Ronaldo, die Mörderpuppe: Über den Wirbel um Fußballer-Büsten

Ronaldo, die Mörderpuppe: Über den Wirbel um Fußballer-Büsten

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Trifft Kunst auf Fußball, ist Reibungspotenzial garantiert: An mehreren Fußballer-Statuen haben sich 2017 die Geister geschieden. Fast schon reflexartig hagelte es Häme und Spott im Netz. Letztlich ging es vor allem um die Frage: Wie viel Ähnlichkeit muss sein?

Emanuel Santos gab sich trotzig. Man könne es nie allen Leuten recht machen, sagte der Bildhauer. Zuvor hatte Santos Spott und Häme kassiert: für eine Büste von Cristiano Ronaldo, die viele Internet-Nutzer, nun ja, eher mäßig gelungen fanden. Es hagelte unschmeichelhafte Vergleiche: Ronaldos Büste neben dem Bild von einem Messingtürknopf mit Teufelsgesicht oder «Chucky», der Mörderpuppe.

Tatsächlich sieht der im März auf Ronaldos portugiesischer Heimatinsel Madeira enthüllte Büsten-Cristiano dem Original nicht unbedingt wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich. Ein Auge hängt zu tief und der Mund lächelt ein wenig schief. Doch den Gesichtsausdruck der Büste kennt man von dem Weltfußballer durchaus. Ronaldo habe sie jedenfalls gefallen, versicherte Santos einem Radiosender.

Auch die Legende Diego Maradona blieb nicht verschont. 

Santos ist mit seinem Schicksal, dass sein Werk im Netz und auch in Medien verhohnepipelt wird, nicht alleine. Die Kombination Fußballer und Bildhauerkunst sorgt immer wieder für kuriose Schlagzeilen.

Zuletzt ging eine im indischen Kolkata enthüllte Statue der argentinischen Fußball-Legende Diego Maradona viral – und erntete Häme. Einer der Kommentare auf Twitter lautete: «Ich bin kein Fan von Maradona, aber diese Statue sieht aus wie eine alte Frau, die in der Nähe meiner Mutter wohnt.» Die Statue zeigt Maradona mit Lockenpracht und Weltpokal in der Hand. Nur: Wie eine Oma sieht sie nicht aus. Oft scheinen die spöttischen Kommentare einfach Reflex und natürlich geht es auch darum, wer den witzigsten Tweet absetzt – und viele Retweets und Likes damit sammelt.

Wie viel Ähnlichkeit muss sein?

Generell ist es aber schon eine berechtigte Frage: Wie viel Ähnlichkeit muss sein? Eine klare Antwort darauf gibt es nicht. Grundsätzlich ist es immer eine Sache zwischen Auftraggeber und Künstler. Ein detailgetreues Abbild des Vorbilds muss jedenfalls nicht das Ziel eines Bildhauers sein. Es gehe eher um den Versuch, das Wesen des Dargestellten bildhaft umzusetzen, sagt die Vorsitzende des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler, Dagmar Schmidt. «In dem Zusammenhang spielt das wirkliche Abbild nicht unbedingt die erste Rolle. Denn man versucht, darunter zu kommen.»

Unter diesem Blickwinkel leuchtet zum Beispiel auch die plastische Hommage an HSV-Idol Uwe Seeler ein: sein rechter Fuß als vier Tonnen schweres und fünf Meter langes Bronze-Abbild steht vor dem Hamburger Stadion. Mit diesem Fuß hatte Seeler unzählige Tore und sich damit in die Herzen der Fans geschossen.

Und was war die Intention hinter dem etwas schief blickenden Ronaldo-Kopf auf Madeira? «Es wirkt ein bisschen so, als habe der Künstler versucht, verschiedene Seiten des Fußballers zu zeigen», sagt Schmidt. Zum Thema Ähnlichkeit sagt sie: Wer hyper-realistische Ebenbilder wolle, könne heutzutage ja einen 3D-Druck machen. «Dann hätte man die originalen fotografischen Abbilder – aber die Kunst geht darüber in der Regel hinaus.»

Eine Büste von Gareth Bale und die Selbstironie des Bildhauers

Das sieht auch der heftig geschmähte Emanuel Santos so: «Eine Skulptur ist eine Skulptur, und eine Fotokopie ist eine Fotokopie», sagte er in dem Radio-Interview. Von Fußballern die Finger gelassen, hat er wegen der Erlebnisse aber nicht. Mit Gareth Bale hat er schon längst den nächsten bekannten Fußballer porträtiert. Unter die Büste des Walisers – wie Ronaldo in Diensten von Real Madrid – schrieb der Künstler selbstironisch «Von Emanuel Santos, Bildhauer – ja, er schon wieder». Für die Bale-Büste erntete er zwar erneut Spott, aber auch Anerkennung. Tenor: Diesmal habe er das Original besser getroffen.

Von Cristiano Ronaldo gibt es indes schon eine weitere Statue, geschaffen von einem anderen Künstler, für das Real-Madrid-Museum. Ernste Miene, volle Lippen, perfekt sitzende Haarpracht. Sie zeigt einen ikonischen Ronaldo, hält sich aber auch recht nah am Vorbild. Entsprechend wohlwollend fielen die Reaktionen aus: «Die neue Büste
ist nun nach dem Geschmack von allen», meinte die Zeitung «Sport».