orte nicht gleichzeitig, sondern nacheinander bespielen: Im Frühjahr werden die Garden Sounds die Open-Air-Konzertsaison einleiten, das Festival wird dann wieder wie gehabt im Amphitheater stattfinden.

Winnetou, Picasso und ein Hammer

Ganz gleich ob Winnetou, Picasso, Basquiat oder eine quasi Pollocksche Herangehensweise an den Schaffensprozess: In einer berührenden Werkschau dreier Künstler, die im Kunstatelier des „Prabbeli“ arbeiteten, Teil des Künstlerkollektivs cooperationsART – eines in Luxemburg gegründeten interdisziplinären und inklusiven Künstlernetzwerks – sind und die sich jetzt im Ruhestand befinden, vermischen sich Kunstformen, Referenzen und Stile. Sitzgelegenheiten werden zu bizarren Skulpturen, aus denen Nägel herausragen, popkulturelle und kunstgeschichtliche Verweise kreuzen sich auf wenigen Quadratmetern.

Die Ausstellung „Ruhe! Von hier aus weiter“
Die Ausstellung „Ruhe! Von hier aus weiter“ Foto: © Prabbeli

Im Hauptausstellungsraum bleiben die äußeren Wände weiß, weil sich Gemälde und Kunstwerke allesamt in der Mitte des Raumes versammeln – so suggeriert Kurator Didier Scheuren, dass die kreativen Köpfe noch lange nicht mit ihrem Schaffensprozess abgeschlossen haben. Die Insel strotzt vor Gemälden, Videos, Skulpturen, ganz oben thronen Kunstwerke inmitten von Gebrauchsgegenständen wie Bierkasten, Radios oder Instrumenten, die das Schaffenswerk der ausgestellten Künstler kontextualisieren und uns in ihre Universen entführen – wie beispielsweise Jean-Pierre Ries’ Begeisterung für Winnetou, die er auch in seinen Kunstwerken verewigt.

Der Titel der Ausstellung – „Ruhe! Von hier aus weiter“ – thematisiert den ewigen Widerspruch: Selbst wenn er in den Ruhestand geht, hört ein Künstler niemals auf, Künstler zu sein – weshalb es immer wieder erstaunlich ist, wenn Kulturschaffende ankündigen, ihren Job an den Nagel zu hängen. Die drei hier ausgestellten Künstler Jean-Pierre Ries, Fernand Stumpf und Johny Schortgen leben seit ihrem Eintritt in den Ruhestand in betreuten Einrichtungen und haben auch dort ihre Ateliers, in denen sie ihrem ungebändigten Schaffensdrang freien Lauf lassen.

Die Idee für die Ausstellung habe man seit längerer Zeit reifen lassen, so Elvira Mittheis. Man verfüge schließlich über ein Kunstatelier im Haus – da lag es auf der Hand, dem Publikum einen Einblick in das Schaffen der Künstler zu geben. Jean-Pierre Ries und Fernand Stumpf waren in den 90ern dabei, als man mit der Gestaltung des Gartens angefangen habe, das „Prabbeli“ zu konzipieren – und gehören sozusagen zum Inventar des Kulturhauses. Beide sind somit fester Bestandteil der Entwicklung des Hauses, haben den sukzessiven Ausbau vom Garten zum umfangreichen Kulturhaus mitsamt Kino und Eventhalle miterlebt. Ihre Werkschau ist zugleich nostalgische Retrospektive und Blick nach vorne – mit dem inklusiven Kollektiv cooperationsART wird man auch in Zukunft weitere Ausstellungen organisieren.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 9. August. Das Festivalprogramm kann man auf www.prabbeli.lu aufrufen.