UngarnRekordinflation trotz Ausnahmeregelungen bei Russland-Sanktionen

Ungarn / Rekordinflation trotz Ausnahmeregelungen bei Russland-Sanktionen
Ungarns Regierungschef Viktor Orban treibt mit seinen politischen Manövern die Inflation in seinem Land auf Höchstwerte – und macht, wie üblich, die EU dafür verantwortlich Foto: Szilard Koszticsak/MTI/AP/dpa

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Die von ihm abgelehnten Russland-Sanktionen macht Ungarns Premier Viktor Orban für die Teuerungswelle im Donaustaat verantwortlich. Tatsächlich weist das Land trotz der von Budapest erfochtenen Ausnahmeregelungen die höchste Inflationsrate in der EU auf. Einige Gründe dafür sind hausgemacht.

Lange pilgerten die Kroaten zum Einkaufen über die ungarische Grenze. Doch seit Wegfall der Schengengrenze zu Jahresbeginn machen sich vermehrt die Ungarn zu Shopping- und Tanktouren ins südliche Nachbarland auf. Auch weil die Preise im Adriastaat seit der Euro-Einführung kräftig gestiegen sind und in den jeweiligen Grenzgebieten viele Kroaten zum Einkaufen nun vermehrt nach Bosnien, Serbien oder Slowenien fahren, sorgen die ungarischen Shopping-Touristen bei Kroatiens Medien für Erstaunen.

„Die Ungarn strömen in Massen nach Donji Miholjac“, berichtete schon zu Jahresbeginn Kroatiens TV-Sender HRT verwundert über den auffälligen Andrang in dem Grenzort: Vor allem Benzin, aber auch Gemüse, Fleisch und Hygiene-Artikel seien bei den Einkaufs- und Tanktouristen gefragt. Umgekehrt seien vor den Supermärkten auf der ungarischen Seite der Grenze so gut wie keine Autos mehr mit kroatischen Kennzeichen zu sichten: „Das goldene Zeitalter“ der massenhaften Einkaufstouren von Kroaten sei dort vorbei.

Tatsächlich ist Ungarns Inflationsrate im Dezember auf 24,5 Prozent und damit auf den höchsten Wert seit 26 Jahren geklettert. Damit weist der Donaustaat die mit Abstand höchste Inflationsrate in der EU auf: Durchschnittlich lag diese bei den EU-Partnern im Dezember bei 10,4 Prozent.

Für Premier Viktor Orban ist die Ursache für Ungarns Rekordinflation ausgemacht. Ohne die EU-Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskriegs in der Ukraine würden die Energiepreise und die Inflation „um die Hälfte fallen“, forderte der russophile Chef der nationalpopulistischen Fidesz-Partei im ungarischen Staatsradio Mitte Januar zum wiederholten Male deren Aufhebung: „Es steht fest, dass Amerika den Krieg gewonnen und Europa ihn verloren hat.“

Orbans Wahlgeschenke als Inflationstreiber

Dass ausgerechnet das Land, das sich die meisten Ausnahmen von den Sanktionen erstritten hat, die höchste Inflationsrate der EU aufweist, ist jedoch auch mit hausgemachten Gründen zu erklären. „Orban hat mit seinen verzweifelten Maßnahmen die Ungarn dazu getrieben, in Kroatien einzukaufen“, konstatiert bissig das Zagreber Portal index.hr.

Tatsächlich ist es nicht nur der stark gefallene Forint-Kurs, der Importprodukte verteuert. Orbans kostspielige Wahlgeschenke vor der Parlamentswahl im April hatten die Inflation schon vor dem Ukrainekrieg steigen lassen. Als im Sommer die Energie- und auch die Nahrungsmittelpreise in die Höhen schnellten, reagierte die Regierung mit Preisbegrenzungen. Doch der Markt reagierte auf die staatlichen Interventionen anders als von Budapest erhofft.

Die nur für Inländer geltende Deckelung der Treibstoff- und Energiepreise sorgte dafür, dass Energiespareffekte ausblieben. Viele Tankstellen schlossen wegen des unrentabel gewordenen Betriebs ihre Zapfsäulen. Als Budapest im Dezember die Preisbegrenzungen wegen der zunehmenden Verknappung von Treibstoff wieder aufhob, sorgte dies für einen zusätzlichen Inflationsschub.

Kontraproduktive Preisdeckelung

Mit umgerechnet 1,58 Euro pro Liter Eurosuper 95 bewegen sich Ungarns Benzinpreise mittlerweile zwar auf dem Niveau von Österreich (1,59 Euro), aber deutlich über dem der Nachbarn Slowenien (1,29 Euro), Rumänien (1,33 Euro) oder Kroatien (1,40 Euro). Doch nicht der Energiesektor weist mit 55,7 Prozent in den letzten zwölf Monaten (EU: 37,2 Prozent) eine überdurchschnittliche Teuerungsrate auf. Auch die Nahrungsmittelpreise zogen mit 47,9 Prozent (EU: 17,8 Prozent) auffällig stark an. Auch hier haben die von Budapest für bestimmte Produkte verhängten Preisbegrenzungen einen umstrittenen Effekt.

Ob durch Hamsterkäufe oder Produktionsdrosselung: Die Produkte mit Fixpreisen sind ständig ausverkauft, während die von Alternativprodukten in exorbitante Höhe schnellen. So fror Budapest die Preise für Milch mit einem Fettgehalt von 2,8 Prozent ein. Doch nun hat sich der nicht begrenzte Preis für Milch mit einem Fettgehalt von 1,5 Prozent nahezu verdoppelt.

Die Preisdeckelungen sorgten für einen zusätzlichen Inflationsschub von drei bis vier Prozent und sollten „sofort auslaufen“, mahnt Nationalbankchef György Matolcsy. Doch die Warnungen des früheren Wirtschaftsministers, der lange als sehr loyaler Gefolgsmann von Orban galt, finden im Kabinett kein Gehör. Vergangene Woche hat Agrarminister Istvan Nagy eine Verlängerung der Preisdeckelungen bis April angekündigt: Diese seien eine soziale Maßnahme, „um die Verbraucher zu schützen“.