JustizProzess um in Schrebergarten erstochenen 25-Jährigen beginnt

Justiz / Prozess um in Schrebergarten erstochenen 25-Jährigen beginnt
Der Tatort in Merl sieht heute ganz anders aus als 2018. Damals wurde dort im Mai die Leiche eines Mannes gefunden. Wohl sitzt seit einem Jahr ein Mann aus Lettland in Untersuchungshaft. Ob er der Täter ist, wird sich herausstellen müssen. Am ersten Prozesstag am Donnerstag schien das nicht sicher. Es gibt keine Zeugen. Foto: Editpress/Alain Rischard

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Vor drei Jahren, im Mai 2018, wurde in einem Schrebergarten in Merl die Leiche eines 25-jährigen Ungarns gefunden. Er ist gewaltsam zu Tode gekommen, was mit zu den wenigen Gewissheiten in diesem Fall zählen dürfte. Am Donnerstag begann der Prozess. Wie er ausgeht, ist zum jetzigen Zeitpunkt mehr als ungewiss. Bisher gilt: im Zweifel für den Angeklagten.

Im Mai 2018 wird in einem Schrebergarten in Merl eine männliche Leiche gefunden. Sie befindet sich bereits in einem Zustand starker Verwesung. Das lässt sich durch die damals herrschenden hohen Temperaturen erklären. Außerdem weist sie im Bauchbereich eine 14 Zentimeter lange Schnittwunde auf. Mit großer Wahrscheinlichkeit die Todesursache, wie die Gerichtsmedizinerin am Donnerstag vor Gericht aussagte.

Der Ort, an dem der Mann gefunden wurde, sieht heute ganz anders aus. Die Gartenlaube ist weg, der Garten ebenso. Man kann sich kaum vorstellen, wie das damals abgelaufen ist. Das ist eigentlich symptomatisch für den ganzen Fall. Es gibt keine Zeugen für die Tat. Lange Zeit waren sowohl Opfer wie möglicher Täter unbekannt. Über ein Motiv kann man nur spekulieren. Der Fall scheint wenig zu interessieren. Würde es sich um einen Prominenten handeln, wäre das mit Sicherheit anders. Hier aber stammen die Protagonisten aus dem Obdachlosenmilieu.

Die Ermittlungen haben ergeben, dass es sich beim Opfer um einen 25-Jährigen aus Ungarn handelt. Der Tat beschuldigt wird der 51-jährige A.L. aus Lettland. Jener befindet sich seit rund einem Jahr in Schrassig in Untersuchungshaft.

Wie aus einem anderen Film

Am Donnerstag (10.6. stand A.L. vor Gericht. Ein eher unscheinbarer Mann mittlerer Statur. Er habe den Ungarn gekannt, besser gekannt sogar, ohne aber eine echte Freundschaft aufgebaut zu haben. Nein, er habe ihn nicht getötet, sagt er zur Richterin. In seiner kurzen Hose und dem weißen T-Shirt wirkt er wie aus einem anderen Film. Während fast dreieinhalb Stunden Prozess bleibt er ruhig, nie nervös, keine fahrigen Gesten. Dass er gelegentlich den Eindruck erweckt, als würde er nicht am Geschehen teilnehmen, dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass er nicht versteht, was Richterin, Staatsanwalt oder die Experten sagen.

A.L. ist 1970 in Riga, Lettland, geboren. Er spricht Lettisch und Russisch. Ein Übersetzer sitzt permanent neben ihm und übersetzt. In die eine wie in die andere Richtung. Das dauert. A.L. nimmt das stoisch hin. Gute Kommunikation geht anders.

Ein Psychiater bescheinigt A.L. nichts wirklich Negatives. Er sei ein Einzelkind, normale Kindheit, verheiratet, geschieden, zwei Töchter. Von Ausbildung sei er Schlosser. Als es in Lettland zusehends schwieriger wurde, habe er in Belgien nach Arbeit gesucht, später in Luxemburg, wo er dann hängen blieb. Möglich, dass Scheidung und Arbeitslosigkeit zur Alkoholabhängigkeit geführt haben. Der psychiatrische Experte beschreibt A.L. als ruhigen und ordentlichen Menschen, etwas passiv vielleicht. Das Leben auf der Straße gefalle ihm nicht, ändern möchte er daran aber scheinbar auch nichts. Nicht arbeiten, nicht irgendwo anders hingehen. In Luxemburg bleiben, warum auch nicht?

Nach fast dreieinhalb Stunden ging der erste Prozesstag am Donnerstag zu Ende. Was darf man bisher daraus schließen? Ein 25-Jähriger wurde mit einer Stichwaffe umgebracht. Zeugen gibt es nicht. Höchstens Indizien. Also beispielsweise, dass ein gefundenes Messer mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Tatwaffe ist. Darauf fanden sich DNA-Spuren des Opfers und des vermeintlichen Täters. Aber: Viele hätten Zugang zur Gartenlaube gehabt, in der sich das Messer befand. Ob der Angeklagte A.L. der Täter ist, bleibt zumindest am Donnerstag fragwürdig. Es ist in allen Aussagen nicht ersichtlich geworden, was genau gegen den 51-Jährigen vorliegt.

Ab neun Uhr heute Morgen geht der Prozess weiter. Gehört werden auch zwei Experten, die gestern wegen funktechnischer Probleme nicht in Frankreich erreicht werden konnten.