/ Projekt in Junglinster: Wenn Kinder Erwachsene spielen
Das pädagogische Großprojekt Mini-Lënster geht dieses Jahr in die sechste Runde. Bis einschließlich heute können sich Schüler vom Cycle 1 bis zur 6e in der Spielstadt austoben und sich im Erwachsensein üben.
Von Julie Riva
Die Kinderspielstadt Mini-Lënster wurde 2009 von dem SEA („Service d’éducation et d’accueil“) Päiperlék erstmals in Junglinster organisiert und findet seitdem jedes zweite Jahr statt. Insgesamt 650 Kinder aus dem ganzen Land tauchen spielend in die Welt der Erwachsenen ein und können für ganze zwei Wochen oder nur für einige Tage Bürger von Mini-Lënster werden.
Ein Schild weist darauf hin, dass man sich nicht mehr in Junglinster befindet, sondern eine neue Stadt betritt. Hier haben die Kinder das Sagen. Bunte Holzhäuser stellen alle möglichen Institutionen dar. Hier finden die Kinder eine abwechslungsreiche Arbeitswelt, politische Institutionen, eine Universität und ein vielseitiges Kultur- und Freizeitprogramm. Mini-Lënster besitzt alle möglichen Einrichtungen einer echten Stadt, von denen die Kleinen im „richtigen Leben“ noch ausgeschlossen sind. Obwohl das Projekt von Erwachsenen entwickelt und organisiert wurde, können die Kinder es weitestgehend autonom gestalten und weiterentwickeln.
Organisiertes Chaos
Das auf den ersten Blick chaotisch erscheinende Gewusel hat System. Die Kinder bekommen sogar einen eigenen Pass, in dem beispielsweise die Spielregeln erklärt werden, ihre Bankgeschäfte festgehalten werden oder ihr Universitätsdiplom eingetragen wird. Auch eine eigene Währung hat die Stadt. Bezahlt wird mit „Lënsto“. Die örtlichen Schulklassen halfen beim Entwurf der Geldscheine. Das Gewinner-Design wurde per Wettbewerb ermittelt. Jedes Kind bekommt ein kleines Startkapital. Allerdings muss man auch eine Arbeit finden, um genügend Geld für den Supermarkt, das Schwimmbad, das Kino und all die anderen Freizeitangebote zu haben.
Beim Betrieb „Mini Blimi“ wird gebastelt und die anderen Geschäfte können hier ihre Deko bestellen. Direkt daneben befindet sich das Recyclingcenter. Die kleinen Arbeiter besuchen auch die einzelnen Betriebe und müssen eine Strafe von zwei „Lënsto“ zahlen, wenn der Müll nicht richtig getrennt wurde. Neben den normalen Bürgern der Stadt kann man auch Vollbürger werden. Nur diese können zur Wahl des Bürgermeisters antreten. Um Vollbürger zu werden, muss man mindestens vier Stunden arbeiten und ein Studium von zwei Stunden absolvieren. Ein Vollbürger verdient auch ganze zwei „Lënsto“ mehr pro Stunde.
Einmal Bürgermeister sein
Jeden Mittwoch wird neu gewählt. Die aktuelle Bürgermeisterin, Claire Baum, konnte ihre Wähler mit dem Versprechen von mehr Arbeitsplätzen und neuen innovativen Ideen für sich gewinnen. Ben Theis wurde zum Ersten Schöffen ernannt, sein Amt nimmt er sehr ernst. „Ich kann natürlich nichts alleine bestimmen. Ich muss alles zusammen mit der Bürgermeisterin entscheiden. Wir schreiben Reden, sammeln Steuern ein und helfen dabei, neue Betriebe zu gründen.“ Auf die Frage, welche Probleme es in Mini-Lënster gibt, antwortete Ben: „Es gibt nicht immer genug Arbeitsplätze, aber weil es auch ein großes Freizeitangebot gibt, ist eigentlich immer jeder beschäftigt. Natürlich gibt es auch ein paar Kinder, die keine Lust haben, bei irgendetwas mitzumachen, aber diese versuchen wir, dann zu ermutigen.“
Sogenannte „Special Helps“ kommen von außerhalb, um den Kindern beispielsweise beim Schreinern den korrekten Umgang mit Holz zu zeigen. Auch ein echter Polizist zeigt seinem Team von sechs kleinen Nachwuchspolizisten, wie man Verbrechen bekämpft. Denn auch eine Stadt wie Mini-Lënster ist nicht vor Dieben gefeit. Bei Fehlverhalten können die Kinder vor dem stadteigenen Gericht verurteilt werden.
Beim Rettungsdienst können die Kinder mit richtigen Feuerwehrleuten den Ernstfall proben und an der Universität können sie Kurse über Krebserkrankungen vom „Plooschter-Projet“ besuchen oder etwas übers Recycling von der „SuperDrecksKëscht“ lernen. An der Universität kann man einen Bachelor-, Master- oder sogar einen Doktor-Abschluss erhalten. Für einen Bachelor müssen drei Stunden belegt werden, für den Master vier und die Kinder müssen den Kurs resümieren. Für einen Doktortitel müssen die Kleinen sogar sechs Stunden zur Uni und eine Klasse unterrichten.
Wie im „richtigen Leben“
Im eigenen Internetcafé kann man gemeinsam Computerspiele spielen. Zusammen mit der Initiative „Bee Secure“ werden die Kinder gleichzeitig auf die Gefahren des World Wide Web aufmerksam gemacht. Die Kinder lernen auf spielerische Weise, wie das Justizsystem, politische Instanzen sowie eine Wirtschaft funktionieren, und setzen sich nebenbei auch mit Problemen wie Arbeitslosigkeit, sozialer Ungerechtigkeit oder Inflation auseinander. Gleichzeitig sollen die Kinder vor allem ihre Rechte kennenlernen und in Ateliers spielerisch zusammen mit Partnern wie der Unicef mehr darüber erfahren.
Zusammen mit den Erziehern aus den verschiedenen „Maisons relais“ und Studenten sind es insgesamt 80 Erwachsene, die einen reibungslosen Ablauf garantieren. Das Projekt wird alle zwei Jahre organisiert, weil es zu aufwendig ist, um es jedes Jahr stattfinden zu lassen. Die Hauptorganisatoren Charel Schmitt und Christian Treitz fangen bereits zehn Monate im Voraus mit den Vorbereitungen an. „Die Holzkonstruktionen der verschiedenen Gebäude werden bei der Gemeinde gelagert und wurden 2009 erstmals von Prefalux gebaut. Alle zwei Jahre werden sie auch wieder von dieser Firma aufgebaut“, so Schmitt.
Das Konzept einer Kinderspielstadt fand ihren Ursprung bereits 1978 in München, wo das Projekt erstmals von Gerd Grüneisl organisiert wurde. Zwischen den Projekten Mini-München, Mini-Salzburg und Mini-Lënster herrscht ein aktiver Austausch. Einige Kinder können sich sogar die anderen Städte ansehen, um neue Ideen mitzubringen.
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