EditorialRespektiert werden ist kein Privileg einer Gruppe

Editorial / Respektiert werden ist kein Privileg einer Gruppe
„Car is over“, was so viel bedeutet wie: Autos sind passé … zu Fuß gehen allerdings nicht Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Im Rahmen der europäischen Mobilitätswoche (vom 16. bis 22. September) wirbt die Stadt Luxemburg zusammen mit anderen Partnern wie dem Mobilitätsministerium, CFL, Luxtram und Info-Handicap für mehr Respekt in den öffentlichen Verkehrsmitteln und Gebäuden, wie z.B. in Bahnhöfen oder an Bushaltestellen. Im Grunde ist die Kampagne „Alle solidarisch unterwegs“ ein Aufruf zu gutem Benehmen im Alltag – was nebenbei bemerkt aber auch ein Armutszeugnis für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft bedeutet, wenn über eine öffentliche Kampagne zu guten Manieren aufgerufen werden muss. Appelle zu mehr Respekt unter Verkehrsteilnehmern fehlen in der Kampagne allerdings. Und dabei ist Respekt auf der Straße und auf den Bürgersteigen ebenso notwendig wie in den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Null Emissionen auf der einen Seite vs. etliche Schadstoffe auf der anderen: Dass Radfahren und Zufußgehen wesentlich umweltfreundlicher sind als Autofahren, dürfte mittlerweile wohl jedem klar sein. Das Fahrradnetz wird deswegen auch kontinuierlich ausgebaut – wogegen eigentlich nichts einzuwenden ist. Mehr Fahrräder (vor allem in den Städten) bedeuten weniger Schadstoffe, wenn die Radfahrer ihren Wagen zu Hause stehen lassen. Es gibt natürlich Ausnahmen, etwa wenn hastig improvisierte, sogenannte Pop-up-Fahrradspuren wie am Escher Boulevard Grande-Duchesse Charlotte für Staus sorgen und somit zu mehr Schadstoffemissionen führen, aber von Radfahrern kaum benutzt werden.

Nichtsdestotrotz: Fahrradfahren ist in, und das nicht erst seit gestern. Staatliche Prämien für den Fahrradkauf und E-Bikes wie Vel’Oh sollen zum Fahrradfahren bewegen. Dass dieses Konzept bei eingefleischten Autofahrern nicht auf Gegenliebe stößt, ist kaum verwunderlich und birgt Konfliktpotenzial. Die Forderung nach mehr Respekt gegenüber Radfahrern ist durchaus verständlich, sind sie im Vergleich zu Autofahrern doch die wesentlich Schwächeren und damit verletzlicher.

In der Diskussion um die Förderung des Radverkehrs in den Städten scheint der schwächste Verkehrsteilnehmer – der Fußgänger – allerdings oft vergessen zu werden. Ein Negativbeispiel hierfür sind die Fahrradwege durch den hauptstädtischen Park rund um die Villa Louvigny, wo sich Radfahrer und Fußgänger die Wege teilen, was eine Gefahr für den schwächeren Verkehrsteilnehmer darstellt.

Persönlich fühle ich mich als Fußgänger in einer Stadt weniger vom Auto- als vom Radverkehr bedroht; auf einem Bürgersteig ist mir bis dato noch nie ein Auto entgegengekommen; Radfahrern begegne ich dort allerdings regelmäßig, ebenso immer häufiger Elektrotretrollern.

Radfahrer, die sich regelmäßig – und zu Recht – über die Respektlosigkeit von Autofahrern ärgern und u.a. eine strikte Einhaltung des 1,50-Meter-Minimalabstands beim Überholen fordern, sollten Fußgängern gegenüber den gleichen Respekt zeigen, den sie von Autofahrern verlangen. Der Mangel an speziellen Radwegen darf keine Entschuldigung sein für Fahrrad-Rowdytum auf Bürgersteigen oder das Ignorieren von roten Ampeln. Respekt fordern darf nur der, der auch anderen Respekt zollt.

Phil
24. September 2022 - 18.46

Das Problem beim Radfahren und Zufußgehen ist, dass man pro Zeiteinheit nicht allzuweit kommt. Ausserdem wird man, je nach Petrus Laune, nass, friert oder schwitzt. Was den Respekt angeht, kann ich nur sagen: Respekt hat man nicht, Respekt verdient man sich! Aber genau da happert es bei vielen Zweirädlern und Trottinettentretern. Zu meiner Radlerzeit hat man kein so ein Gedöhns gemacht wie heutzutage. Man hat sich auf den Drahtesel geschwungen und ist losgeradelt. Auch wenn ich heute noch fit bin, überlass ich die Radlerei lieber den Hardcore-Bikern welche mit verzerrtem Gesichtsausdruck, im permanenten Kampf gegen Uhr und inneren Schweinehund beim Pedaltreten den Fahrradrahmen verbiegen. Deshalb bin ich dankbar für jeden Tag an welchem unser Herrn mir die mentale und physiche Abilität schenkt die ich brauche um verantwortungsvoll mit meinem Auto mein Ziel zu erreichen... wo immer es sein mag.

Kay
20. September 2022 - 17.36

In Luxemburg wird der Fahrradverkehr (entgegen dem Code de la route) vom Autoverkehr und auch von der Polizei aufs Trottoir verdrängt. Fehlende Infrastruktur macht das nicht besser, sondern verstärkt die Problematik nur. So werden halt Radfahrer und Fußgänger gegeinander ausgespielt - natürlich zugunsten der Autofahrer. Wenn dann Jugendliche mit ihren Gefãhrten auf dem Trottoir fahren, ist das selbstverständlich doof, aber sie haben es ja nie anders gelernt. In Deutschland kostet das Fahren auf dem Trottoir bis zu 50€ Strafe. Zu Recht. In ihrem Editorial erwähnen Sie nicht, wo Fahrradverkehr statt finden soll. Nur, wo es nicht sein soll. Sehr wahrscheinlich wollen Sie, wenn Sie Auto fahren, auch keine Fahrräder auf der Straße und faseln dann von Radwegen, die in der Realität mit Mülltonnen und Autos zugestellt sind oder von Fußgängern mitbenutzt werden, gerne mit Kinderwagen, bzw. von irgendwelchen Vëlospisten "in unmittelbarer Nähe", also etwa einen Stadtteil entfernt. Es ist exakt das, was der Kölner Schriftsteller Max Annas wie folgt beschreibt: "Fußgänger sind in aller Regel Autofahrer, die geparkt haben."

Foussgänger
20. September 2022 - 12.55

Ganz gudden Artikel, deem kann ech némmen zoustémmen.

Beobachter
20. September 2022 - 9.35

Wenn die Radfahrer die Fußgänger respektieren würden, könnten beide durchaus auf breiten Bürgersteigen nebeneinander bestehen können.Ein allgemeines Fahrradverbot auf Bürgersteigen muss neu gedacht werden! Mit Vorsicht und Respekt gibt es in diesem Raum viele Möglichkeiten.