Luxembourg Air RescueRené Closter geht – ungern – in Rente

Luxembourg Air Rescue / René Closter geht – ungern – in Rente
Der Blick schweift in die Ferne. Nachdenklicher als üblich: René Closter will lernen, wie man loslässt, nach 33 Jahren als Gründer und Chef der Luxembourg Air Rescue. Foto: Editpress/Julien Garroy

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Seit 33 Jahren gehören René Closter (69) und die „Luxembourg Air Rescue“ (LAR) untrennbar zusammen. Nun geht der Lotse von Bord, ungern und auch nicht ganz. Der Gründer der LAR bleibt Präsident des Verwaltungsrates und er bleibt das Gesicht der Rettungsflugwacht. Trotzdem will er in seiner Pension ab 1. Mai lernen, sich abzunabeln. Warum seine Idee 1988 auf starke Widerstände stieß, versteht der „Captain“ bis heute nicht.

Donnerstagmittag. Zentrale der Air Rescue am Findel. René Closter wirkt nachdenklich. Einen Tick weniger jovial als üblich. Sein gewohnt wacher Blick schweift manchmal in die Ferne. Dann aber, beim Fotoshooting auf dem Vorfeld, glänzen die Augen: „Schauen Sie, beeindruckend, nicht wahr?“, sagt er und zeigt auf die Hangars der Air Rescue.

Manchen sind sie vielleicht heute noch ein Dorn im Auge. Dass die Hallen mit Verwaltungsgebäude, Einsatz- und Wartungszentrum sowie Platz für Helikopter und Flugzeuge überhaupt hier und in der Form gebaut wurden, ist zum großen Teil das Verdienst von René Closter. Er, der „Dickschädel aus dem Ösling“, wie Jean-Claude Juncker ihn mal nannte, hat sich durchgesetzt.

Die 1988 gegründete Luxemburger Flugrettungswacht ist René Closters Baby. Aus dem Blickwinkel kann man auch seine Nachdenklichkeit verstehen. Sie hat einen Grund: Ab 1. Mai ist der 69-Jährige in Pension. Ein Umstand, der ihm am letzten Tag im Büro doch etwas zu schaffen macht. Das sieht man nicht nur, er sagt es auch offen. Das erklärt auch, warum er sich im Tageblatt-Gespräch etwas schwer damit tut, das Heute als Vergangenheit und die Pläne für morgen als neue Gegenwart zu akzeptieren. „Our Captain“, wie er von seinen Mitarbeitern genannt wird, war Berufsfeuerwehrmann, bevor er 1988 die Air Rescue gegründet hat. Das war vor 33 Jahren.

Tageblatt: René Closter, was wird ab Samstag anders sein?

René Closter: (zögert, schmunzelt und denkt vielleicht: „Unverschämte Frage“) Was anders sein wird, muss ich jetzt erst mal lernen. Ich weiß es nicht. Ich muss jetzt lernen, wie man sich abnabelt von einer Organisation, die man selber gegründet hat. Ich habe nie hier gearbeitet. Ich habe für diese Organisation gelebt. Das war mein Leben. Ich hatte kein Hobby, ich hatte sonst nichts, das war mein Leben, das war alles für mich und das ist es heute immer noch.

Was ist zu kurz gekommen im Berufsleben?

Sicher sind Sachen zu kurz gekommen, Freunde, Familie, weil ich immer nur Air Rescue im Kopf hatte und Air Rescue gelebt habe.

Gibt es denn einiges, was Sie jetzt nachholen … wollen?

Ich werde mich mal etwas mehr um mich selber kümmern (klingt eher so, als müsste er sich selbst davon überzeugen). Ich werde Sport machen, Fahrrad fahren, mehr Zeit mit Familie, Freunden sowie meinen Tieren verbringen.

Tieren?

Ja, mit einem Kollegen halten wir Hochland-Rinder. Ich sammle alte Autos, an denen ich auch selbst herumbastle. Ich werde also nicht unbeschäftigt sein. (Lieber René Closter, auf Rinder und Autos werden wir demnächst noch mal zurückkommen, wenn Sie Zeit haben.)

Als Jugendlicher haben Sie in Ihrem Geburtsort Ulflingen Fußball gespielt. Mit 16 bereits Torhüter der ersten Mannschaft. Wussten Sie damals schon, was Sie machen wollten im Leben?

Meine berufliche Kariere war bei meiner Geburt bestimmt nicht vorgezeichnet. Meine Eltern waren arme Leute, der Vater war Arbeiter, er ist aus dem KZ zurückgekommen. Wir waren Selbstversorger. Wir haben von dem gelebt, was im Garten gewachsen ist, von den Tieren, die wir hielten. So haben wir überlebt. Meine Mutter war oft krank. Ich musste früh Verantwortung übernehmen und mich von klein an um meine Brüder kümmern. Das hat mich alles schon sehr stark geprägt.  Auch die Klassengesellschaft auf dem Dorf. Der Priester kam an erster Stelle, dann Bürgermeister, Gendarm und Lehrer, und dann kam das gemeine Volk.

Ich erinnere mich, dass meine Mutter unsere zerrissenen Hosen immer wieder geflickt hat. Die Flickarbeit konnte man sehen. Ich habe mich geschämt, die anderen hatten alle so schöne Hosen. Eine Geschäftsfrau hat mich getröstet und gemeint, es gebe nur wenige Frauen, die so gut nähen könnten wie meine Mutter.

„Ihre“ Air Rescue stand besonders zu Beginn, aber auch später noch, Anfeindungen und Verhinderungsversuchen gegenüber. Wie haben Sie das empfunden?

