JustizRechtsanwaltskammer hat neue Vorsitzende

Justiz / Rechtsanwaltskammer hat neue Vorsitzende
Die neue „Bâtonnière“ Valérie Dupong Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Die Rechtsanwaltskammer Luxemburg hat am Dienstag die Presse zu einem Empfang mit dem Thema „Promotion, progrès et service“ in die Räume der „Maison de l’avocat“, Boulevard Joseph II, eingeladen.

Wie wichtig die Konzentration des Vorstandes auf Sachfragen ist, zeigen die vielfältigen Themen und Herausforderungen, mit denen sich die neue „Bâtonnière“ Me Valérie Dupong und die Anwaltschaft derzeit beschäftigen. Valérie Dupong ist die sechste „Bâtonnière“ von bisher 67 Vorsitzenden der Anwaltskammer. Sie wird für zwei Jahre im Amt sein.

Die Rechtsanwaltskammer zählt mittlerweile 3.011 Mitglieder. Davon sind 1.693 Rechtsanwälte und 810 Anwälte („Stagiaires“). Die Anzahl der „Avocats européens“ beträgt 544. Es gibt 181 Anwaltskanzleien in Luxemburg. Auf 1.607 Männer kommen 1.452 Frauen.

Rechtshilfe

Besonders liegt der neuen Vorsitzenden der Anwaltskammer die Rechtshilfe am Herzen. Die Vorort-Betreuung des rechtssuchenden Publikums stelle eine weitere – und vielleicht noch wichtigere – Aufgabe dar. Me Valérie Dupong will die betroffenen Bürger ermutigen, Rechtshilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie es tun können. Sie spornt die Bürger dazu an, bei einem rechtlichen Problem öfter zum Anwalt zu gehen. „Une bonne consultation vaut de l’or“ und kann einen Gerichtsprozess vermeiden, sagte die Vorsitzende. In der Periode 2019-2020 wurden 4.744 Rechtshilfen gewährt. Die Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“) unterstützt die Rechtsanwaltskammer beim Vorhaben, ein „abgestuftes System“ einzuführen. Unstreitig bedarf es hier einer Erneuerung, wie nicht zuletzt die einschlägigen Entscheidungen der Anwaltschaft zeigen.

Das Geldwäsche-Gesetz vom 25. März 2020 erweitert die Zuständigkeiten des „Conseil de l’ordre“ in Fragen der Geldwäsche-Bekämpfung erheblich und verleiht ihm umfassende Befugnisse. Ex-„Bâtonnier“ Me François Kremer sprach hier von „sensiblen Dossiers“. Das Ziel der „Groupe d’action financière“ (GAFI) ist die Bekämpfung jeglicher Form der Bedrohung oder des Missbrauchs der Integrität des internationalen Finanzsystems. Hierzu definiert und legt diese Standards fest bzw. führt rechtliche, regulatorische sowie operationelle Maßnahmen ein. Die Gruppe umfasst inzwischen 34 Mitgliedstaaten sowie die Europäische Kommission als auch den Kooperationsrat der Golfstaaten (GCC).

Seit September 2020 wird die Luxemburger Anwaltskammer in Bezug auf Personal und Ressourcen gestärkt. Im Durchschnitt wird zweimal pro Woche kontrolliert, manchmal mehr. Disziplinarfälle in Bezug auf Anwälte gehören zur täglichen Arbeit der „Bâtonnière“. Die Kontrollen sind laut ihr „très strictes“. Bei Regelverstoß können die Entscheidungen von der Verwarnung bis zum Verbot der lebenslangen Ausübung des Berufs reichen.

Berufsgeheimnis

Bestrebungen, das Berufsgeheimnis zu lockern, ist die Anwaltskammer mehrheitlich entgegengetreten. Die Urteile des Verwaltungsgerichts vom 29. September 2020 zu den „Panama Papers“ hätten gezeigt, dass die Anordnung des „Bâtonnier“ an die Anwälte, die Geheimnisse ihrer Mandanten nicht preiszugeben, angemessen war. Festgestellt wurde, dass die Steuerverwaltung einen Machtmissbrauch begangen hatte. Der Schutz der Kundengeheimnisse ist ein wesentlicher Faktor für die Verteidigung. Damit wird die Rechtsstaatlichkeit gewahrt.

Die Angriffe gegen Anwälte, aber auch gegen Gerichte in anderen Ländern, wie der Türkei, Ungarn und Polen, sind sehr besorgniserregend. Sie zeigen, dass die Menschenrechte noch immer vernachlässigt werden.

Die Rechtsanwaltskammer beteiligt sich aktiv an der Arbeit der Justiz im Hinblick auf die Schaffung einer „papierlosen Justiz“. Ein Plattform-Prototyp wird getestet. „C’est très long et compliqué“, sagte Me Dupong. Das Projekt ist noch lange nicht abgeschlossen. Zurzeit würde das Justizministerium aktiv mit Rechtsanwälten, Richtern, Gerichtsvollziehern und Notaren an der Ausarbeitung eines Gesetzes über den Zugang zum Beruf arbeiten. Das Projekt wird grundlegende Veränderungen erfahren. Beispielsweise wird der Zugang zu zusätzlichen Kursen im luxemburgischen Recht (CCDL) wahrscheinlich einer Aufnahmeprüfung unterliegen. Das ist erforderlich, um zu sehen und zu überprüfen, ob die Kandidaten über das erforderliche Wissen verfügen.

Die Covid-19-Krise hat die Anwaltschaft hart getroffen. Junge Anwälte und kleinere Kanzleien sind besonders von dem Defizit bei steigenden Betriebskosten betroffen. Ungeachtet staatlicher Beihilfen rechnet die Rechtsanwaltskammer mit Insolvenzen. Me Dupong ging aber auch auf das Thema Gleichberechtigung ein.  Sie sprach von moralischer und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. „Helfen heißt verhindern“, sagte die Vorsitzende der Anwaltskammer. In naher Zukunft wird ein spezieller Dienst eingerichtet, der in Not geratenen Anwälten Unterstützung bietet. Fachleute oder kompetente Dienste würden sich in Zukunft darum kümmern.