Pressefreiheit / Protestierende Journalisten fordern Auskunftsrecht von Luxemburgs Behörden
Luxemburgs Journalistenverband ALJP protestierte am Montag, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit, für ein Informationszugangsrecht. Unterstützung erhielt er dabei aus der Zivilgesellschaft – und für Medienminister Xavier Bettel hatten sich die Organisatoren eine besondere Aktion überlegt. Das Tageblatt war vor Ort und hat mit den Journalisten gesprochen.
Flaggen und Wimpel empfangen am Montagmorgen jene Besucher der Stadt Luxemburg, die arglos über den Krautmarkt am großherzoglichen Palast und der „Chamber“ vorbeistreifen – untermalt vom kreischenden Martinshorn eines mit Stickern beklebten Megafons. Vor dem Parlamentsgebäude (und in Rufweite zur Terrasse des „Bistrot de la presse“, auf dem mancher Besucher der Demonstration noch einen schnellen Espresso schlürft) haben sich die ALJP („Association luxembourgeoise des journalistes professionnels“) und ihre Unterstützer versammelt. Knapp 40 Personen haben sich eingefunden. Es ist die erste öffentliche Aktion, seit der Journalistenverband am 19. April seine Kampagne für ein Informationszugangsrecht gestartet hat. Die letzte soll es nicht sein, verspricht Präsidentin Ines Kurschat. Man gibt sich kämpferisch.
Im Jahr 1993 hat die UN-Vollversammlung den 3. Mai auf Vorschlag der Unesco zum Internationalen Tag der Pressefreiheit erklärt. Luxemburgs Journalistenverband hat demnach ein durchaus symbolisches Datum gewählt, um seinen Protest vor die Abgeordnetenkammer – und im Anschluss vor das Staatsministerium – zu tragen. Die NGO „Reporter ohne Grenzen“ veröffentlicht jährlich ein Ranking der weltweiten Pressefreiheit. In diesem sitzt Luxemburg seit Jahren auf dem absteigenden Ast. 2021 ist das Großherzogtum abermals um drei Plätze gefallen – auf Rang 20, hinter Österreich, Uruguay und Surinam. Neben den Entlassungen von Journalisten beim Luxemburger Wort, der Einstellung der Printausgabe des Lëtzebuerger Journal und der notorischen Nähe zwischen Pressevertretern einerseits und der Politik- und Geschäftswelt andererseits im Mikrokosmos Luxemburg ist es nicht zuletzt auch die Informationspolitik der Regierung in der Corona-Krise, die den Abstieg mitbegründet.
„In den ersten Wochen der Pandemie hatten Journalisten oft Mühe, die staatlichen Statistikämter dazu zu bringen, relevante Zahlen und Informationen über die Ausbreitung des Virus und den politischen Umgang damit zu liefern“, schreiben „Reporter ohne Grenzen“ in ihrem Bericht. „Nach und nach wurde eine relative Transparenz hergestellt, obwohl ein Mangel an Ressourcen zu häufigen Engpässen im Informationsfluss führte. Nur durch glückliche Umstände wurden einige der von der Regierung verwendeten Gutachten veröffentlicht.“
Abhilfe schaffen könnte – zumindest nach Ansicht der ALJP – ein Informationszugangsrecht für Journalisten, welches Behörden dazu verpflichten würde, Pressevertretern unverzüglich und umfassend auf ihre Fragen zu antworten. Jede Ablehnung bedürfte einer stichhaltigen Begründung. „Das Transparenzgesetz, das von der Dreierkoalition im Jahr 2018 gestimmt wurde, ist kein Ersatz und wurde auch nicht für die Journalisten formuliert“, sagt die Präsidentin der ALJP, Ines Kurschat, bei ihrer Rede vor den Medienmachern und ihren Unterstützern. Sie widerspricht damit Premier- und Medienminister Xavier Bettel (DP), der im Interview mit dem Tageblatt sagte, dass die Kombination aus Transparenzgesetz und interner Anweisung ausreiche, um Journalisten zufriedenstellend zu informieren. Diese Auskunftspflicht der Behörden gegenüber der Presse ist die Kernforderung des Verbandes.