Wenn ich heute, mit viel Distanz, zurückblicke auf die Anfänge, dann denke ich, was gewesen wäre, wenn ich ein Uni-Diplom in Händen gehalten hätte, wenn ich aus einer Akademikerfamilie gekommen wäre, der Vater Arzt oder Staatsbeamter … Wäre es dann vielleicht einfacher gewesen?

Ich kam aber aus anderen, ärmlichen Verhältnissen, da haben die Leute vielleicht gedacht, was erlaubt der sich jetzt, hier zu machen? Ich habe manchmal den Eindruck, dass es meine Herkunft war, die die Leute gegen mich aufbrachte.

Verständnis für dieses Verhalten hatte ich nie. Ich dachte immer, wie kann jemand dagegen sein, dass einem Menschen in Not schnell und qualifiziert geholfen wird? Diese Ablehnung einer guten Idee habe ich nie verstanden.

Sie haben Ausdauer bewiesen und sich durchgesetzt. Wie beim Marathon. Wie viele sind Sie gelaufen?

Etliche, allerdings Halbmarathons.

Ausdauer zieht sich wie ein roter Faden durch Ihr Leben …

… ja, ich bin, wie gesagt, geprägt von meiner Kindheit in relativ großer Armut, aber absoluter Geradlinigkeit. Alles war korrekt. Wir hatten ein absolut korrektes Familienleben. Klare Regeln. Ein schönes Umfeld, das sage ich heute, damals habe ich das nicht so gesagt. Ich habe auch von meinem Vater gelernt, dass man aus allem etwas machen kann, dass man nichts wegwerfen muss.

Eine Frage zur Aktualität. Was dürfen Rettungsdienste kosten, wie müssen sie aufgestellt sein, um bestmöglich helfen zu können? Darüber wird zurzeit ja viel debattiert. Wie sehen Sie diese Diskussion?

Etwas differenziert. Ich hoffe, dass durch diese ganzen Professionalisierungsbestrebungen, die wohl wichtig sind, trotzdem aber die Struktur der freiwilligen Helfer nicht auf der Strecke bleibt. Ich komme vom Dorf und weiß, was die Freiwilligen bedeuten für die Vereine und das Zusammenleben der Menschen und besonders auch für die jungen Menschen und ihr Heranwachsen. Ich habe ein wenig Angst, dass dieser „Esprit“ verschwinden könnte.

Von der Rolle der Air Rescue hat man noch nicht so viel gehört im Zusammenhang mit dem nationalen Rettungsplan, dem PNOS, oder?

Dass nicht viel von uns geredet wird, sind wir gewohnt (René Closter lächelt). Ich glaube aber, dass die Air Rescue heute eine Position im Rettungswesen gefunden hat, dank der wir gut mit allen zusammenarbeiten können, kameradschaftlich und freundschaftlich, im Dienste der Menschen, die Hilfe brauchen.

Wenn es um Geschwindigkeit geht, ist der Helikopter ja kaum zu toppen!

Genau. Von Ettelbrück nach „Ëlwen“ in 7 Minuten, zum Beispiel.

Ihre zukünftige Rolle bei der Air Rescue? Ganz loslassen werden Sie ja sicher nicht, oder täuschen wir uns?

Ich werde Präsident vom Verwaltungsrat der LAR (Luxemburg Air Rescue) bleiben und auch einige Aufgaben übernehmen. (Behalten wäre durchaus das treffendere Wort gewesen.) Zum Beispiel die Firmenstrategie, die Verbindungen zur Politik, und ich werde noch einige Zeit das Gesicht der Air Rescue bleiben und den Betrieb nach außen vertreten.

In einem Film über Sie heißt es, sie besäßen ein magisches Talent, nämlich die Welt mit anderen Augen zu sehen. Mit welchen Augen sehen Sie denn nun Ihre Pension?

Ich weiß das eben noch nicht. (Schon wieder diese impertinente Frage, könnte René Closter gedacht haben.) Möglicherweise werde ich die Rettungsdienste etwas anders betrachten. Wir werden sehen.

Was behalten Sie als positives Erlebnis bei der Air Rescue zurück?

Also erstens, dass es in den 33 Jahren hier im Betrieb keinen Unfall gegeben hat, dass wir keinen Menschen im Dienst verloren haben. Das ist schon enorm, denn wir kommen ja doch viel rum in der Welt. Viele gefährliche Einsätze sind dabei. Diese Bilanz macht mich extrem froh, das würde ich schon als meinen größten Erfolg sehen.

Das Zweite ist, dass ich viele fantastische Leute kennenlernen durfte, vor allem meine Mitarbeiter hier im Haus.

Bleib hungrig, bleib verrückt, bleib ein Kind. Das würden Sie als Lebensmotto unterschreiben?

Auf jeden Fall, ja.

Was ist Ihr Traum?

Einer, der sich mit Sicherheit erfüllen dürfte, ist auf jeden Fall mal, dass die Firma weiterlebt. Sie ist gut aufgestellt. Infrastruktur- und personalmäßig: Unsere Leute machen den Unterschied.

Nomi
3. Mai 2021 - 12.47

@ Tief Gruen : Ech denken an hoffen datt den FB do Naischt, awer och guer Naischt ze so'en huet, well daat eng vum Staat onoofhaengech Organisatio'un ass !

Tief Grün
2. Mai 2021 - 15.43

Wei get dem sein Posten dann elo besat? Huet den Här Bausch schon eng Idee?

Harry
1. Mai 2021 - 17.53

Ein Pionier geht in sein wohl verdienten Ruhestand, hat in seiner Karriere sehr bemerkenswertes aufgebaut, ist mit den Füssen am Boden geblieben, ein grosser Respekt für sein Lebenswerk das er geschaffen hat um Menschenleben zu retten.Chapeau.