EditorialRechtsstaatlichkeit: Die EU-Parlamentarier dürfen nicht vor Viktor Orban einknicken

Editorial / Rechtsstaatlichkeit: Die EU-Parlamentarier dürfen nicht vor Viktor Orban einknicken
Ungarns Regierungschef Viktor Orban will von der EU nur das Geld, nicht die Regeln für eine demokratische Staatsführung Foto: AFP/Pool/Johanna Geron

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Vier Tage lang hatten die EU-Staaten im Juli miteinander über die Aufstellung eines mehrjährigen Haushaltsplans und eines viele Hundert Milliarden Euro schweren Hilfspakets für die Ankurbelung der Wirtschaft in der Union gerungen. Doch die Chefs hatten damit erst die Hälfte der Strecke geschafft. Denn dem gemeinsamen Haushalt muss das Europäische Parlament (EP) zustimmen. Und dieses hat seine Forderungen und Vorstellungen zum gemeinsamen Finanzgebaren. Es stimmt zwar, dass die EU-Länder in Budgetfragen mehr Gewicht haben, sind es doch sie, die den größten Teil zum Haushalt beisteuern. Dennoch steht es den EP-Abgeordneten ebenso wie jedem einzelnen Mitgliedstaat zu, ihre berechtigten Interessen vorzubringen und gegebenenfalls ein Veto einzulegen, sollten diese nicht gebührend berücksichtigt werden.

Knackpunkt bei den Verhandlungen zwischen den 27 und dem EP dürfte nicht so sehr, wie man annehmen könnte, die Höhe des Haushalts oder der künftige Anteil der Eigenmittel für das Unionsbudget sein, auch wenn dies zwischen dem Rat und den EU-Parlamentariern ebenfalls sehr umstritten ist. Der eigentliche Streit dürfte vielmehr darüber geführt werden, inwieweit die Auszahlung von EU-Geldern mit der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit und europäischer Grundwerte verknüpft wird. Die EP-Abgeordneten haben längst deutlich gemacht, dass sie dem mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) nicht zustimmen werden, wenn diese Forderung nicht erfüllt ist. Noch gestern Abend haben die Parlamentarier über eine legislative Entschließung diskutiert, die in diesen Tagen verabschiedet wird, in der genau diese Konditionalität gefordert wird.

Zwar ist auch eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten für die Einführung eines Mechanismus, der die Auszahlung von Geldern aus Brüssel an EU-Länder einschränkt, sollten sich diese nicht an rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien wie eine unabhängige Justiz oder Meinungs- und Pressefreiheit halten. Dagegen sprechen sich allerdings mindestens zwei der vier Visegrad-Staaten – Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn – aus. Um diese doch noch mit an Bord zu holen, hat der derzeitige deutsche EU-Ratsvorsitz in einem neuen Verhandlungsvorschlag diesen Mechanismus derart verwässert, dass er in der Praxis kaum zur Anwendung kommen dürfte. Doch auch damit ist der ungarische Regierungschef Viktor Orban nicht zufrieden, der das Thema lieber ganz vom Tisch haben will. Sollte es zu keiner Einigung kommen, steht nicht nur der mehrjährige Haushaltsplan, sondern auch die 750 Milliarden Euro umfassende Wirtschaftshilfe für durch die Corona-Krise ins Straucheln geratene EU-Staaten auf dem Spiel.

Nun ist die Stunde des EU-Parlaments gekommen: Die EP-Abgeordneten müssen jetzt zeigen, wie ernst es ihnen als europäische Volksvertreter mit der Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit und grundlegender Werte in der EU ist. Bleiben sie standhaft und beharren auf ihrer Forderung oder knicken auch sie wie der deutsche EU-Ratsvorsitz, wie die konservative Europäische Volkspartei (EVP) vor Viktor Orban ein und kommen ihm entgegen? Es wäre eine Bankrotterklärung für die Demokratie in Europa und eine Ermutigung für alle rechtsnationalen Populisten, ihr Vorhaben, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, weiterzuführen. Wer es auf die Spitze treiben will, könnte auch gleich EU-Beitrittsgespräche mit Lukaschenkos Weißrussland in Erwägung ziehen.

Nomi
6. Oktober 2020 - 13.38

D'EU muss endlech Neel mat Kaepp machen, bei all Thema, bei all Sujet ! Oder se geht d'Baach ann !

Let‘z happen
6. Oktober 2020 - 10.23

Die Europäer spielen Frau Kling und glauben ,wie alte Dorfklatschweiber, sich in jegliche Interna anderer Staaten einzumischen. Allerdings dort , wo es nötig wäre, Beispiel Türkei, Krisen , Konflikte, Kriege befeuert werden, geben sie kleinlaut bei und sogar unser „Merde Alors Nationale“ findet diplomatische Worte das Gebären , den Feuersturm der Türkei schönzureden.“ Verlueren Welt mat verdréiten Moralvirstellungen. »