Willkürliche Umsetzung
Dass es in der Praxis bisweilen anders aussieht, weiß unter anderem Christoph Bumb. Der Chefredakteur von Reporter.lu ist dabei durchaus differenziert: „Es gibt Ministerien, wo ich gute Erfahrungen gemacht habe – beispielsweise das Staatsministerium. Dort werden selbst kurze Deadlines meist eingehalten.“ Ganz anders sehe es indes beim ebenfalls DP-geführten Finanzministerium aus. „Das ist eine vollkommene Blackbox“, sagt Bumb. „Sprecher und Beamte machen da auch gar keinen Hehl daraus, dass sie Anfragen nicht beantworten werden.“ Niemand verlangt seiner Ansicht nach, dass absolut jede Information innerhalb weniger Stunden verfügbar sein muss. „Aber in den meisten Ministerien fehlt einfach eine gewisse Informationszugangskultur.“ Das Rundschreiben des Premiers funktioniere primär in seinem eigenen Ministerium. „Es ist aber die Verantwortung eines Regierungschefs, diese Anweisung mit Leben zu füllen. Zurzeit wird sie in jedem Ministerium unterschiedlich gehandhabt.“
Das sieht auch woxx-Redakteur Luc Caregari so. „Im Moment hängt es von der Willkür der Verwaltung ab, ob wir Informationen erhalten – und welche.“ In diesem Zusammenhang kritisiert der Journalist, der auch Vizepräsident der ALJP ist, das Transparenzgesetz von 2018. „Das Transparenzgesetz ist eigentlich ein Intransparenzgesetz, weil es nicht besonders wirksam ist.“ Das Gesetz ermöglicht den Zugriff auf Verwaltungsdokumente. Das Problem: „Nirgendwo ist genau definiert, was überhaupt ein Verwaltungsdokument ist“, sagt Caregari. „Wir hätten gerne eine Reform dieses Gesetzes, in der festgehalten wird, dass es einen Zugang zu Information und nicht auf Dokumente gibt.“ Denn um Zugriff auf ein Dokument zu verlangen, muss der Journalist natürlich erst mal wissen, dass das Dokument überhaupt existiert. „Es geht nicht um eine Extrawurst für Journalisten“, sagt Caregari, der an den Recherchen um die OpenLux-Veröffentlichungen beteiligt war. „Ich arbeite viel mit internationalen Kollegen – die glauben gar nicht, dass es kein Informationszugangsrecht in Luxemburg gibt.“
Botschaft für Bettel
„Die ganze Veranstaltung ist schon ein bisschen meta“, bemerkt ein Reporter des Lëtzebuerger Journal trocken. „Journalisten protestieren und werden von anderen Journalisten interviewt, die dann darüber schreiben und wieder von Journalisten gelesen werden.“ Ein anderer Passant, der seinen Namen nicht nennen will, findet für diesen Umstand auch Worte der Kritik: „Hätten die Journalisten ihre Demonstration besser beworben, wären bestimmt mehr Menschen gekommen, um sie zu unterstützen.“ Pressefreiheit ginge alle Menschen etwas an. „So könnte man als Bürger den Eindruck bekommen, man sei hier gar nicht erwünscht.“
„Erwünscht“ und mit von der Partie sind allerdings Luxemburgs größte Gewerkschaft OGBL und eine Reihe zivilgesellschaftlicher Organisationen wie Greenpeace, das „Mouvement écologique“ und die ASTM („Action Solidarité Tiers Monde“) – sie alle haben bereits ihre Erfahrungen mit den Tücken des Transparenzgesetzes gemacht und unterstützen die Journalisten in ihren Forderungen. „Im Gesetz gibt es ganz viele Ausnahmen, die einem Ministerium erlauben, ein Dokument nicht herauszugeben“, sagt auch Laurent Schmit. Der Redakteur von Reporter.lu nutzt das Transparenzgesetz öfter im Rahmen seiner Recherche. „Das Transparenzgesetz hat a priori einen Monat Wartezeit. Es ist schwierig, so zu arbeiten, weil die Themen, an denen man dran ist, nach dem Monat nicht mehr aktuell sind“, so Schmit. Dann verstehe der Leser nicht, weshalb der Journalist plötzlich mit dem Thema um die Ecke komme. „Wenn die Regierung sich beklagt, dass Falschinformationen zirkulieren, dann ist es auch ihre Aufgabe, mit Fakten an die Öffentlichkeit zu gehen.“ Das sei auch die beste Möglichkeit, um falsche Informationen zu verhindern.
Nachdem die Präsidentin der ALJP die Forderungen der Journalisten vor dem Parlament vorgetragen hat, macht sich der Pulk, im Fokus von Handy- und Fernsehkameras, auf den Weg zur place Clairefontaine, vor die Tore des Staatsministeriums. Voraus gehen der Generalsekretär und der Vizepräsident der ALJP – zwischen ihnen eine schwere Stahlkette. Wenig später wird offensichtlich, welchem Zweck sie dient: Mit einem Vorhängeschloss versperren die Journalisten das schmiedeeiserne Tor zum Staatsministerium – symbolisch für das Schweigen der Regierung, für die „Blackbox“. Daneben steht Präsidentin Ines Kurschat, bewaffnet mit einem Megafon – und einer Botschaft für den Medienminister: „Seien Sie Teil der Lösung – nicht Teil des Problems.“ Damit greift die Journalistin den Slogan der Regierung in der Corona-Krise auf, denn gerade in dieser habe sich die problematische Kommunikationskultur der blau-rot-grünen Koalition abermals manifestiert. „Unser Geduldsfaden ist gerissen“, verkündet Kurschat. „Die Journalisten Luxemburgs fordern das Informationszugangsrecht seit 2004 und wurden immer wieder vertröstet.“ Bettel selbst ist nicht da, was laut Kurschat allerdings kein Hindernis darstellt. „Wir schicken ihm unsere Forderungen mit der Post – die funktioniert noch.“ Bis dahin lassen die Journalisten die Kette am Eingangstor – als Mahnung und Erinnerung daran, wie es ist, bei der Arbeit vor verschlossenen Türen zu stehen.
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Die Geschichte zeigt uns,dass der erste Schritt zum Polizeistaat oder zur Diktatur das Maulkorbgesetz gegen die freie Presse ist. Der Souverän ist nicht der Großherzog,nicht der Kardinal und auch nicht die Kammer. Es ist das (oft für dumm verkaufte) Volk. Die da draußen,die im Sumpf. Die Gewählten sollen sich jeden Tag morgens im Spiegel schauen und sich sagen: “ Du hast ein Mandat.Du bist Stellvertreter.“ Das wird oft vergessen scheint es.Und die Presse ist das Kontrollorgan des Wählers. Genau so wenig dürfte die Presse ein Parteiorgan sein oder von einer Sekte abhängen. In der Justiz nennt man das “ Befangenheit“.